Russische Sekte im Erdloch:Sintflut statt Weltuntergang

Mitglieder einer russischen Sekte haben fünf Monate in einem Erdloch gelebt - und auf den Weltuntergang gewartet. Nun zwangen sie Erdrutsche und Regenfälle wieder ans Tageslicht.

Mehrere Mitglieder einer russischen Sekte, die seit fünf Monaten in einer Höhle auf den Weltuntergang warteten, haben ihr Erdloch verlassen. Wie ein Sprecher der Regionalbehörden von Pensa, rund 500 Kilometer südöstlich von Moskau, der Nachrichtenagentur AFP mitteilte, verließen 14 radikal-orthodoxe Gläubige wegen starker Regenfälle und Erdrutsche ihre Höhle, 14 weitere seien noch in der Tiefe.

Russische Sekte im Erdloch: Einige Sektenmitglieder haben die Höhlen verlassen, in denen sie monatelang auf den Weltuntergang warteten.

Einige Sektenmitglieder haben die Höhlen verlassen, in denen sie monatelang auf den Weltuntergang warteten.

(Foto: Foto: AFP)

"Zwei Höhlen stürzten ein, deshalb mussten sie früher gehen", sagte Sprecher Anton Scharonow. Die Sektenmitglieder rechnen aufgrund von Himmelskörperbeobachtungen mit einem Weltuntergang im Mai. In der Gruppe befinden sich auch kleine Kinder.

Unter den 14 Aussteigern waren Scharonow zufolge zwei Kinder, zwei weitere seien noch unten. Das russische Fernsehen zeigte Bilder von Frauen mit Kopftüchern, die sich mit unsicheren Schritten in der Nähe der Höhlen fortbewegten. Scharonow sagte, die 14 nach oben gekommenen Sektenmitglieder hätten sich ausbedungen, in einem Haus des nahegelegenen Dorfes Nikolskoje weiter der Apokalypse harren zu dürfen.

Teile der Höhle seien wegen Überschwemmungen eingestürzt, sagte Pensas Vizegouverneur Oleg Melnitschenko der Nachrichtenagentur Interfax. Die verbleibenden Sektierer befänden sich aber in einem geschützten Teil des Unterschlupfs. "Ihnen droht keine Katastrophe, da der Teil, wo sie sich aufhalten, von Baumwurzeln gestützt wird", sagte Melnitschenko.

Um die Insassen der verschütteten Höhle zur Aufgabe zu bewegen, hatten die Behörden am Montag einen orthodoxen Priester herbeigerufen, der sich auf apokalyptische Literatur spezialisiert hat. Im Dezember hatten die Sektenmitglieder gedroht, sie würden sich mit Gaskanistern in die Luft jagen, sollten sie mit Gewalt aus den Höhlen geholt werden.

Auch der Sektenführer Pjotr Kusnezow verhandelte schon mit seinen Glaubensgenossen. Kusnezow war im Rahmen der Verhandlungen aus einer psychiatrischen Anstalt entlassen worden und lebt seither im Dorf. Sekten und der Glaube an Hellseher sind seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 in Russland im Aufwind.

Nach Jahrzehnten straffer ideologischer Führung führten die politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen zu großer Unsicherheit in der Bevölkerung. Auch Behördensprecher Scharonow wollte übernatürliches Wirken bei der Aufgabe der 14 Sektenmitglieder offenbar nicht ausschließen: "Wir wurden durch ein Wunder gerettet", sagte der Beamte.

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