Rheinland-Pfalz:Zweiter Toter nach Chemieunfall bei BASF in Ludwigshafen

Es ist einer der schwersten Unfälle in der Geschichte des Chemieunternehmens BASF: Auf dem Werksgelände in Ludwigshafen sterben mindestens zwei Menschen - weitere werden noch vermisst.

Von Oliver Klasen

Es dauert nicht lange, bis am Montagmittag nach dem Chemieunfall in Ludwigshafen die ersten Videos in den sozialen Medien veröffentlicht werden. Aus einem Kleinflugzeug, das zum Zeitpunkt des Unglücks über dem BASF-Werk flog, sind Aufnahmen gemacht worden. Man sieht eine riesige Rauchsäule, die sich über der Stadt erstreckt und vermutlich kilometerweit zu sehen ist. Später wird ein weiteres Video von einem Amateurfilmer gepostet, der offenbar aus einem fahrenden Auto gefilmt hat und sehr nah dran ist an der Unglückstelle. Eine meterhohe Flamme lodert bereits, da gibt es eine weitere Explosion, die in einem gigantischen Feuerball aufgeht.

Später ist klar: Es ist eines der größten Unglücke in der Geschichte der BASF. Relativ schnell wird bekannt, mindestens ein Toter ist zu beklagen, sieben Menschen sind verletzt, sechs weitere werden vermisst. Ein paar Stunden später am Abend meldet die BASF: es gibt einen zweiten Toten, zwei Menschen würden noch vermisst. Man muss also damit rechnen, dass die Zahl der Opfer noch größer werden könnte.

Auch Stunden nachdem die Katastrophe ihren Anfang genommen hat, ist das Feuer noch nicht gelöscht. Noch immer kämpfen etwa 160 Feuerwehrleute gegen die Flammen. "Wir hoffen, dass wir das Feuer bis in die Abendstunden löschen können", sagt Peter Friedrich, Chef der Ludwigshafener Berufsfeuerwehr. "Und wir hoffen, dass wir dann auch endlich Gewissheit über die Vermissten haben".

Sowohl Friedrich als auch Uwe Liebelt, der Werksleiter von BASF in Ludwigshafen, ist auf der Pressekonferenz die Anspannung anzusehen. Beide wissen: Die Zahl der Toten kann noch steigen. Die Lage sei sehr unübersichtlich und ändere sich von Minute zu Minute.

Die Ursache für die Explosion, die sich gegen 11.30 Uhr im sogenannten Nordhafen ereignet habe, sei noch unklar, sagt Liebelt. Welcher Stoff in Brand geraten sei, werde derzeit geprüft. In dem Hafen würden Flüssiggase, aber auch brennbare Flüssigkeiten verladen. Bisher sei lediglich klar, dass an einer Versorgungsleitung ein Feuer ausgebrochen sei. Als die Werksfeuerwehr eintraf, um dieses Feuer zu löschen, sei es dann zu einer größeren Explosion gekommen, die mehrere Folgebrände ausgelöst habe.

Über die Katastrophenwarn-Apps KatWarn und Nina sei nach dem Unglück sofort Alarm ausgelöst worden. Anwohner wurden aufgefordert, in ihren Häusern zu bleiben, Türen und Fenster geschlossen zu halten sowie Lüftungs- und Klimaanlagen abzuschalten. Die Polizei appellierte an Autofahrer, das Gebiet weiträumig zu umfahren. Im Norden von Ludwigshafen wurden die Warnsirenen eingeschaltet. Die Behörden und die BASF richteten mehrere Notfallnummern ein. Außerdem informierte die Stadt via Twitter und richtete eine spezielle Internetseite ein, die jedoch zwischenzeitlich nicht erreichbar war.

Größtes Chemieareal der Welt

Ludwigshafen, eine Industriestadt mit 165 000 Einwohnern, die mit dem auf der anderen Seite des Rheins gelegenen Mannheim eine Wirtschaftsregion bildet, ist für zwei Dinge international bekannt: für Altkanzler Helmut Kohl, der in einem Haus im Stadtteil Oggersheim lebt, und für die BASF. Das Chemieunternehmen prägt das Stadtbild und die Identität der Bewohner, die einen weichen, fast gesungenen Dialekt sprechen, der im Kontrast steht zu dem manchmal harten Umgangston, der in solchen Arbeiterstädten gepflegt wird. Das BASF-Gelände ist das größte Chemieareal der Welt, 40 000 Menschen arbeiten hier, es ist weit und breit der wichtigste Arbeitgeber in der Region, Tausende pendeln jeden Morgen auch von weit her zur Arbeit.

Dass es manchmal etwas seltsam riecht, ist für die Bewohner in der Gegend nichts Besonderes. Dass tatsächlich ein Unglück passieren kann, darüber denken viele lieber nicht nach.

Zum Glück sei der Ort des Geschehens am Nordhafen weit weg von bewohntem Gebiet, sagt Udo Scheuermann, der Ortsvorsteher des Stadtteils Oppau, der direkt gegenüber dem BASF-Gelände liegt. "Da sind vor allem die Leute betroffen, die dort arbeiten", sagt Scheuermann. Vor zwei Jahren, als in dem Stadtteil eine Gasleitung explodierte, sei das anders gewesen. "Da waren wir viel näher dran." Auch Stefan Müller, evangelischer Pfarrer im Stadtteil Edigheim berichtet, dass die Menschen in der Gemeinde erstaunlich ruhig mit solchen Zwischenfällen umgehen. "Das ist kaum ein Thema, es gehört irgendwie dazu." Als er nach Ludwigshafen gekommen sei, habe ihn das zunächst gewundert. "Wenn man da am Gelände entlangfährt und sieht die ganzen Schornsteine, das wirkt schon bedrohlich."

(Mit Material der Agenturen)

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