Schleswig-Holstein:Kieler Klinik kämpft gegen den Keim

Keiminfektionen am UKSH in Kiel

Das Universitätskrankenhaus Schleswig-Holstein kämpft gegen multiresistente Erreger.

(Foto: dpa)
  • Die Zahl der Menschen, die im Kieler Uniklinikum aufgrund des multiresistenten Erregers verstorben sind, steigt auf elf.
  • 14 Patienten sind mit dem Keim infiziert und isoliert; von ihnen geht nach Klinikangaben keine Gefahr aus.
  • Das Bakterium ist gegen fast alle verfügbaren Antibiotika resistent. Für Gesunde ist es ungefährlich; Schwerkranken kann es jedoch das Leben kosten.
  • Womöglich wurde der Keim gleich zwei Mal ins Kieler Klinikum eingeschleppt.

Von Christina Berndt

Im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in Kiel sind mehr Menschen verstorben, die mit einem multiresistenten Keim infiziert waren, als bisher bekannt. Am Freitagabend hieß es noch, es habe fünf Tote gegeben, die das Bakterium Acinetobacter baumannii in sich trugen, gegen das fast alle verfügbaren Antibiotika wirkungslos sind und das das Klinikum seit dem 11. Dezember 2014 heimsucht. Am Wochenende war nun von elf Toten die Rede. Es handele sich dabei nicht um neue Todesfälle, betonte UKSH-Vorstand Jens Scholz. Es seien lediglich weitere Daten ausgewertet worden. Das Klinikum hatte bereits angekündigt, weitere Proben von Patienten auf den Keim zu testen. Alle elf Todesfälle haben sich dem UKSH zufolge zwischen dem 21. Dezember und dem 20. Januar ereignet.

Derzeit sind weitere 14 Patienten im Klinikum mit dem Keim infiziert, der für Gesunde ungefährlich ist. Schwerstkranken und immungeschwächten Menschen kann er allerdings den Todesstoß versetzen, indem er eine Lungenentzündung, Wund- oder Harnwegsinfektionen auslöst. Die 14 Patienten seien isoliert, sagte Scholz. Von ihnen gehe keine Gefahr aus. Die betroffenen Intensivstationen seien geschlossen worden. Insgesamt hat das UKSH nunmehr bei 27 Patienten zwischen 27 und 88 Jahren den gefährlichen Keim festgestellt: bei den elf Toten, den 14 isolierten und zwei weiteren Patienten, die inzwischen gesund entlassen werden konnten.

Angefangen hatte alles mit einem 74 Jahre alten Deutschen, der sich den Keim in der Türkei zugezogen hatte. Auch dieser Patient gehört zu den Verstorbenen. Neun der elf Toten seien ganz ohne Zweifel ihrer ursprünglichen Erkrankung erlegen, deretwegen sie im UKSH behandelt wurden, betonte Klinikumsvorstand Scholz. So sei der Keim bei manchen dieser Patienten nur auf der Haut und nicht etwa in einer Wunde nachgewiesen worden. Auf der Haut bereite er gemeinhin keine Probleme. Bei anderen Patienten sei der Zustand bereits vor der Infektion mit dem Keim "aussichtlos" gewesen. "Das geht eindeutig aus den Arztbriefen hervor", so Scholz zur SZ. "Wir haben alle Fälle in Gegenwart von Vertretern des Gesundheitsministeriums geprüft." Nur bei zwei Patienten, die im Alter von 87 und 70 Jahren verstarben, konnte der Keim nicht als Todesursache ausgeschlossen werden.

Womöglich wurde der Keim gleich zweimal eingeschleppt

Zunächst hatte es so ausgesehen, als ob das UKSH den Keim schnell in den Griff bekomme: Nachdem der Türkei-Rückkehrer drei Patienten angesteckt hatte, klang die Infektionskette ab. "Eine Zeit lang hat es auf der internistischen Intensivstation keine Neuerkrankungen mehr gegeben", so Scholz. "Wir dachten, wir sind über den Berg." Doch plötzlich trat in einem anderen Gebäudeteil ein zweiter Fall auf. Der betroffene Patient sei zuvor in Mallorca im Krankenhaus gewesen. Womöglich wurde der Keim also zweimal ins UKSH eingeschleppt. Das soll eine genetische Analyse der Erreger klären.

"Es ist schicksalhaft, dass es uns getroffen hat", sagt Jens Scholz. "Das lag nicht an den Bedingungen im UKSH." Keimfreie Krankenhäuser gebe es nun einmal nicht. Die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) bestätigt diese Einschätzung: In Kiel werde "das Erforderliche" getan, "um die Situation effektiv zu beherrschen", teilte DGHM-Präsident Mathias Herrmann in einer Stellungnahme mit. Derzeit bestehe kein Anlass, "Hygienemängel" in Kiel zu vermuten. Es sei nun einmal so, dass Ausbrüche von A. baumannii "auch bei optimaler Einhaltung von Hygienemaßnahmen oft nur schwer einzudämmen sind". Dass diese Maßnahmen am UKSH gut bekannt sind, davon ist in der Tat auszugehen: Die verantwortliche Hygiene-Ärztin des Klinikums, Bärbel Christiansen, leitet die Kommission für Krankenhaushygiene, die das Robert Koch-Institut bei der Herausgabe von Leitlinien für alle deutschen Kliniken berät.

Um Patienten besser vor gefährlichen Bakterien zu schützen, regte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, an, in Deutschland ein ähnliches System wie in den Niederlanden zu etablieren. Dort werden alle Patienten bei der Aufnahme ins Krankenhaus auf Keime untersucht - und nicht erst, wenn sie daran erkranken.

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