Robben Island:Lebenslänglich Liebe

Robben Island: Braut vor Gefängnisbaracken: Auf Robben Island, wo Insassen misshandelt und getötet wurden, kann man heute heiraten.

Braut vor Gefängnisbaracken: Auf Robben Island, wo Insassen misshandelt und getötet wurden, kann man heute heiraten.

(Foto: Jennifer Bruce/AFP)

Südafrika lädt Verliebte zu Massenhochzeiten auf der ehemaligen Gefängnisinsel Robben Island ein. Heiraten, wo andere grausam zu Tode kamen? Besuch an einem zwiegespaltenen Ort.

Von Martin Zips

Batini, der junge afrikanische Fremdenführer im blauen FC-Chelsea-Trikot, sieht die Sache ganz entspannt. "Wir sagen: Wer bei uns auf der Insel heiratet, der bekommt halt einfach lebenslänglich." Lautes Lachen im überwiegend europäisch-amerikanisch-japanisch besetzten Touri-Bus.

So gesehen bietet die ehemalige Gefängnisinsel Robben Island vor der südafrikanischen Küste ja allerbeste Voraussetzungen für Sibusiso und Marché, die hier gerade ihren Bund fürs Leben geschlossen haben. Dort, wo früher weiße Gefängniswärter Gottesdienste feierten, nachdem sie schwarze Gefangene gedemütigt, gepeinigt oder getötet hatten, finden heute Hochzeiten statt. Erst kürzlich, am Valentinstag, haben sich 20 meist farbige Paare in der fast 180 Jahren alten, blütenweiß getünchten Insel-Kapelle das Ja-wort gegeben. Insgesamt wurden hier seit dem offiziellen Ende der Apartheid 1994 mehr als 200 Ehen geschlossen.

Die Auswahl der geeigneten Kandidaten für den vom Innenministerium und dem Robben Island Museum veranstalteten Akt behalten sich Jahr für Jahr die zuständigen Behörden vor. Entscheidend sei, dass die Zeremonie die Vielfalt Südafrikas widerspiegele, heißt es. An der jüngsten Veranstaltung nahm auch der Innenminister teil, Malusi Gigaba, 45 Jahre alter Hoffnungsträger des einst als Anti-Apartheids-Bewegung enstandenen African National Congress (ANC). Massenhochzeiten auf Robben Island seien aus drei Gründen gut, erklärte er einmal: Sie nähmen dem Ort den Schrecken, propagierten die Ehe als Institution und zeigten der Welt ein freundliches Bild von Südafrika.

Ein einziger Häftling überlebte die Flucht durchs Meer

Seit genau 20 Jahren ist Robben Island ein Museum, seit 1999 ist die frühere Gefängnisinsel Unesco-Weltkulturerbe. Täglich setzen mehrere Hundert Touristen von der schicken Kapstädter Waterfront in einer 40-Minuten-Fahrt hierhin mit dem Ausflugsboot über. Zunächst geht es im Bus am ehemaligen Besucherzentrum vorbei: "Um 30 Minuten mit einem Inhaftierten sprechen zu können", erzählt der junge Batini, "musste man sich früher sechs Monate vorher anmelden." Gesprochen werden durfte nur Englisch oder Afrikaans, zwei der elf Amtssprachen des Landes, damit die Wärter auch alles mithören konnten. Der Touristenbus fährt am ehemaligen Krematorium vorbei, durch das frühere Dorf der Gefängniswärter mit seiner Hochzeitskapelle, hinüber zum Pinguinstrand, mit Ausblick auf den jenseits des Meeres gelegenen Tafelberg.

Nur ein einziger Häftling habe die Flucht durch die kalte, strömungsreiche See auf das mehr als sieben Kilometer entfernte Festland überlebt, berichtet Batini emotionslos, während die Touristen Bilder schießen. "Das war im 17. Jahrhundert, als es hier bereits eine Sträflingskolonie gab."

Früher hetzten die Wärter Hunde auf die Gefangenen

Nach der Bustour übernimmt ein ehemaliger Gefangener die Besuchergruppe, erzählt von den Haftbedingungen während der Rassentrennung in Südafrika, von den Hunden, die die weißen Wärter auf die Eingeschlossenen hetzten. Und von den Häftlingen, die nachts mit dem Hubschrauber abgeholt wurden und nie mehr zurückkehrten. In der Zeit des Apartheid-Regimes mussten die inhaftierten Freiheitskämpfer unter menschenunwürdigen Bedingungen leben und arbeiten. Der spätere südafrikanische Staatspräsident und Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela verbrachte von seinen 27 Jahren als politischer Gefangener insgesamt 18 Jahre auf Robben Island. In einer winzigen Zelle, auf dem Boden neben dem Toiletteneimer schlafend.

Wie kann man als junges Paar bloß an einem solchen Ort, nur wenige Meter vom ehemaligen Hochsicherheitstrakt entfernt, heiraten?

Sibusiso und Marché, beide in den Zwanzigern, lernten sich vor fünf Jahren auf Facebook kennen. Sie wohnte damals in Kapstadt, er in Johannesburg - sie lebten also fast zwei Flugstunden voneinander entfernt. Robben Island hätten sie schon deshalb als idealen Hochzeitsort empfunden, weil die Insel ein Symbol "der Überwindung und des Sieges" sei, erzählten sie der Cape Times. Nichts überwinde Grenzen mehr als die Liebe. "Klar war das hier mal ein Ort der Apartheid", sagte eine andere farbige Braut dem Sender EWN. "Unsere Hochzeit aber macht daraus einen Ort der Liebe."

Die nationale Gedenkstätte ist in erbärmlichem Zustand

Kritiker bemängeln, dass solche offiziellen Veranstaltungen nur davon ablenken, in welch erbärmlichem Zustand sich die nationale Gedenkstätte eigentlich befindet. Der Verfall sei eine "Beleidigung Mandelas", schimpfte der ehemalige Kulturexperte der Demokratischen Allianz, Niekie van den Berg. Tatsächlich hat man als Besucher den Eindruck, dass mit dem Geld, das mit Hunderttausenden jährlichen Touristen verdient wird, zum Erhalt dieses historischen Ortes noch weit mehr getan werden könnte.

Jonathan und Miranda jedenfalls, ein Ingenieur und seine Frau aus dem US-Bundesstaat Maryland, haben am Ende der Tour über Robben Island vor allem das hier mitgenommen: "Die Pinguine waren wirklich süß", sagt Miranda und zeigt ihre Fotos auf dem Smartphone. "Wissen Sie, Sie sollten unbedingt auch mal nach Peru fahren und sich Machu Picchu ansehen. Da fand ich es fast noch schöner als hier."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: