Schneechaos in Deutschland:Flugausfälle in Frankfurt auf Rekordniveau

Auf Nordseeinseln bricht der Verkehr zusammen, Züge und Autos stecken stundenlang fest, Flüge werden annuliert. Sturmtief "Daisy" hat Teile Deutschlands fest im Griff.

Auf dem größten deutschen Flughafen in Frankfurt am Main wurden am Sonntagmorgen 66 Flüge gestrichen, wie ein Flughafensprecher sagte. Darunter waren 33 Landungen, weil auch Flughäfen in Süddeutschland, der Schweiz und Norditalien witterungsbedingte Probleme hatten. Zudem mussten die Passagiere an Deutschlands größtem Flughafen auch weiterhin mit Verspätungen von rund einer Stunde rechnen.

Schneechaos in Deutschland: Enteisung am Flughafen Frankfurt: Sturmtief "Daisy" legt vielerorts den Verkehr lahm.

Enteisung am Flughafen Frankfurt: Sturmtief "Daisy" legt vielerorts den Verkehr lahm.

(Foto: Foto: rtr)

Bereits am Samstag mussten durch die winterlichen Witterungsverhältnisse mit Schnee und Eis insgesamt 255 Flüge annulliert werden. "Ich bin seit 38 Jahren dabei, aber an eine solch hohe Zahl an witterungsbedingten Flugausfällen kann ich mich nicht erinnern", sagte der Flughafensprecher.

Krisenstab in Mecklenburg-Vorpommern

In Mecklenburg-Vorpommern ist nach der Schneekatastrophe ein Krisenstab gebildet worden. Wie es hieß, wurde der Interministerielle Führungsstab im Schweriner Innenministerium einberufen, um überörtliche Hilfe zur Bewältigung der schweren Wetterfolgen in den Landkreisen zu organisieren.

Neben dem Chaos auf der Küstenautobahn 20, wo 167 eingeschneite Menschen erst nach Stunden aus ihren Fahrzeugen befreit werden konnten, war auch der Zugverkehr schwer beeinträchtigt. Dramatisch war die Situation auch in Schleswig-Holstein, wo wegen Schneeverwehungen mehrere Orte von der Außenwelt abgeschnitten wurden. Zudem trat die Ostsee über die Ufer. Bei Dahmeshöved drohte ein Deich zu brechen.

Auf der Strecke Stralsund-Pasewalk-Berlin bei Anklam war am Sonntagmorgen nach DB-Angaben ein Personenzug festgefahren, an dessen Befreiung das Technische Hilfswerk und Feuerwehr zunächst noch arbeiteten. Die Deutsche Bahn war den Angaben zufolge mit allen verfügbaren Winterdienstkräften und schwerer Winterräumtechnik im Einsatz, um die Strecken wieder befahrbar zu machen.

Mit einem Tag Verspätung sorgte das Tief "Daisy" damit doch noch für die vielfach befürchteten Probleme. Die Polizei appellierte dringend an die Menschen, ihr Auto stehenzulassen. Selbst auf der Küstenautobahn A 20, die vorrangig geräumt wurde, ging streckenweise gar nichts mehr, wie die Polizei mitteilte. Sogar die Winter- und Notdienstfahrzeuge blieben bei ihren Einsätzen in meterhohen Schneewehen stecken. "Wir kommen mit dem Räumen nicht mehr nach", betonten landauf, landab die Vertreter des Straßenwinterdienstes.

Wegen des anhaltenden Schneefalls gelang es den Einsatzkräften stundenlang nicht, die Eingeschneiten freizubekommen. Nach Angaben der Autobahnpolizei Altentreptow waren Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte zwischen 3.00 Uhr nachts und 7.30 Uhr morgens im Großeinsatz. Erst am Morgen hatten sie sich mit Hilfe von Fräsen zu den Eingeschlossenen vorgearbeitet.

Chaos auf den Inseln

Nach ihrer Befreiung wurden die Menschen den Angaben zufolge in Jarmen in aufgebauten Zelten betreut. Die ersten Notrufe hatte es demnach schon am Samstagabend um 20.00 Uhr gegeben. Das Technische Hilfswerk war noch am Sonntagvormittag mit dem Abschleppen der letzten Fahrzeuge beschäftigt.

Auf den Inseln Rügen und Usedom wie auch auf den Halbinseln Fischland, Darß, Zingst sowie dem küstennahen Festland brach den Angaben zufolge der Verkehr fast völlig zusammen. Schon am Samstagnachmittag hatte der Nahverkehr im Küstenbereich den Betrieb eingestellt. Auch Bahnstrecken mussten gesperrt werden.

Zwei Verkehrstote meldete die Polizeidirektion Stralsund. Trotz des extremen winterlichen Wetters und polizeilicher Empfehlungen die Autos stehen zu lassen, hatte sich am Samstagabend ein 29-Jähriger in Nordvorpommern auf den Weg gemacht und war aus Wendisch-Baggendorf kommend von der Straße abgekommen. Er prallte mit seinem Auto gegen einen Baum. Der Fahrer und ein 27-jähriger Mitinsasse starben noch am Unfallort. Die Polizei sprach die dringende Warnung aus, bis zur Entspannung der Wetterlage auf Autofahrten zu verzichten.

Auch der Fährbetrieb innerhalb des Landes und auch die Auslandslinien von Scandlines stellten vorerst ihre Fahrten Richtung Skandinavien ein. Wie das Innenministerium in Schwerin bekanntgab, wird der Interministerielle Führungsstab gebildet, wenn zur Abwehr oder Bekämpfung eines außergewöhnlichen Ereignisses einschließlich des Katastrophenfalls eine ressortübergreifende Zusammenarbeit erforderlich ist.

Er soll bei Großschadenslagen und Katastrophen von landesweiter Bedeutung das Handeln der obersten Landesbehörden sowie der Katastrophenschutzbehörden bündeln und koordinieren und die zur Lagebewältigung erforderlichen grundlegenden Entscheidungen treffen.

Überschwemmungen auch in Lübeck

Auch ein Schneesturm über Lübeck und Ostholstein beschäftigte zahlreiche Einsatzkräfte. Die Polizei bezeichnete die Situation am Sonntagmorgen als unverändert angespannt. In Ostholstein waren fast alle Kreis-, Gemeinde- und Nebenstraßen unpassierbar. Lediglich die Autobahnen und Bundesstraßen wurden in Minutenabständen geräumt. Trotzdem kam es auch dort zu Behinderungen durch plötzlich auftretende Schneewehen.

In Neustadt, Heiligenhafen und auch an anderen Badeorten trat nach Angaben der Polizeidirektion Lübeck die Ostsee über die Ufer. Bei Dahmeshöved drohte ein Deich zu brechen, dort halfen zahlreiche Menschen und versuchten, das Schlimmste zu verhindern.

Auf der Insel Fehmarn ging fast nichts mehr, dort war nur die E 47 befahrbar, alle Ortschaften seien "mehr oder weniger sich selbst überlassen", erklärte die Polizei. Auch in Lübeck selbst kam es zu erheblichen Beeinträchtigungen. So stellte die Priwallfähre ihren Betrieb bis auf weiteres komplett ein, so dass der Stadtteil praktisch von der Außenwelt abgeschnitten war.

Auf dem Land- und Wasserwege nicht erreichbar

Kleine Ortschaften wie Blankensee, Vorrade oder Wulfsdorf und auch unzählige Dörfer in Ostholstein waren auf dem Land- und Wasserwege nicht erreichbar. Der Pegelstand der Trave stieg in der Lübecker Altstadt auf 6,50 Meter, das Wasser trat über die Ufer. Auch in Travemünde sei die Situation äußerst angespannt.

"Die Wellen der Ostsee peitschen gegen die steinerne Strandpromenade, reißen mit ungeheurer Wucht Ziegelsteine aus der Mauer, die dann unkontrolliert herumfliegen", teilte die Polizei mit. Allein in Ostholstein gingen in der Nacht 253 Notrufe bei der Polizei ein. Ständig drohten Baugerüste umzuwehen oder Bäume abzuknicken. Viele Menschen steckten mit ihren Fahrzeugen in meterhohen Schneewehen fest.

Deutsche Bahn entschuldigt sich

Die Deutsche Bahn entschuldigte sich dafür bei ihren Kunden. Ulrich Homburg, Vorstand Personenverkehr bei der Deutschen Bahn, der Bild am Sonntag: "Der Unmut vieler Fahrgäste lässt uns keineswegs kalt. Sie erwarten pünktliche Züge und guten Service - und das völlig zu Recht! Das ist auch der Anspruch, an dem wir uns messen. Deswegen möchte ich mich bei allen entschuldigen, die in den letzten Wochen aufgrund von Störungen und Verspätungen Beeinträchtigungen ihrer Reise hatten."

Mehr als hundert Züge sind in den letzten Wochen wegen Schnee und Kälte ausgefallen oder mussten umgeleitet werden. Gründe waren unter anderen vereiste Oberleitungen, eingefrorene Weichen, Störungen durch Schnee in ICE-Zügen.

In der Politik sorgen die winterlichen Technik-Probleme der Bahn für Kritik. Patrick Döring, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion sagte der Zeitung: "In Zukunft wäre es gut, wenn die Bahn bei ihren Anschaffungen weniger auf äußere Raffinesse und mehr auf die Praktikabilität und Zuverlässigkeit Wert legen würde."

Weltweites Winterchaos

Weltweit herrschte am Wochenende wegen des Winterwetters vielerorts Ausnahmezustand. Im südfranzösischen Lyon saßen am Samstagabend etwa 1000 Passagiere auf dem Flughafen fest. Gemeinsam mit der Feuerwehr würden nun vor Ort Betten für die Betroffenen aufgestellt, teilte der Flughafenbetreiber mit. Außerdem werde nach Unterbringungsmöglichkeiten in umliegenden Hotels gesucht.

Schnee in Florida

In den USA sorgte die Kältewelle für eine Seltenheit gesorgt: Schnee in Florida. In dem Bundesstaat, der sonst in den Wintermonaten wegen seines Badewetters beliebt bei Urlaubern und vor allem älteren Menschen ist, fielen am Samstag dicke Flocken. "Das ist äußerst ungewöhnlich", sagte ein Sprecher des Nationalen Wetterdienstes über den Schnee nördlich von Tampa am Golf von Mexiko. Dort lagen die Temperaturen um den Nullpunkt.

Die kältesten Werte wurden am Mittag (Ortszeit) in Bismarck im Bundesstaat North Dakota gemessen: Dort war es bei minus 30 Grad Celsius schneidend kalt. Das frostige Wetter mit Schnee und eisigen Windböen hält in vielen Landesteilen bereits seit Tagen an und hat zu mehreren Toten geführt. Einige Menschen erfroren, wie etwa im Bundesstaat Tennessee, in ihren ungeheizten vier Wänden. Selbst in Südstaaten wie Alabama sind Obdachlosenheime nach Angaben von Behördensprechern "zum Bersten voll".

Hunderte Obdachlose in China

Im Nordwesten Chinas sind hunderte Menschen durch die Schneestürme der vergangenen Tage obdachlos geworden. Wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, zerstörten die seit Freitag wütenden Schneestürme in der Provinz Xinjiang fast 800 Häuser. Knapp 5000 weitere wurden beschädigt. Dem Bericht zufolge kam ein Mensch ums Leben. Rund 5500 weitere mussten in Sicherheit gebracht werden.

Die Volksrepublik leidet derzeit unter einem ungewöhnlich frühen und kalten Winter. Seit dem Jahreswechsel hat der Schnee das Land im Griff. Aus Sorge vor Stromknappheit wegen der anhaltenden Kältewelle haben die Behörden in einigen Provinzen den Strom rationiert. Vielerorts kam es zu Verkehrschaos.

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