Rote Funken in Köln:Karnevalisten laden Homosexuellen-Gegner aus

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Moskaus ehemaliger Oberbürgermeister Juri Luschkow auf einem Archivbild aus dem Jahr 2007. (Foto: dpa)

Was bedeutet Toleranz im Kölner Karneval? Das Traditionscorps Rote Funken hatte den ehemaligen Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow und dessen schwerreiche Frau als Ehrengäste auf Wunsch von zwei ehemaligen Kölner Bürgermeistern zum Umzug eingeladen. Doch Luschkow hat in seiner Amtszeit gegen Schwule und Lesben gekämpft. Nun kam die Ausladung.

Dass Juri Luschkow und Jelena Baturina es gerne krachen lassen, ist bekannt. Der 77-Jährige frühere Bürgermeister von Moskau und seine milliardenschwere Ehefrau haben in ihrem Leben kaum eine Party ausgelassen. Da liegt es eigentlich nahe, die beiden Russen zu einem der größten und bekanntesten Feste der Welt einzuladen: dem Kölner Karneval.

Das dachte sich offenbar auch das älteste Traditionscorps der Domstadt. Und so flatterte dem Paar von den "Roten Funken" eine Einladung nach Köln ins Haus. Wie schon Heidi Klum, Alice Schwarzer, Jürgen Rüttgers oder Stefan Raab in den Jahren davor. Während seine Frau auf der Ehrentribüne Platz nehmen soll, wurde Luschkow sogar zur Mitfahrt in der Postkutsche der Funken eingeladen. Seine Aufgaben: Winken, Kamelle schmeißen, fröhlich sein.

Doch die Personalie ist nicht unproblematisch: Luschkow gilt als Putin-Vertrauter - und bekennender Homosexuellen-Gegner. 18 Jahre lang von 1992 bis 2010 regierte er die russische Hauptstadt mit harter Hand. Seine Kritiker warfen ihm einen sowjetisch-autoritären Führungsstil vor. Die Opposition kritisierte immer wieder die Unterdrückung Andersdenkender sowie Polizeigewalt gegen Demonstranten. Kundgebungsverbote waren unter Luschkow an der Tagesordnung. Regelmäßig verweigerte er Genehmigungen für Schwulen- und Lesben-Paraden. Und ging sogar noch weiter: Homosexualität sei eine "verrückte Zügellosigkeit", sagte er.

Solche Äußerungen taten seiner Karriere in Russland zwar keinen Abbruch. Auch nicht, dass er während schwerer Waldbrände um Moskau Urlaub im familieneigenen Luxushotel in Österreich machte. Nein, nach fast 20 Jahren Amtszeit wurde Luschkow dem Kreml zu mächtig und stolperte letztendlich über Vetternwirtschaft und Korruption, sodass der damalige Präsident Dmitrij Medwedjew ihn nach einer wochenlangen Medien-Kampagne absetzte. Als Grund wurde unter anderem angeführt, dass Luschkows Frau ihr Geld als Bau-Unternehmerin verdient - und Moskau ausgerechnet in der Amtszeit Luschkows eine Art Bauboom erlebte. Hunderte historische Bauwerke wurden abgerissen und durch neue ersetzt. Großaufträge gingen besonders häufig an die Ehefrau des Bürgermeisters. Laut Forbes-Liste gilt die Fünfzigjährige als reichste Frau Russlands.

Es drängt sich also die Frage auf, ob dieser Mann, der seine Rente mit dem Züchten von Edelschafen aus Tirol verbringt, der richtige Ehrengast für eines der buntesten, fröhlichsten und tolerantesten Volksfeste der Welt ist.

"In Köln hat ein Herr Luschkow nichts zu suchen, Minderheitenfeindlichkeit hat hier keinen Platz", sagte der Grünen-Abgeordnete Volker Beck. Auf Twitter schrieb er: "Jeck und bescheuert ist ein Unterschied." 2006 wurde Beck bei einer Demo unter den Augen der Moskauer Polizei von Rechtsradikalen verprügelt, im Jahr darauf mit Eiern beworfen und von der Miliz abgeführt. Es wäre ein Leichtes für Luschkow gewesen, die Gewalt gegen Beck und seine Festnahme zu verhindern, fand sie doch direkt vor seinem Amtssitz statt. Dort wollte Beck eine Petition von mehr als 40 EU-Abgeordneten gegen Luschkows Verbot einer Homosexuellen-Parade überbringen. Doch Luschkow tat: nichts - und bezeichnete die geplante Parade als "satanistische Handlung".

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Dem Kölner Express sagte Beck daher: "In Köln ist jeder willkommen, der für Toleranz steht. Herr Luschkow steht für Repression und Unterdrückung." Beck forderte die Roten Funken auf, Luschkow "unverzüglich" auszuladen.

Unterstützung für Beck kommt vom Chef der FDP im Europäischen Parlament, Alexander Graf Lambsdorff: "Köln ist die Stadt der Toleranz, Karneval das Fest der Toleranz, Herr Luschkow ein Bürgermeister der Intoleranz."

Wenige Stunden nach Bekanntwerden der Einladung, meldete sich der Präsident der Roten Funken zu Wort. So heißt es auf der Webseite unter News: "Rote Funken dulden keine Schwulenhasser im Zoch". Die Einladung sei auf Wunsch von zwei ehemaligen Bürgermeistern erfolgt, die Kontakte nach Russland pflegten. Leider sei dabei versäumt worden, die Personalie Lutzow näher zu überprüfen, bedauern die Karnevalisten. "Nachdem bekannt wurde, wer eingeladen werden sollte, wurde in Abstimmung mit dem ehemaligen Oberbürgermeister Schramma sofort klargestellt, dass eine Teilnahme von Herrn Luzhkow auf dem Wagen der Roten Funken nicht in Betracht kommt", heißt es von den Roten Funken abschließend.

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