Schatzsuche:Großangriff auf das Unterwassergold

Mit moderner Sensortechnik wollen Schatzsucher alle Wracks der Weltmeere aufspüren.

Von Christian Heynen

"Denn wer den Schatz, das Schönste heben will, bedarf der höchsten Kunst: Magie der Weisen!", spricht Mephisto in Goethes "Faust II". Eine Feststellung, die auch für die Schatzsucher des 21. Jahrhunderts gilt. Ihre "Magie der Weisen" besteht aus einem Arsenal modernster Technologien, angefangen vom satellitengestützten Navigationssystem GPS bis hin zu empfindlichen Sensoren, die winzige Schwankungen des Erdmagnetfelds kartieren.

Drei Millionen untergegangene Schiffe

Seit den 90er-Jahren erlebt die professionelle Schatzsuche eine bemerkenswerte Renaissance. Mit dem Kapital privater Investoren suchen weltweit knapp ein Dutzend größerer Unternehmen nach den Überresten gesunkener spanischer Galeonen, ostindischer Kauffahrer und asiatischer Dschunken. Mehr als drei Millionen Schiffe sind nach Schätzungen im Lauf der Zeit Stürmen, Untiefen, Piraten oder Navigationsfehlern zum Opfer gefallen. 3000 von ihnen bergen womöglich Reichtümer im Millionenwert.

In diesen Tagen ist ein zwölfköpfiges Team eines der weltweit erfolgreichsten Bergungsunternehmen auf einer dreimonatigen Expedition vor Mosambik. Dort hat die portugiesische Firma Arqueonautas eine Suchlizenz für 700 Kilometer Küstenlinie erworben, ein mit Riffen gesäumter maritimer Verkehrsknotenpunkt der Entdeckerzeit. Hier werden hunderte gesunkener Schiffe vermutet.

Das wichtigste Suchinstrument des Expeditionsschiffs Zanji sieht aus wie ein Torpedo, der im Schlepptau hinter dem Schiff hergezogen wird. Darin verbirgt sich ein Magnetometer, der minimale Abweichungen des natürlichen Erdmagnetfeldes aufspürt - hervorgerufen durch metallische Gegenstände am Meeresgrund.

Zwar variieren die angezeigten Werte auch mit der lokalen Meerestiefe, aber dieser Störfaktor lässt sich ausschalten, indem man zwei Suchgeräte in verschiedenen Tiefen parallel messen lässt: Die Differenz der beiden Datensätze zeigt den Ort des Metalls.

Ende 2003 hatte Arqueonautas während einer ersten Suchaktion in Mosambik ein Wrack pro Woche entdeckt, das aufgrund des kulturhistorischen und kommerziellen Potentials die Bergung lohnt. Darunter war auch ein "Jackpot": ein Schiff, dessen Ladung wohl mehr als zehn Millionen Dollar wert ist.

Hinter der Bezeichnung MOG-002 verbirgt sich wahrscheinlich die Almiranta São José, das aus dem 17. Jahrhundert stammende Flaggschiff einer großen portugiesischen Flotte. "Bei so einem Fund freuen sich namhafte Wissenschaftler jahrelang wie kleine Kinder", sagt Stefan Schins, Leiter der deutschen Arqueonautas-Dependance, der beim Fund selbst an Bord war.

Mit Ultraschall auf Suche

Neben dem Magnetometer nutzen Schatzsucher auch das Side Scan-Verfahren, bei dem der Meeresboden mit Ultraschallwellen nach Anomalien abgesucht wird. Möglichst nahe über dem Grund wird bei einer Geschwindigkeit von zehn bis zwölf Knoten ein hoch empfindliches Sonar durchs Wasser gezogen. Der Computer errechnet aus der reflektierten Abstrahlung die plastische dreidimensionale Bodenstruktur. Mit dieser Methode ist es möglich, eine Kaffeetasse in hundert Metern Tiefe zu erfassen.

Außerdem gibt es so genannte Sub Bottom Profiler, sie basieren auf dem gleichen Prinzip, dringen aber mit ihren akustischen Wellen bis zu 80 Meter tief in den Untergrund ein. Je nach Material, auf das der Schall trifft, kommt das Echo früher oder später im Gerät an. Härtere Substanzen wie Gold und Bronze werden zum Beispiel langsamer durchdrungen als loses Sediment oder Schlamm.

Bevor die Schatzsucher jedoch solche Technik einsetzen, müssen lohnende Zielgebiete mit historischen Recherchen ausgemacht werden. Außerdem stehen meist langwierige Verhandlungen an, bevor das Suchschiff ausläuft: Erben des Wrackeigners und des Eigentümers der Fracht - falls sie ausfindig zu machen sind-, der Staat, vor dessen Küste gesucht wird, und die Schatzsucher müssen sich über die Verteilung der Funde einigen.

In der Regel treten seriöse Unternehmen, die in jeder Phase des Projekts Archäologen und Historiker um Rat fragen, alle Unikate sowie bis zur Hälfte des Nettogewinns an staatliche Stellen ab.

Kuba wird gemieden

Fidel Castro beispielsweise beansprucht jedoch nicht weniger als 100 Prozent der in kubanischen Gewässern gefundenen Güter. Kein Wunder, dass kommerzielle Schatzsucher die an sich lukrativen Gewässer um die Karibikinsel meiden.

Sobald ein lohnendes Wrack identifiziert ist, muss es mit Tauchern oder Robotern überprüft werden.

Das lässt so manchen Schatzsuchertraum platzen. So musste die Schweizer Firma Sea Explorer mehr als 80 Wracks mit Unterseerobotern durchsuchen, bevor die ersehnte Prins Frederik in 170 Meter Tiefe gefunden wurde. Der holländische Übersee-Liner war 1890 mit 400.000 Reichstalern an Bord in der Biskaya gesunken.

Bei der eigentlichen Bergung setzt die Wassertiefe den Schatzsuchern heute kaum noch Grenzen. Bis zu 60 Meter tief kommen Taucher zum Einsatz. Sie können dank kleiner, am Boden befestigter Druckkammern ("Taucherinseln") zehn Stunden oder mehr unter Wasser arbeiten.

Bei größerer Tiefe werden Tauchroboter benutzt. Ausgestattet mit Vakuumsaugern, Filmkameras, Greifarmen und Silikonwerkzeugen arbeiten diese Drohnen in Tiefen von bis zu mehreren Tausend Metern. Damit dabei das Mutterschiffs auf offener See nicht wegtreibt, ist ein so genanntes Dynamic Positioning System notwendig. Per Satellit lässt sich die Oberflächenposition des Schiffs bestimmen, rund um das Schiff angebrachte Motoren halten es dann auf drei Meter genau am Platz.

"In den nächsten zwanzig bis dreißig Jahren werden die meisten interessanten Schiffe gefunden", sagt Stefan Schins von Arqueonautas. Allein die immer feineren Sonargeräte und Magnetometer erhöhen die Präzision der Suche. Und schon blickt die Branche zum Himmel. Man hofft, mit Flugzeugen und Satelliten schon bald größere Flächen systematisch absuchen zu können. Die Magie der Weisen kennt kaum technische Grenzen.

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