Schlammlawine auf Sizilien:Hausgemachte Katastrophe

Nach dem Tod von 50 Menschen bei einem Erdrutsch auf Sizilien wird klar: Schuld war nicht nur der Regen.

J. Müller-Meiningen

Die Rede ist von einer angekündigten Tragödie. Schon vor zwei Jahren, im Oktober 2007, ergossen sich nach heftigen Regenfällen Schlammmassen in die Gassen von Giampilieri, 15 Kilometer südlich von Messina auf Sizilien. Autos wurden verschüttet, Wohnungen verwüstet, Türen vom Schlamm versperrt. Nur gab es damals keine Opfer.

Nun, nach dem Erdrutsch vom Donnerstagnacht in Giampilieri und Scaletta Zanclea ist alles anders und doch gleich. 22 Tote wurden bis Sonntag gezählt, etwa hundert Verletzte und 400 Obdachlose. 40 Menschen wurden am Sonntag noch unter den Schlammmassen vermisst. "Es wird etwa 50 Tote geben", sagte Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi, der am Sonntag ins Katastrophengebiet reiste. Die Bergungsarbeiten mit mehr als 1000 Helfern gehen weiter.

Nach heftigen Gewittern am Donnerstagnachmittag hatten sich mehrere Schlammlawinen an der sizilianischen Steilküste gelöst und über die beiden Orte ergossen. Andere Gemeinden sind seither von der Außenwelt abgeschnitten. Dutzende Menschen erstickten unter den Schlammmassen, die Lawinen verschütteten auch Autos auf der Staatsstraße, die am Meeresufer entlangführt. Das italienische Fernsehen zeigte Bilder von zerstörten Häusern und Straßen, gefüllt mit meterhohem Schlamm. Die Staatsanwaltschaft Messina hat ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet.

Als Gründe für die verheerenden Folgen des Unglücks wurden vor allem die ohne Genehmigung errichteten Häuser genannt, die unterhalb des gefährlichen Steilhangs erbaut wurden. Zudem haben Bauern und Schäfer die stabilisierende Vegetation an der Steilküste abgefackelt. Unberechenbare und heftigste Regenfälle haben deshalb eine verheerende Wirkung.

"Es ist unsere Schuld", sagt Roberto, 35, Inhaber einer Bar in Scaletta nahe des Unglücksortes. "Die Brände haben die Wurzeln geschwächt, es gibt keine Bäume mehr. Jeder baut sein Haus, wo er will, erweitert, in die Breite und nach oben. Wir wussten es alle. Es war zu erwarten. Schon vor zwei Jahren ist es passiert. Die Toten haben wir selbst auf dem Gewissen."

In der Vergangenheit gab es auf Sizilien immer wieder Unglücke durch Erdrutsche. Anscheinend haben auch die Ortsverwaltungen trotz entsprechender finanzieller Ausstattung und Warnungen nicht rechtzeitig einer neuen Katastrophe vorgebaut. Die Gemeinde Giampilieri hatte nach dem Erdrutsch vor zwei Jahren elf Millionen Euro Hilfsgelder vom Staat bekommen.

Erst vor wenigen Tagen wurde die erste, offensichtlich ungenügende Stabilisierungsarbeit am Hang abgeschlossen. "Die Region hatte Geld, das nicht eingesetzt wurde und für die Sicherungsarbeiten ausgegeben wurde", sagte Umweltministerin Stefania Prestigiacomo.

Guido Bertolaso, Chef des italienischen Zivilschutzes, machte den in Italien weitverbreiteten Baumissbrauch für das Unglück verantwortlich. "Das Wasser bahnt sich seinen Weg, und wenn die Häuser dort stehen, wo sie nicht stehen dürfen, dann passiert so etwas", sagte er. 25 Milliarden Euro seien notwendig, um die von Naturkatastrophen bedrohten Gebiete in Italien zu sichern.

Tausende Gemeinden bedroht

Nach einer Untersuchung des Umweltverbandes Legambiente und des Zivilschutzes sind in Nord- und Süditalien insgesamt 5.581 Gemeinden von Naturkatastrophen bedroht. Dabei handelt es sich um mögliche Erdrutsche wie jetzt bei Messina, Überschwemmungen oder die Kombination aus beiden. In knapp 80 Prozent aller italienischen Gemeinden seien Häuser in gefährdeten Zonen errichtet worden.

"Wir müssen aufhören, unsinnige Projekte wie die Brücke von Messina zu planen und das Geld für die Sicherheit der Gemeinden investieren", sagte Vittorio Cogliati Dazza, Präsident von Legambiente. Die Arbeiten für das sechs Milliarden Euro teure und sehr umstrittene Hängebrückenprojekt sollen in Kürze starten.

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