Rechtsstreit:Schweiz will deutschen Raser ins Gefängnis bringen

  • Die Schweiz will erreichen, dass der sogenannte "Gotthard-Raser" in Deutschland ins Gefängnis kommt.
  • Der Sportwagenbesitzer aus der Nähe von Stuttgart war vor drei Jahren über Schweizer Autobahnen und durch den Gotthard-Tunnel gerast.
  • Jetzt hat das Justizministerium in Bern sich an die Behörden in Baden-Württemberg gewandt.

Die Ruhrpott-Komödie Bang Boom Bang aus dem Jahr 2001 beginnt mit einer Szene, in der ein Knastinsasse namens Kalle bei seinem Gangsterkumpel einen Wagen bestellt. Der Kumpel soll den Wagen "besorgen", mit sauberen Papieren ausstatten und an dem Tag, an dem Kalle entlassen wird, direkt an das Gefängnistor liefern. "Ich habe jede Nacht denselben Traum. Ich baller in dem Coupe mit 240 über die Bahn, dat is meine Freiheit", sagt Kalle.

Vielleicht hat Christian R. den Film nicht gesehen. Aber den Traum, den Kalle träumt, hat er in die Realität umgesetzt, wobei festzuhalten ist, dass er seinen Sportwagen, nach allem, was bekannt ist, völlig legal erworben hat. Allerdings war R. sogar noch schneller als Kalle.

Es ist an einem Abend im Sommer 2014, als Christian R. beschließt, mit seinem Sportwagen eine Spritztour zu machen. R., der aus der Nähe von Stuttgart kommt, ist zu dieser Zeit im Urlaub am Comer See. Er fährt über einige Bergpässe in der Schweiz, zurück geht es über die Autobahn, in unfassbarem Tempo. "Ich bin durchgebolzt wie ein Affe und habe auch mit 270 Sachen auf dem rechten Standstreifen überholt", sagte der Deutsche der Boulevardzeitung Blick über seine Fahrt. Sogar im 17 Kilometer langen Gotthardtunnel, der nur eine Röhre hat, macht er riskante Überholmanöver. Ein Streifenwagen verfolgt ihn, kann ihn jedoch nicht einholen. Erst am Südende des Tunnels wird er gestoppt. Der Wagen, ein getunter BMW mit fast 500 PS, wird beschlagnahmt.

Jetzt wollen die Schweizer Behörden R. ins Gefängnis bringen. Im Februar dieses Jahres war er im Kanton Tessin zu einer Strafe von 30 Monaten Gefängnis, davon 12 Monate ohne Bewährung, verurteilt worden, jedoch nicht zum Prozess erschienen. Das Justizministerium in Bern hat bereits vor einigen Wochen ein "Ersuchen um Vollstreckung der Freiheitsstrafe" an die Behörden in Baden-Württemberg geschickt, wie ein Sprecher bestätigte. Der Fall liegt inzwischen bei der Rechtshilfeabteilung im Justizministerium in Stuttgart. Dort will man das Anliegen der Schweizer Kollegen prüfen.

Der Fall Christian R., der in den Medien als "Gotthard-Raser" bekannt wurde, hat im Nachbarland Empörung ausgelöst - auch deshalb, weil er sich Medien gegenüber unbeeindruckt zeigte und sogar provokant mit seinem Führerschein in den Hand vor seinem Haus posierte. Das Urteil interessiere ihn nicht, sagte er in dem Blick-Bericht. "Ich bereue gar nichts und verstehe auch die Aufregung nicht. Ich kann super Auto fahren und zu keiner Zeit waren Menschenleben in Gefahr", so der 42-Jährige.

Drakonische Strafen für Raser in der Schweiz

In der Schweiz werden Raser seit einigen Jahren äußerst streng bestraft. Wer die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 50 Stundenkilometer missachtet, der muss seit 2013 mindestens ein Jahr ins Gefängnis. Auf der betreffenden Autobahn darf maximal 120 gefahren werden, im Gotthard-Tunnel sogar nur 80. Die Schweizer Behörden argumentieren, dass der Fahrer im Tunnel andere Verkehrsteilnehmer durch ständige Überholmanöver in Lebensgefahr gebracht habe.

Ob die Freiheitsstrafe in Deutschland vollstreckt werden kann, hängt nach Angaben des Berner Justizministeriums davon ab, ob der Sachverhalt auch nach deutschem Recht strafbar ist. In Betracht kommt dabei Paragraf 315c des Strafgesetzbuches. Dort heißt es: Wer im Straßenverkehr "Leib und Leben eines anderen Menschen" gefährdet, wird mit Gefängnis bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Allerdings ist Geschwindigkeitsüberschreitung dort nicht explizit als einer der Gründe für die Straßenverkehrsgefährdung genannt.

Zwar könne es "monatelang dauern", bis über das Anliegen der Schweizer Behörden entschieden sei, sagte ein Sprecher im baden-württembergischen Justizministerium. Sollte das Rechtshilfeersuchen Erfolg haben, könnte Christian R. allerdings mehr mit dem Gangster Kalle gemeinsam haben als ihm lieb ist.

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