Rechtsstreit:Gericht untersagt subversiven Wurstverkauf

Bratwurststreit an der A9

Hinweisschild in Rodaborn: Der Verkauf von Bratwürsten an Autobahnbenutzer verstößt gegen deutsches Recht und muss daher eingestellt werden.

(Foto: Andreas Hummel/dpa)

Seit Jahren reicht ein Imbissbetreiber Bratwürste über einen Zaun an einem Autobahnparkplatz. Damit ist nun Schluss.

Von Christoph Dorner, Rodaborn

Um die Wurst an sich war es den Richtern am Ende gar nicht gegangen. Die Wagners kaufen sie bei der einheimischen Gerodaer Fleischerei ein. Würde die Wurst nicht schmecken, würde er sie auch nicht verkaufen, sagt Georg Wagner. Und weil sie täglich etlichen Reisenden schmeckte, konnte das irgendwann nicht mehr so weitergehen mit dem subversiven Verkauf der Thüringer Rostbratwurst an der Autobahn A 9.

Denn der Kaufvertrag zwischen den Wagners und ihren hungrigen Kunden war stets in etwa so zustande gekommen: Der Autofahrer fährt in Fahrtrichtung München bei Triptis von der Autobahn ab, um auf dem Parkplatz der ehemaligen Raststätte Rodaborn eine Pause einzulegen. Er geht zu dem zwei Meter hohen Metallzaun, der den Parkplatz von dem Anwesen trennt, und läutet mit der dort eingehängten Glocke gegen den Motorenlärm an.

Christina Wagner fragt aus ihrem Bratwurststand mit rotem Ziegeldach, keine zehn Meter entfernt, nach Senf und reicht die Bratwurst im Brötchen, auf einer kleinen Leiter stehend, über den Zaun. Oder - für Kinder - auch mal durch das Gitter. Und 2,50 Euro, für die man an der nächstgelegenen Raststätte am Hermsdorfer Kreuz noch nicht einmal einen Kaffee bekommt, nehmen den umgekehrten Weg.

Mit diesem rapunzelhaften Wurstverkauf ist nun wohl bald endgültig Schluss. Bei einem Ortstermin in Rodaborn hat das Verwaltungsgericht Gera am Dienstag eine Klage der Imbissbetreiber gegen ein Zwangsgeld des Freistaats Thüringen abgewiesen. Für den Verkauf von Speisen und Getränken an Reisende jenseits des Zauns bräuchten sie eine Konzession oder eine Sondernutzungserlaubnis, sagt der Vorsitzende Richter Bengt Fuchs - beides haben die Wagners auch nach jahrelanger Duldung durch die Behörden nicht. Und werden es auch nicht bekommen. Sie dürfen Bratwürste nur an Wanderer auf ihrer Seite des Zauns verkaufen, der westlichen.

Ein Zaun mit geschlossenen Türen

Das Karlsruher Ehepaar hatte den morbiden Fachwerkbau, der 1936 zu Deutschlands erster Autobahnraststätte wurde, 2009 für eine niedrige fünfstellige Summe von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ersteigert. Für die Wagners, die bis heute im Wohnwagen hinter dem Haus wohnen, erfüllte sich damals ein Lebenstraum.

Sie wollten die alte Raststätte renovieren und Speisen an Reisende verkaufen. Die Türen im Zaun zum Parkplatz waren ja offen. Dass der Konzessionsvertrag gekündigt worden war, als die A 9 im Jahr 2004 ausgebaut und der Parkplatz zurückgekauft wurde, wollten die Wagners nicht sehen. "Wir dachten, das ist ein Geschäft im luftleeren Raum", sagt Georg Wagner.

Sie waren wohl auch ein bisschen naiv. Irgendwann stand da ein neuer Zaun mit geschlossenen Türen. Also dachten sich die Wagners die Sache mit der Leiter und der Glocke aus und wurden zum gallischen Dorf, umgeben von den ServiceGastronomie-Lagern des Monopolisten Tank & Rast. Doch gut lief ihr Geschäft anfangs nicht. "Wir wurden in den ersten zwei Jahren als dreckige Wessis beschimpft, im Ort geschnitten", sagt Georg Wagner. Dabei sollte es doch ein Einheitsprojekt werden. Bis heute glaubt Wagner, dass es in Triptis Leute gibt, die seine Familie hier nicht haben wollen. Aufgeben wollen die Wagners trotzdem noch nicht.

Zuletzt lief ihr Bratwurstverkauf besser. Für Handwerker aus Thüringen und Geschäftsleute aus Bayern ist der Imbiss längst Kult. An diesem Mittwoch werden sie den Grill wieder anwerfen: Solange das Urteil nicht zugestellt wurde, ist es auch nicht rechtskräftig.

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