Rocksänger Johnny Hallyday:"Ich brauch Dich in meinem Laster"

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Weil Johnny Hallyday im Krankenhaus liegt, spricht sich ganz Frankreich Mut zu. Selbst der Präsident äußert sich zum Zustand des "französischen Elvis".

Stefan Ulrich

Vom Fernfahrer bis zum Staatschef bangen alle um sein Leben. "Werde gesund! Ich brauch Dich in meinem Laster", schreibt ein Fan namens Clément auf einer der Internet-Seiten, die für den Kranken eingerichtet wurden. "Es ist ergreifend, zu sehen, wie er gegen sein widriges Schicksal kämpft", verkündet Präsident Nicolas Sarkozy.

Der Rockmusiker Johnny Hallyday wird derzeit in Los Angeles behandelt. (Foto: Foto: AFP)

Die Rede ist von Jean-Philippe Smet, besser bekannt als Johnny Hallyday, jenem Mann, der nur in Frankreich ein Weltstar ist, dort aber umso mehr. Die schwere Krankheit des Rockmusikers bewege die Franzosen tief, weil sie ihn liebten, erklärt der Präsident. "Für jeden von uns repräsentiert er einen Teil der eigenen Geschichte, Erinnerungen, Gefühle, Lieder, Musik."

Live-Schaltungen zur Klinik

Nun liegt Hallyday weit weg von Frankreich, in einem Krankenhaus von Los Angeles. Da die Klinik keine Erklärungen zu seinem Gesundheitszustand herausgibt, sind die Franzosen auf die Bulletins der Verwandten, Manager und Freunde des Kranken angewiesen.

Fast jede Nachrichtensendung im Fernsehen bringt ausführliche Live-Schaltungen zur Klinik. Und auch die Radiosender und Zeitungen übertreffen sich mit Neuigkeiten zum Krankenstand: Er ist aus dem künstlichen Koma erwacht. Er liegt wieder im Koma. Er wird bald aufwachen. "Ich habe ihn gesehen", verrät eine Verwandte. "Natürlich hängt er an Fusionen. Aber er hat einen prächtigen Teint." Wüsste man nicht, dass Hallyday Musiker ist, man könnte meinen, er sei der letzte KpdSU-Chef oder ein kranker Papst.

Schon im Sommer hatte es beunruhigende Nachrichten um "Johnny national" gegeben, wie die Franzosen ihr Idol auch nennen. Damals wurde dem 66-Jährigen eine Geschwulst entfernt. Ende November wurde er erneut in Paris operiert, nunmehr wegen eines Bandscheibenvorfalls, wie es hieß.

Schon kurz nach dieser OP schien Hallyday wieder oben auf zu sein. Er reiste in sein geliebtes Los Angeles. Doch auf dem Flug ging es ihm schlecht. In den USA angekommen, musste er sich in einen Rollstuhl setzen. Kurz darauf wurde er in das Cedars-Sinai-Krankenhaus von Los Angeles gebracht, erneut operiert und ins Koma versetzt.

"Ein Massaker"

Offenbar hatte sich der "französische Elvis" in Paris eine gefährliche postoperative Infektion eingefangen. Doch auch von einer Gefährdung des Rückenmarkes wurde geredet.

Die amerikanischen Ärzte seien empört über die Arbeit des französischen Chirurgen, verkündete Hallidays Produzent Jean-Claude Camus. "Sie haben gesagt, dass das ein Massaker war." Zudem habe der Pariser Arzt die Reise nach Amerika erlaubt, was offensichtlich verfrüht gewesen sei.

Dem Chirurgen ist das alles schlecht bekommen. Am Wochenende wurde er von vermummten Männern überfallen und geschlagen. Sein Anwalt klagte, gegen den Arzt sei eine "Menschenjagd" im Gang. Aus Los Angeles kamen am Montag dagegen ermutigende Nachrichten. Johnny sei außer Lebensgefahr, hieß es aus dem Kreis der Getreuen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum sich Frankreich ein Leben ohne Hallyday nicht vorstellen kann.

Neben seinem Sohn, einer Tochter, seiner derzeitigen Ehefrau und einer Ex-Frau haben sich etliche französische Film- und Musikstars an seinem Krankenbett versammelt. Die Lage sei "ziemlich beruhigend", meinte Patrick Bruel und forderte die Fans auf: "Wir dürfen nicht alarmistisch sein."

Das ist leichter gesagt als getan. Viele Franzosen aller Schichten und Altersklassen können sich ein Leben ohne Johnny Halliday nicht vorstellen. Seit einem halben Jahrhundert steht der Sohn einer Französin und eines Belgiers auf der Bühne, und in all der Zeit ist er nie aus der Mode gekommen.

Gewitzt nahm der Dauerrocker viele Musikströmungen auf, ob Blues, Pop oder Techno. Auch von Chansonniers wie Georges Brassens und Edith Piaf ließ er sich inspirieren. "Chamäleon des Popmusikgeschäfts" wird er genannt. Privat soll er gerne mal Carmina Burana hören.

Viel Herz und harte Arbeit

Die Skandale und Affären, die so ein Rockmusikerleben begleiten, die zertrümmerten Gitarren, gescheiterten Ehen, die Drogen, der Alkohol, die Steuerflucht in die Schweiz und selbst die Wahlempfehlungen für Sarkozy haben seiner Popularität nicht geschadet.

Viele Franzosen identifizieren sich mit diesem Mann, der in schwierige Verhältnisse hineingeboren wurde und es mit viel Herz und harter Arbeit ganz nach oben schaffte; der den Rock ins Französische übersetzte; und der scheinbar niemals müde wurde.

"Hello Johnny" hieß sein erstes Studio-Album aus dem fernen Jahr 1960. "Ça ne finira jamais" erschien im vergangenen Jahr. Wenn es nach seinen Fans geht, soll es damit nicht enden.

Allerdings ist Johnny seit Monaten auf seiner Abschiedstournee namens "Tour 66". Anfang Januar soll die Konzert-Serie eigentlich weitergehen. Was nun daraus wird, möchte sein Produzent Camus am Mittwoch bekanntgeben. Viele Anhänger wünschen Johnny Hallyday, er solle sich erst mal auskurieren. Einer der Fans tröstet Frankreich: "Er ist eine Legende - und kann nicht sterben."

© SZ vom 15.12.2009/jobr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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