Schnee und Eis legen Deutschland lahm:Weihnachten auf dem Bahnhof

Blitzeis, Schneeverwehungen und Weichenstörungen bringen den Verkehr an den Feiertagen zeitweise zum Erliegen. Tausende Passagiere stranden irgendwo in Deutschland.

Titus Arnu

Manchmal hilft nur noch beten. Zum Beispiel an Heiligabend, in einem Zug der Deutschen Bahn. Draußen Schnee und Eis, drinnen eine Mischung aus stoischem Leiden, stiller Wut und leiser Hoffnung, doch noch rechtzeitig nach Hause zu kommen. Aber der Zug bewegt sich nicht, wegen einer der berüchtigten Oberleitungsstörungen. Die Oberleitungsstörung hätte vielleicht noch Chancen auf das Wort des Jahres gehabt, wenn die Gesellschaft für Deutsche Sprache nicht schon den "Wutbürger" ernannt hätte. Die inhaltliche Verbindung zwischen der Oberleitungsstörung und dem Wutbürger ist übrigens: die Bahn.

Wieder Starts und Landungen in Düsseldorf

Notbehelf am Düsseldorfer Flughafen - den Weihnachtsabend hatten die meisten Passagiere anders geplant.

(Foto: dpa)

Fast schon selig waren jene, die am Frankfurter Hauptbahnhof festsaßen. Denn dort hatte die Bahnhofsmission eine rührende Idee: An Heiligabend veranstalteten die Bahn-Seelsorger einen Ökumenischen Gottesdienst auf Bahnsteig 4. Ein Pfarrer schwenkte das Weihrauchfass, die Anzeigetafel über seinem Kopf wies Verspätungen für fast alle Züge aus, es waren bis zu 150 Minuten. Die verzweifelten bis ergriffenen Passanten stimmten dann gemeinsam Weihnachtslieder an, und der Pfarrer verglich in seiner Predigt die Protesthaltung der "braven Bürger und wahren Schwaben", also der Wutbürger, gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 ein bisschen mit der Auferstehung Jesu. Dann wurde gebetet.

Doch gegen Blitzeis konnten offenbar nicht einmal Stoßgebete etwas ausrichten, und so strandeten Tausende auf dem Weg zur Familie oder in den Weihnachtsurlaub auf Bahnsteigen, Autobahnen und Flughäfen. Bereits in der Nacht zum 24. Dezember blieben fünf ICEs zwischen Hannover und Berlin stehen. Hunderte Passagiere waren in den Zügen gefangen, es war zeitweise nicht klar, wann es weiter geht. Auslöser für die teils chaotischen Szenen: vereiste Oberleitungen.

Am Morgen des 24. Dezember war die Strecke komplett gesperrt, danach krochen die Schnellzüge meist nur im Schneckentempo weiter. Erst am Freitagmittag rollten auf der wichtigen Ost-West-Achse wieder Züge - wenn auch mit Verspätungen. Auch Bahnreisende auf der Strecke zwischen Hannover und Hamburg sowie im Münsterland mussten warten, weil umgestürzte Bäume den Verkehr blockierten. Die Insel Rügen war vom Zugverkehr abgeschnitten.

Schlechtes Wetter oder schlechtes Management?

Auch Autofahrer kamen auf dem Weg zur Familie oft nur mühsam voran. In Niedersachsen war auf vereisten Autobahnen stundenlang nur Schritttempo möglich. Blitzeis, Schneefall und Verwehungen blockierten auch Landstraßen an der Ostsee, in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Bayern. In einigen Städten wie Düsseldorf oder Braunschweig war der Nahverkehr gestört.

Am Frankfurter Flughafen, dem größten Airport Deutschlands, waren am Freitag nur etwa 900 Flüge geplant, statt der sonst üblichen 1400. Probleme gab es auch auf den Flughäfen von Hamburg und Berlin. Besonders hart erwischte es 200 Passagiere am Pariser Großflughafen Roissy, wo die Menschen die Nacht zum Samstag verbringen mussten, weil ihre Flüge ausgefallen waren. Auf dem Flughafen Düsseldorf verlief der Betrieb am zweiten Weihnachtstag wieder weitgehend normal. "Ich sag mal: ein ganz normaler Wintertag", erläuterte Flughafensprecher Christian Hinkel.

Während viele Reisende die Verkehrsprobleme als höhere Gewalt hinnehmen, werden auch Stimmen laut, die nicht das schlechte Wetter, sondern schlechtes Management bei der Bahn für das Schneechaos verantwortlich machen. Umgefallene Bäume oder kaputte Weichenheizungen könne man als Naturereignis ansehen, aber auch als Folgen verfehlten Sparens.

"Eine Bundesregierung, die seit Jahren nur Sparen von der Bahn fordert, darf sich nicht darüber wundern, wenn Züge und Strecken unter extremen Witterungsbedingungen ausfallen oder Fahrpläne nicht eingehalten werden", betonte Matthias Oomen, Sprecher des Verbraucherverbandes Pro Bahn. "Wenn sich heute Managementfehler der letzten Jahre und Jahrzehnte zeigen, dann ist das ein Ergebnis der Bundespolitik, die von den Managern der Bahn fordert, an der Substanz zu sparen."

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