Rechtsverständnis aus Nazi-Zeiten:Maas will Strafrecht bei Mord und Totschlag reformieren

Social Democrats (SPD) Hold Federal Congress

Plant wichtige Reformen: Bundesjustizminister Heiko Maas

(Foto: Getty Images)

"Heimtücke" oder "niedrige Beweggründe": Das kennzeichnet im deutschen Strafrecht einen Mord. Bundesjustizminister Heiko Maas will die entsprechende gesetzliche Regelung überarbeiten - sie stammt noch aus der Zeit des Nationalsozialismus.

Von Heribert Prantl und Robert Roßmann, Berlin

Bundesjustizminister Heiko Maas will die Paragrafen zu Mord und Totschlag ändern. Der SPD-Politiker sagte der Süddeutschen Zeitung, bei den Tötungsdelikten im Strafgesetzbuch gebe es einen "gesetzgeberischen Regelungsbedarf". Er strebe deshalb "noch in dieser Legislaturperiode" eine Änderung an. Ziel sei es, Mord besser zu definieren.

Maas sagte, viele Laien verstünden unter Mord eine geplante, genau überlegte Tötung - und unter Totschlag eine Tötung im Affekt. Ungefähr so sei es auch bis 1941 geltendes Recht gewesen. Dann haben die Nationalsozialisten jedoch die Mordmerkmale geändert. Seitdem heißt es im Strafgesetzbuch, Mörder sei, "wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam (...) einen Menschen tötet".

Die Rechtsprechung zum Mord orientiert sich deshalb bis heute am Leitbegriff der "niedrigen Beweggründe", der einen Tätertyp beschrieb, wie ihn sich die Nazi-Juristen vorstellten. Im Strafgesetzbuch wird also keine Tat, sondern ein Täter beschrieben. In der Praxis ist der Unterschied zwischen einem Mord und einem Totschlag auch deshalb oft nicht genau zu ziehen.

"Beschreibung eines Mörders, wie ihn sich die Nazis vorgestellt haben"

"Mord und Totschlag entsprechen so, wie sie in den Paragrafen 211 und 212 definiert sind, nicht der Systematik des Strafgesetzbuches", sagte Maas. Es seien "täterbezogene Delikte", das Strafgesetzbuch gehe "ansonsten aber von tatbezogenen Delikten aus". Der geltende Mordparagraf beschreibe "also nicht, wann eine Tat ein Mord ist". Stattdessen beschreibe er "einen Menschentypus mit moralisch aufgeladenen Gesinnungsmerkmalen wie ,niedrige Beweggründe' oder ,Heimtücke'".

Das sei "noch immer die beklemmende Beschreibung eines Mörders, wie ihn sich die Nazis vorgestellt haben". Es sei "ein Verdienst der Gerichte, dass sie dieses schlechte Gesetz überhaupt anwendbar gemacht haben", sagte Maas. Es sei jetzt Aufgabe des Gesetzgebers, "den Gerichten bessere Regelungen an die Hand zu geben". Deswegen würden die Tötungsdelikte "einer grundlegenden Reform" unterzogen.

Expertengruppe soll fundierte Grundlage schaffen

Maas kündigte die Einsetzung einer Expertengruppe an. Diese solle "eine fundierte Grundlage" für eine parlamentarische Diskussion schaffen. Der Justizminister sagte, dabei sollten "die Mordmerkmale, wie sie seit 1941 im Gesetz stehen", genau überprüft werden. "Ob wir einige streichen, verändern oder ob neue hinzukommen - das möchte ich jetzt zusammen mit den Experten und dem Parlament klären."

Maas begründete die Reform auch mit dem sogenannten Haustyrannen-Dilemma. Ein Mann, der seine Frau erschlägt, kommt bisher womöglich mit Totschlag davon, also mit einer mehrjährigen Freiheitsstrafe. Die Ehefrau, die jahrzehntelang von ihrem Mann gequält worden ist, und den Haustyrannen vergiftet, bekommt aber automatisch "lebenslänglich", da der Einsatz von Gift als heimtückisch gilt und damit immer als Mord geahndet werden muss. Der Minister will mit der Reform des Mordparagrafen auch dieses Dilemma lösen.

Das komplette Interview lesen Sie in der Samstagsausgabe der Süddeutschen Zeitung, auf dem iPad und Windows 8.

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