Schockierende Enthüllungen:Krankenhäuser, die krank machen

Müllberge und Hundekot - in Italiens Kliniken sterben wegen mangelnder Hygiene jährlich 7000 Menschen.

Stefan Ulrich

Als die Gesundheitsspezialisten der italienischen Carabinieri am Dienstag das Mailänder Krankenhaus San Carlo Borromeo durchsuchten, machten sie einen überraschenden Fund: Im Kellergeschoss der Klinik haust seit vielen Jahren eine Kolonie von etwa 80 verwilderten Katzen.

,,Es ist eine Schande'', empörten sich die Carabinieri, ,,die Katzen laufen im Untergeschoss herum und lassen dort ihre Exkremente liegen. Der Uringeruch dringt bis in die oberen Geschosse vor.''

Die Krankenhausleitung konterte mit einem Brief des örtlichen Tierschutzamtes vom vergangenen Sommer, in dem es heißt: ,,Die Anwesenheit der Katzen kann nicht nur toleriert werden, sondern auch dabei helfen, andere Tiere fernzuhalten.''

Tatsächlich musste in der alten Poliklinik von Neapel gerade eine Abteilung wegen Mäusebefall geschlossen werden. Mit ausreichend Katzen wäre das nicht passiert.

Im Monaldi-Krankenhaus Neapels sind dagegen die Hunde das Problem. Sie lungern in Rudeln um das Institut herum und warten auf die Säcke mit den Abfällen, die die Putzkräfte herausbringen. Manchmal greifen sie Besucher an. In den meisten italienischen Krankenhäusern geht es natürlich nicht so tierisch zu. Dort machen vielmehr Kleinlebewesen den Patienten und Ärzten zu schaffen.

So veröffentlichte die Zeitung La Repubblica jetzt eine Studie, wonach jedes Jahr zwischen 4500 und 7000 Menschen an Infektionen sterben, die sie während eines Klinikaufenthalts aufgeschnappt haben. Damit dürfte Italien zwar so etwa im europäischen Durchschnitt liegen, aber wirklich beruhigen kann das die Italiener nicht.

"Die infernalische Poliklinik"

Denn viele Todesfälle wären vermeidbar, wenn die grundlegenden Hygienevorschriften eingehalten würden. Doch das ist keinesfalls garantiert.

So schockte das Polit-Wochenmagazin Espresso das Land vergangenen Freitag mit der Titelgeschichte: ,,Die infernalische Poliklinik''. Darin berichtete der Enthüllungsjournalist Fabrizio Gatti über die malade Situation im größten Krankenhaus des Landes, der Universitätsklinik Umberto I. in Rom.

Gatti hatte sich, als Putzkraft verkleidet, in das Institut geschlichen und dort, ohne je kontrolliert zu werden, vier Wochen lang recherchiert. Die reich bebilderten Ergebnisse: Abfallsäcke, Zigarettenkippen und Hundekot in den Korridoren, Angestellte, die vor der Kinderintensivstation rauchen, Räume, die als eine Art Müllkippe benutzt werden, frei zugängliche Sicherheitsbereiche mit radioaktivem und infektiösem Material und Tausende vertrauliche Patientenakten, die in einem Gang herumliegen.

Die schlimmsten Vorurteile der Italiener über ihr Gesundheitssystem schienen sich zu bestätigen - und die Gesundheitsministerin Livia Turco reagierte sofort.

Sie setzte die Carabinieri in Marsch. 1600 Polizisten kontrollierten in den vergangenen Tagen 309 staatliche Krankenhäuser in allen Regionen. Ein offizieller Gesamtbefund liegt noch nicht vor, doch erste Ergebnisse sickerten bereits durch.

Danach ist die Situation, wen wundert's, im Norden Italiens eher gut und im Süden eher bedenklich. Die Südtiroler oder ligurischen Krankenhäuser blieben nahezu unbeanstandet. Im größten Krankenhaus Neapels rückten dagegen mit den Carabinieri auch Bagger und Lastwagen an, um den Unrat wegzuschaffen, der sich über Jahre aufgestaut hatte.

Überaltert, überfüllt und unhygienisch

Teilweise wurden die Carabinieri wie Befreier empfangen. So begrüßte sie, wiederum in Neapel, eine Patientin mit den Worten: ,,Willkommen, wir haben so sehr auf Sie gewartet.'' Im sizilianischen Sciacca klagten Angehörige eines Patienten, in der Klinik fehle sogar Bettwäsche.

Diesen Befunden zum Trotz ist jedoch keineswegs das ganze italienische Gesundheitssystem krank. Wer sich privat behandeln lässt, der wird von den Ärzten und Kliniken rasch und kompetent betreut. Auch in den staatlichen Krankenhäusern arbeiten viele hervorragend ausgebildete Ärzte fachlich auf europäischem Spitzenniveau.

Die Forschungseinrichtungen der Uni-Kliniken, etwa in Neapel, haben weltweit einen ausgezeichneten Ruf. Allerdings sind die öffentlichen Kliniken oft überaltert, überfüllt und unhygienisch. Lange Wartezeiten, riesige Schlafsäle und eine mangelhafte Betreuung setzen den Kranken zu.

Die Gesundheitsministerin Turco hat daher jetzt versprochen, die Renovierung der staatlichen Kliniken zu einem der ,,großen Werke'' der Prodi-Regierung zu machen. Zudem sollen die Hygienegebote und Rauchverbote nunmehr streng durchgesetzt werden.

Die skandalträchtige Poliklinik Umberto I. wird saniert oder abgerissen und neu gebaut. Wie die Mailänder Klinikkatzen behandelt werden, ist dagegen noch nicht bekannt.

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