Schönheitskönigin in Italien:"Soldat hätte ich ja nicht werden müssen"

Miss Italy 2015 Beauty Pageant

Die 18-jährige Alice Sabatini aus Viterbo bei Rom ist die neue Miss Italia. Auf die Frage, in welcher Epoche sie gerne gelebt hätte, sagte sie etwas überraschend: "1942".

(Foto: dpa)

Italien wundert sich über seine neue Schönheitskönigin: Die 18-Jährige hat kurze Haare und Tattoos und sagt, sie hätte am liebsten während des Zweiten Weltkriegs gelebt.

Von Oliver Meiler, Rom

Italien hat eine neue Miss, sie heißt Alice Sabatini aus Viterbo bei Rom, 18 Jahre jung, 1,78 Meter groß, Basketballspielerin und Chemie-Studentin. Sie trägt überraschend kurzes Haar für eine italienische Schönheitskönigin, hat fünf Tattoos, darunter den springenden Basketballspieler Michael Jordan auf der rechten Hüfte, und ein sehr ansteckendes Lachen. Und wahrscheinlich hätte die Welt jenseits der Landesgrenzen nie von Miss Italia 2015 erfahren, wenn es da nicht eine Sequenz gegeben hätte im intellektuelleren Teil des Wettbewerbs, bei der manchem das angesteckte Lachen im Hals stecken blieb.

In Jesolo an der Adria, wo die Veranstaltung diesmal stattfand, hatte man die jungen Damen schon in Brautmode und im Bikini gesehen, ein Jurymitglied mit ausgeprägtem Mitteilungsbedürfnis hatte kundgetan, dass er bei Frauen als Erstes auf die Ohren schaue und Elefantenohren eher nicht schön finde, und die Moderatorin hatte dem Publikum ohne erkennbare Not ihre Schwester vorgestellt.

Da sollten die Finalistinnen noch ihre bis dahin verborgenen Werte offenbaren: Herz und Kopf. Man fragte die Kandidatinnen also, in welcher Epoche sie gerne gelebt hätten; da kommen einem auf Anhieb einige hübsche Epochen in den Sinn, solche etwa, in denen die Freude am Schönen, Barocken und Gepuderten verbreitet war.

Miss Verständnis

Alice Sabatini war als fünfte dran. "1942", sagte sie, "so hätte ich den Krieg erlebt. Ich bin schließlich eine Frau, ich wäre zu Hause geblieben, Soldat hätte ich ja nicht werden müssen."

Es machte nicht den Anschein, als habe der Fernsehsender La7 die Passage geprobt. Die Jurymitglieder jedenfalls schauten sich betreten an, ungläubig auch, fanden aber bald einen seichten Übergang. Bei 5,78 Prozent Marktanteil, 950 000 Zuschauern insgesamt, schien die Aussicht auf viel Aufsehen ja gering zu sein. Doch in Zeiten von Twitter und Facebook ist das unmöglich. Die sozialen Netzwerke überliefen schnell mit lustigen, sarkastischen und bitterbösen Kommentaren.

#MissItalia wurde schnell ein viraler Trend, einer schrieb: "Ich wäre gerne 1956 geboren, um den Kalten Krieg zu erleben - eine Daunenjacke habe ich ja schon." Ein anderer: "Miss Understanding."

Manchmal ist flach gar nicht so schlecht

Ein Missverständnis war es aber offenbar nicht. Als Alice Sabatini den Titel trotz ihres historischen Ausflugs ins Ungefähre gewonnen und ihr Krönchen trug, erzählte sie hinter den Kulissen ergriffen, ihre 91-jährige Urgroßmutter sei eigens nach Jesolo gereist, um diesen Moment zu erleben.

Und diese Urgroßmutter, Augusta heißt sie, habe ihr, seit sie ein kleines Kind war, oft vom Krieg erzählt: "Das waren schreckliche Jahre, es passierten schlimme Dinge", sagte Miss Italia, "doch es gab damals auch Leute, die die Kraft fanden, sich dagegen aufzulehnen. Heute hingegen ist alles so flach, so voraussehbar." Nun, manchmal ist flach gar nicht so schlecht.

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