Resteverwertung:Leckerer Abfall

Resteverwertung: Reif für die Tonne? Von wegen: Brunch im Restaurant "Restlos glücklich".

Reif für die Tonne? Von wegen: Brunch im Restaurant "Restlos glücklich".

(Foto: OH)

In Berlin gibt es nun ein Restaurant, das ausschließlich Reste verkocht - es ist das erste in Deutschland. Serviert wird zum Beispiel Salat mit Papayastreifen oder gebratener Tofu mit gedünsteten Kirschtomaten.

Von Verena Mayer, Berlin

Dass ein Restaurant "Restlos glücklich" heißt und Speisen serviert wie frittierte Rübenbällchen oder Süßkartoffel-Ingwer-Suppe, ist erst einmal nichts Besonderes. Auch sonst ist das kleine Lokal im Bezirk Neukölln typisch für die Hauptstadt: abgeschlagene Wände, dazwischen schöne Lampen und alte Tische. Alles so retro und hipstermäßig wie überall, die Bedienung trägt Vollbart.

Und doch ist dieses Restaurant das erste seiner Art in Deutschland. Denn gekocht wird hier nur mit Essensresten. Mit Lebensmitteln, die im Abfall landen sollten.

Das sieht dann so aus: Salat mit Papaya-streifen oder eine bittersüße Creme aus Granatapfelkernen, goldbraun gebratener Tofu mit gedünsteten Kirschtomaten, dazu Craft-Bier aus einer Kiez-Brauerei. Und zu jedem Gang gibt es Brot, sehr viel gutes Brot. Davon bleibe immer am meisten übrig, sagt Leoni Beckmann. Beckmann, 28, Sozialwissenschaftlerin, sitzt in Jeans und Turnschuhen an einem Ecktisch und schiebt sich selbstgemachte Kräuterchips in den Mund. Sie ist die Vorsitzende des Vereins, der den Laden betreibt, erst einmal nur probeweise an einigen Wochenenden im Frühjahr. Wenn es so läuft, wie sich das Beckmann, ein Koch, ein Restaurantmanager und viele Freiwillige vorstellen, dann soll "Restlos glücklich" eines Tages eine deutsche Institution werden.

Doch zuerst rattert Beckmann ein paar ernüchternde Zahlen herunter. 18 Millionen Tonnen Lebensmittel werden einer WWF-Studie zufolge jedes Jahr in Deutschland weggeworfen, elf Millionen davon könnte man noch verwenden. Eier, die zu klein geraten sind, oder einzelne Bananen, die sich nicht verkaufen lassen. Tee mit verrutschten Etiketten genauso wie Wein, der beim Händler im Schaufenster stand. Dass man Reste als Ressource begreift, ist nicht neu. Seit Langem gibt es die Deutsche Tafel oder Plattformen wie Foodsharing, die überschüssige Lebensmittel einsammeln und verteilen. Es gibt Aktivisten, die sich aus den Müllcontainern von Supermärkten versorgen, und Unternehmen wie das "Culinary Misfits" in Berlin-Kreuzberg, die schief gewachsenes Obst und Gemüse verarbeiten. Aber nun hat eben auch die Gastronomie das Thema erkannt. In Kopenhagen zum Beispiel bringt das Restaurant "Rub & Stub" auf den Tisch, was sonst weggeworfen würde, und die ersten Trendforscher sagen schon voraus, dass Reste das neue Vegan sind.

Was nicht heißt, dass es einfach wäre, mit Lebensmitteln zu kochen, die für die Tonne wären. Zwar hätten sie inzwischen etliche Bäckereien, Biomärkte oder Bauern, die ihnen Ware überlassen, sagt Leoni Beckmann. Wie letztens 16 Kisten Avocados, die ein Händler zu viel hatte, weil sich in die Bestellung ein Zahlendreher eingeschlichen hatte; oder auch "absolut perfekte" Pilze, die fünf Euro das Pfund kosten würden. "Aber man kriegt nicht alles in Hülle und Fülle wie Kohl oder Rüben", sagt Beckmann. Zucker, Kaffee, Schnaps oder Öl etwa. Aus Resten etwas zu machen, das schmeckt und halbwegs raffiniert ist - das sei schon "eine kreative Herausforderung", sagt Beckmann.

Sie springt auf, trägt Gläser ab, bringt die Rechnung, wie alle hier arbeitet sie ehrenamtlich. Das "Restlos glücklich" ist voll an diesem Freitagabend, man sieht ältere Paare und eine Gruppe, die einen Geburtstag feiert, ansonsten viel Berliner Foodie-Publikum. In der kleinen Küche wuselt Daniel Roick hin und her, klappt den Ofen auf, richtet Heidelbeerschnitten an. Der Koch wusste am Morgen noch nicht, was er abends auf die Menütafel schreiben würde, im Laufe des Tages kamen dann viel unverkäuflicher Salat und Brokkoli zusammen. Den hat Roick überbacken, was ein bisschen nach Kantine schmeckt, aber zusammen mit gebratenen Tofu-Stücken und Kartoffelgratin doch ein durchkomponiertes vegetarisches Gericht ergibt.

Und was ist das Schwierigste? Geld aufzutreiben, sagt Beckmann, 25 000 Euro haben sie bislang im Internet gesammelt. Aber wirklich schwierig sei es, so mit den Resten umzugehen, dass am Ende nichts übrig bleibt.

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