Russland:Väterchen Frust

Väterchen Frost

Ein freundlicher Geselle, oder doch zum Fürchten? Väterchen Frost, den es in Russland in mehreren Varianten gibt, ist derzeit wieder auf Tour, um Wünsche zu erfüllen. Zur Freude der Menschen. Eigentlich.

(Foto: Tass Fomichev Mikhail/pa/dpa)

Ded Moros, das russische Pendant zum Weihnachtsmann, steht in der Kritik, einige Kindergärten verzichten lieber auf ihn. Es sind eben komplizierte Zeiten für weihnachtliche Traditionsfiguren.

Von Frank Nienhuysen

Außer dem Präsidenten im Kreml gibt es offenbar nur noch einen im Land, dem die Russen eine ähnliche Machtfülle zutrauen: Ded Moros, Väterchen Frost. Der weißbärtige Mann hat gerade aus dem Meer der Wünsche ein paar besonders typische Beispiele herausgefischt und der Öffentlichkeit präsentiert. So bitten ihn junge Frauen innig, er möge ihnen eigenständige und ja keine verklemmten Männer schicken. Begehrt ist auch der Wunsch, dass Väterchen Frost die Hypothek auf ein Häuschen tilgt; oder wenigstens den Prozentsatz senkt. Kinder wiederum ändern ihre Bitte gern kurzfristig, wenn das bei ihm bestellte Geschenk bereits die Mama im Einkaufszentrum besorgt hat. Ob er stattdessen einfach Geld schicken könne?

Enttäuschungen bleiben da nicht aus, trotzdem ist Väterchen Frost wie jedes Jahr im Dezember auf große Tour gegangen. 29 russische Städte hat er sich vorgenommen, unterstützt von seiner anmutigen Enkelin Snegurotschka, dem Schneemädchen. Mehr als drei Millionen Briefe bekommt er jedes Jahr, klassisch handgeschrieben oder etwas unromantischer als elektronische Post verschickt. Ded Moros, die russische Variante des Weihnachtsmannes, tut wie immer sein Bestes, zeigt sich fröhlich, volksnah und charmant, in Moskau gab er sogar eine Pressekonferenz. Und doch sind die Mittel des Zauberers mit dem Stab begrenzt. Er kann ja nicht überall sein im größten Flächenstaat der Welt. Das aber ist mitunter ein Problem.

Der Bart, die tiefe Stimme: Kinder könnten Angst bekommen, warnen Psychologen

Väterchen Frost ist dieser Tage eigentlich ausgerückt aus seinem (real existierenden) verschneiten Domizil in Welikij Ustjug, um Glanz über das Land zu versprühen. Der wird allerdings hier und dort deutlich getrübt.

Aus mehreren Regionen Russlands wurde von Imageverlusten der sagenhaften Figur berichtet. Im sibirischen Jakutsk und im fernöstlichen Chabarowsk etwa würden zu den traditionellen Neujahrsveranstaltungen der Kindergärten "kategorisch keine professionellen Schauspieler" mehr für die bedeutsame Rolle eingeladen, schrieb die Rossijskaja Gasjeta. Ähnliche Beispiele werden aus den europäischen Wolgastädten Samara und Kasan gemeldet, aus Rostow und Kirow. Über die sibirische Millionenstadt Nowosibirsk schrieb die angesehene Zeitung RBC sogar, dass die Behörden den Leitern der Kindergärten verboten hätten, Ded Moros einzuladen. Das Verbot dementierte die Stadt zwar, sie gab aber zu, dass es entsprechende Empfehlungen von Psychologen gebe. Die kleinen Kinder könnten vom tiefen Bass des Väterchens geängstigt werden. Die bezaubernde Snegurotschka allein täte es doch auch.

Doch die einschüchternde Erscheinung des großen Mannes ist nur eine Facette der Kritik. Sogar das Wort Korruption ist in der Debatte schon gefallen: Eltern zeigen sich misstrauisch ob der Veranstaltungen mit professionellen Schauspielern, für die die Kindergärten oder Schulen eigens Geld einsammeln, immerhin ein paar Euro pro Kind. Viele halten den Auftritt des Gespanns samt Kosten nur für einen Vorwand, um in Zeiten der Wirtschaftskrise Rubel einzutreiben. Und verzichten deshalb lieber. Oder springen selber ein.

Die Zeiten sind komplizierter geworden für weihnachtliche Traditionsfiguren aller Art. In Deutschland und Österreich gibt es erregte Diskussionen über die Teufelsgestalt des Krampus, regelrechte Krampus-Krawalle hat es schon gegeben. Und in den Niederlanden ist der Zwarte Piet, dunkelhäutiger Handlanger des Heiligen Nikolaus, sogar schon ins Zentrum einer Rassismusdebatte geraten - im Vergleich dazu sitzt Väterchen Frost fest im Sattel.

Die meisten Kinder freuen sich ja doch auf seine Geschenke, glauben an ihre Träume und den Mann mit dem prachtvollen Mantel, der aus der russischen Märchenwelt stammt und von den Kommunisten als Ersatz für das verdrängte Weihnachtsfest etabliert wurde. Nur: Ded Moros setzen jetzt auch noch wirtschaftliche Krisen zu. Auftrittsbeschränkungen sind dabei nur ein Merkmal. Es geht auch um seinen Palast - seit Ende der Neunzigerjahre residiert Väterchen Frost im beschaulichen Welikij Ustjug, einem völlig willkürlich festgelegten historischen Ort fast tausend Kilometer nordöstlich von Moskau entfernt und genauso alt wie die russische Hauptstadt. Zum Sitz des Väterchens in der Kleinstadt gehören auch ein Zoo und ein Kulturzentrum, aber weil der Touristenstrom nach Welikij Ustjug über die Jahre derart angeschwollen ist, gibt es Pläne, für fünf Millionen Euro einen neuen Palast zu bauen. Im nächsten Jahr sollte mit dem Bau eigentlich begonnen werden, finanziert aus dem russischen Staatshaushalt. Die Regierung aber hat das Budget deutlich gekürzt und so muss Väterchen Frost nun um die neue Stätte fürchten, die unter europäischen Kollegen ihresgleichen suchen würde.

Väterchen Frost ist der Herr über die Wünsche, nur nicht über seine eigenen.

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