Schweden:Die Hand am Po - oder Schlimmeres

Bravalla Festival in Norrkoping

Eine Polizistin steht auf einem schwedischen Festival-Gelände.

(Foto: dpa)
  • Die Polizei ermittelt wegen sexueller Übergriffe auf schwedischen Musikfestivals.
  • Die Zahl der angezeigten Fälle ist im Vergleich zu den vergangenen Jahren gestiegen.
  • Doch Männer, die Frauen belästigen, sind kein neues Problem.

Von Markus Mayr

In Schweden gab es am Wochenende auf dem Festival Putte i Parken in Karlstad Dutzende Übergriffe auf Mädchen und Frauen. Das jüngste Opfer sei zwölf Jahre alt gewesen, berichtet Stefan Dangardt von der örtlichen Polizei. Die Betroffenen seien begrapscht worden. Vergewaltigungen habe es keine gegeben - anders als auf dem Bråvalla-Festival in Norrköping, das fast zeitgleich stattfand und wo laut einem Medienbericht fünf Frauen vergewaltigt worden sein sollen. Der Aufschrei ist groß, etwa auf Twitter. Das Problem ist nicht neu. Die Polizei ermittelt.

Jahr für Jahr gebe es sexuelle Übergriffe auf schwedischen Musikfestivals, schreibt die Göteborg-Posten, obwohl die Veranstalter versprächen, solche Vorfälle nicht zu tolerieren. Lisa Andréasson Florman arbeitete als Freiwillige auf dem Bråvalla und will, dass Frauen sich auf dem Festival sicher fühlen können. In der Zeitung beklagte sie, dass die Veranstalter ihre Vorschläge zur Verbesserung der Sicherheit nicht ernst genommen hätten. "Sie wollten meinen Rat nicht hören", sagte sie.

Nach dem vergangenen Wochenende, an dem das Putte i Parken stattfand, gingen bei der Karlstader Polizei 32 Anzeigen wegen sexueller Belästigung ein. Festgenommen wurde niemand. Jedoch seien zwei von sieben Verdächtigen bereits identifiziert, berichtet der Polizist Dangardt. Es handle sich um minderjährige Jungen.

Niclas Lagerstam organisiert dieses Festival seit neun Jahren. Er findet, dass der Besuch der Veranstaltung für Frauen nicht gefährlicher ist, als auf die Straße zu gehen. "Wir sind ein sicheres Festival", sagt er. Mit viel Security. Allerdings habe es das Problem, dass sich Männer nicht benehmen können, schon immer gegeben - und leider überall. Nicht nur, aber halt auch auf Festivals. Der Unterschied im Vergleich zu den vergangenen Jahren ist laut Lagerstam, dass sexuelle Übergriffe heute in den Medien öffentlich behandelt werden. Was wiederum betroffenen Frauen helfe, ihre Fälle auch anzuzeigen.

Polizei fährt eine Kampagne, um junge Männer zu sensibilisieren

Dangardt will, wie Lagerstam auch, nicht davon sprechen, dass sexuelle Übergriffe ein neues Problem seien. Zwar sei die Zahl der angezeigten Fälle tatsächlich gestiegen. Was aber noch lange nicht bedeute, dass die Anzahl der tatsächlichen Übergriffe auch gestiegen ist.

Nachdem der schwedischen Polizei Anfang des Jahres vorgeworfen worden war, Details über Fälle von sexueller Belästigung auf dem Festival We are Sthlm unter Verschluss gehalten zu haben, geht sie nun in die Offensive. Nach Angaben von Dangardt fährt sie eine Kampagne, die in den Köpfen junger Männer das Bewusstsein schaffen soll, dass ein sexueller Übergriff strafbar ist - egal ob es die Hand auf dem Po ist oder Schlimmeres. Ein besonderes Augenmerk wollen die Polizisten nach den Ereignissen des vergangenen Wochenendes auf das kommende legen, wo in Borlänge das Peace & Love stattfindet, eines der größten schwedischen Festivals.

Der schwedische Innenminister Anders Ygeman kommentiert im Interview mit dem Svenska Dagbladet die gestiegene Zahl der angezeigten sexuellen Belästigungen. "Es ist gut, dass sich mehr Menschen trauen, Sexualverbrechen auf Festivals anzuzeigen", sagt er. Und gut sei es auch, dass es als Aufgabe der Polizei angesehen wird, sexuelle Übergriffe zu ahnden.

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