Russland:Molkerei vertreibt Teufel aus dem Strichcode

Der Strichcode wird 30

Mit Rot gegen den Strichcode (hier allerdings nur der Erfassungsstrahl der Scanners)

(Foto: dpa)

Verschwörungstheoretiker machen vor nichts Halt, auch nicht vor dem Barcode auf Verpackungen. Eine russische Molkerei will in den Strichen den Leibhaftigen ausgemacht haben und bekämpft ihn konsequent.

Von Julian Hans, Moskau

Zu dem Wenigen, was man über den Satan weiß, gehört, dass er sich gern verkleidet. Im Mittelalter mag er als Schlange oder Ziegenbock noch gut durchgekommen sein. In der Klassik als Pudel, doch in der modernen, digitalen Welt, die alles kriechende und müffelnde Getier aus ihrem Lebensraum verbannt hat, wird es kompliziert. Dem Satan wird einige Verwandlungsfähigkeit abverlangt. Damit wird die Abwehr des Bösen allerdings auch nicht leichter.

Die russische Molkerei Russkoje Moloko hat nun bekanntgegeben, dass sie schon seit Jahren einen entschlossenen Kampf gegen den Leibhaftigen führt. Kunden hätten immer wieder gefragt, warum der Strichcode auf den Verpackungen von Milch, Kefir und Butter der Marke mit einem roten Kreuz durchgestrichen sei, heißt es in einer Erklärung auf der Internetseite des Unternehmens. Es sei lange bekannt, dass in jedem Strichcode unsichtbar die Zahl 666 verborgen sei, nämlich in den drei längeren Doppelstrichen am Anfang, am Ende und in der Mitte des Barcodes. Von der 666 aber heißt es in der Offenbarung des Johannes, sie sei die "Zahl des Tieres".

Als der Strichcode erfunden wurde, sei die Zahl des Antichristen mit Absicht verwendet worden, "zumindest aus schwarzem Humor, wahrscheinlich aber aus Feindschaft gegen Gott", so Russkoje Moloko. Die Firma kann nicht ganz auf den Code verzichten, sonst könnten die Supermärkte die Produkte nicht mehr abrechnen und würden sie aus dem Sortiment nehmen. Also behilft man sich damit, sie durch ein rotes Kreuz zu "neutralisieren". Für Scannerkassen bleiben sie damit lesbar. Aber der Satan muss draußen bleiben, so die Idee.

Der Teufel am Frühstückstisch

Geschichten um den Teufel hinter dem Strichcode verbreiten sich bereits seit einigen Jahren unter Esoterikern und Anhängern von Verschwörungstheorien. Allerdings herrscht keine Einigkeit unter den Mahnern: Manche sind der Auffassung, der Strichcode sende schädliche Strahlen aus. Andere, wie die russischen Molkereibesitzer, sehen in dem Linienmuster einen Weg, auf dem sich Satan in die Kühlschränke und auf die Frühstückstische der Menschen schleicht, die ihn dann ahnungslos mit einem erfrischenden Glas Kefir in sich aufnehmen.

Beide Gruppen lassen sich nicht von Fakten beirren; dass auf Papier gedruckte Striche keine Strahlen aussenden können und dass es sich um einen Binärcode handelt - der also nur 1 und 0 enthält - konnte die Bedenken bislang nicht bei jedermann zerstreuen. Vor einem Jahr hatte die österreichische Bio-Marke Sonnentor eine ähnliche Praxis wieder aufgegeben; besorgte Kunden müssen nun selbst durchstreichen.

Das empfiehlt übrigens auch Russkoje Moloko für alle Produkte anderer Hersteller. Wassilij Bojko-Welikij, der 45-jährige Präsident der Firma, ist für seine fundamentalistischen Ansichten bekannt. So verordnete er im Jahr 2010 all seinen Mitarbeitern einen Kurs "Grundlagen der Orthodoxen Kultur". Auch mit dem Teufel hat er nicht zum ersten Mal zu tun: Als 2007 gegen ihn ermittelt wurde, weil er sich Land durch Betrug angeeignet haben soll, erkannte Bojko-Welikij dahinter "den Feind des Menschengeschlechts und seine Diener in satanischen Sekten"

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