Schönheitsoperation:Ein Königreich für einen großen Busen

800.000 Mal schnitten Ärzte vergangenes Jahr an Deutschen herum, um aus ihnen ansehnlichere Menschen zu machen. Doch kosmetische Operationen sind nicht nur teuer, sondern auch lebensgefährlich.

(SZ vom 7.8.2003) - So richtig göttlich wurde Greta Garbo erst, als sie ihre Zähne richten ließ, und Marilyn Monroes Gesicht fand nur durch die Kraft des Messers endgültige Gnade bei Großaufnahmen.

Schönheitsoperation: Was Schönheitsoperationen kosten

Was Schönheitsoperationen kosten

(Foto: Grafik: SZ)

Mittlerweile bekommen Schönheitschirurgen aber auch Besuch von Menschen, die keine Bühnenkarriere anstreben. "Man sieht die Bäuerin ebenso wie den Postbeamten", sagt Constanze Neuhann-Lorenz, Präsidentin der "Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen" (VDÄPC). In den USA haben bereits zwei Drittel der Patienten ein Familieneinkommen von weniger als 50000 Dollar im Jahr.

Auch die Zeiten der Geheimniskrämerei sind vorbei. Während man sich in den siebziger Jahren noch über die eingefrorenen Züge von Hildegard Knef lustig machte, träumt einer Emnid-Umfrage zufolge heute schon jeder vierte Deutsche von herbeioperierter Schönheit.

Jeder fünfte Mann wünscht sich eine neue Nase

Fast die Hälfte der Interessenten möchte sich das verhasste Fett von Bauch und Schenkeln saugen lassen, jede dritte Frau unter ihnen sehnt sich nach einem anderen Busen und jeder fünfte Mann nach einer neuen Nase. "Zugenommen hat vor allem die Zahl der Männer und der ganz jungen Frauen", so Neuhann-Lorenz. Ein Viertel der Anfragen werde bereits von 15- bis 25-Jährigen gestellt.

800.000 Mal schnitten Ärzte vergangenes Jahr an Deutschen herum, um aus ihnen ansehnlichere Menschen zu machen. Vor zehn Jahren waren es noch etwa 100.000 Eingriffe. Die Träume von dem Glück nach dem Aufwachen decken sich aber selten mit der Realität.

Das zeigt nicht nur das Beispiel Michael Jackson, bei dem allein 20 Eingriffe nötig waren, bis endlich das ersehnte Stupsnäschen sein Gesicht zierte. "Gerade die jungen Mädchen halten alles für machbar", beklagt Neuhann-Lorenz. Und die Älteren erwarteten "vom Fettabsaugen das Königreich". Zwar sei durch diese Methode eine "deutliche Konturverbesserung" möglich. "Aber schlank wird man dadurch nicht."

Nach einer Brustverkleinerung leiden viele Frauen

Zudem sei jeder dieser Modellierversuche eine große Operation: "Wenn man an Bauch und Oberschenkeln absaugt, entsteht eine innere Wunde, die einem Viertel der Körperoberfläche entspricht", warnt Hans-Ulrich Steinau, Direktor der Abteilung für Plastische Chirurgie an der Universität Bochum. Entsprechend schwer wiegen die unerwünschten Folgen.

In neun Prozent aller Fälle kommt es beim Fettabsaugen zu Komplikationen, und nach einer Brustverkleinerung leidet fast jede fünfte Frau. Am häufigsten sind Wundheilungsstörungen und Nachblutungen. Oft ist eine zweite Operation erforderlich; und mitunter nimmt die Sehnsucht nach Makellosigkeit sogar einen fatalen Ausgang - wie bei der 49-Jährigen, der vergangenen Sommer beim Fettabsaugen in Dortmund der Dünndarm durchlöchert wurde.

"Wir müssen mit einem Todesfall auf 5000 Absaugungen rechnen", sagt Neuhann-Lorenz.

Die hohe Komplikationsrate geht aber auch auf das Unvermögen vieler Mediziner zurück, die sich Schönheitschirurgen nennen. Da gibt es Hautärzte, die Falten straffen, Frauenärzte, die den Busen vergrößern, und Zahnärzte, die Lippen unterspritzen. "Manchmal wird sozusagen auf dem Küchentisch abgesaugt", moniert Steinau.

Tod durch Fettabsaugen

In den letzten fünf Jahren seien allein nach dem Fettabsaugen mindestens 40 Deutsche auf der Intensivstation und zwölf auf dem Friedhof gelandet: "Wenn man die Schadensfälle sieht, fasst man sich an den Kopf, was da läuft."

"Schönheitschirurg" kann sich eben jeder Mediziner nennen. Im Gegensatz dazu darf man die Bezeichnungen "Facharzt für Plastische Chirurgie" oder "Plastischer Chirurg" nur nach einer sechsjährigen Zusatzausbildung führen. Doch die ist vielen zu mühsam. "Es lockt das schnelle Geld", sagt Steinau.

"Schließlich boomt die Plastische Chirurgie. Da bleibt einiges vom Ärztlichen auf der Strecke." Erst vor kurzem wurde ein Schönheitschirurg aus Wernigerode wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Der Mann habe "mindestens 13 unglaubliche Fehler" gemacht, sagte einer der Gutachter in dem Prozess. Motiv: Habgier, folgerte das Gericht.

"Patienten kommen nicht aus Jux und Dollerei"

Gleichwohl wehren sich die Plastischen Chirurgen dagegen, dass ihre Arbeit überzogenem Schönheitswahn diene und eigentlich verzichtbar sei. "Seriöse Ärzte operieren nur bei erheblichem Leidensdruck", betont Constanze Neuhann-Lorenz. "Und die allermeisten Patienten kommen nicht aus Jux und Dollerei." Eine Studie der University of Pennsylvania bestätigt, dass es sich meist um psychisch unauffällige Personen handelt, die ihre äußere Erscheinung so gern verbessern möchten, dass sie dafür Risiken eingehen.

Immerhin scheint die Lust aufs Messer nicht ungebremst zu wachsen: In den USA ist der Schönheits-Markt neuerdings rückläufig. Und schließlich kann man auch die Umfrage-Zahlen aus Deutschland positiv interpretieren: Immerhin wollen mehr als Dreiviertel der Deutschen so bleiben, wie sie sind.

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