Rechtsradikale in Templin:Gewaltexzess in der Werkstatt

Zwei Rechtsradikale sollen in Templin einen Saufkumpanen erschlagen haben. Vor Gericht geht es auch um die Gesinnung der Täter.

C. von Bullion

Dieser Prozess wird in eine Lebenswelt führen, die viele nur vom Wegschauen kennen. Sie befindet sich am unteren Rand der ostdeutschen Gesellschaft, wo Obdachlose hausen, Alkoholiker, Rechtsextremisten und junge Leute, mit denen sich zuhause schon lange keiner mehr befasst. Manche von ihnen dürften Mühe haben, vor Gericht einen klaren Satz herauszubringen, denn nach elf Uhr vormittags sind sie in der Regel sturzbetrunken.

Rechtsradikale in Templin: Das Grab des 55-jährigen Tischlers Bernd K. auf dem Friedhof von Templin: Die Gewalttat hat im Sommer 2008 bundesweit für Entsetzen gesorgt.

Das Grab des 55-jährigen Tischlers Bernd K. auf dem Friedhof von Templin: Die Gewalttat hat im Sommer 2008 bundesweit für Entsetzen gesorgt.

(Foto: Foto: ddp)

Sven P. und Christian W. gehören wohl zu ihnen, ab Montag müssen sie sich vor dem Landgericht Neuruppin wegen gemeinschaftlichen Mordes verantworten. Es geht um eine Tat, die sich vergangenen Juli im brandenburgischen Templin abgespielt hat und so brutal war, dass sie weit über die Stadtgrenzen hinaus für Aufsehen sorgte.

Sven P., der 19 Jahre alt war, soll mit dem 21 Jahre alten Christian W. einen stadtbekannten Alkoholiker so lange gegen den Kopf getreten haben, bis der 55-Jährige tot war. Dann sollen die beiden vorbestraften Rechtsextremisten die Leiche mit Brandbeschleuniger übergossen und angesteckt haben.

Der Bürgermeister von Templin behauptete damals, es gebe keine rechte Szene in der Stadt; das hat ihm einigen Ärger eingebracht. Die Staatsanwaltschaft hat die politische Einstellung der Angeklagten sogar ins Zentrum des Verfahrens gerückt. "Die Anklage geht davon aus, dass die Täter entsprechend ihrer rechten Gesinnung das Opfer verachtet haben", sagte die Sprecherin des Landgerichts vor Prozessbeginn. Weil dies als niederer Beweggrund gilt, wird auf Mord angeklagt.

Mit "Sieg-Heil"-Rufen aufgefallen

Dass die Angeklagten sich zu den Vorwürfen äußern, steht eher nicht zu erwarten. Zu Wort kommen werden also vor allem die anderen, Uwe Liem zum Beispiel, ein Mann mit Rübezahlbart, der einen guten Teil seines Lebens im Gefängnis verbracht hat. In der Nacht zum 22. Juli 2008 saß er im Obdachlosenheim von Templin, und trank Bier mit Christian W., dem Sohn eines arbeitslosen Fleischers.

Bei der Polizei ist Christian W. bestens bekannt, weil er sich unter anderem mit Neonazis herumtreibt. Mit am Tisch saß in jener Nacht auch das spätere Opfer: Bernd K., in der Stadt nennen sie ihn "Stippi". Er konnte keiner Fliege etwas zuleide tun, sagen die Leute, aber mit der Familie hatte er Krach. Bernd K. hatte eine Frau, zwei Töchter und ein Haus, aber er trank, bis alles den Bach hinunter ging. Mal schlief er bei den Obdachlosen, mal in einer vergammelten Werkstatt, die er geerbt hatte. In der Tatnacht soll er Christian W. vom Obdachlosenheim dorthin mitgenommen haben.

Auf Seite 2: Welche Rolle die politische Gesinnung vor Gericht spielt

Gewaltexzess in der Werkstatt

Uwe Liem, der mit dem Rauschebart, war zu diesem Zeitpunkt wohl schon im Bett, dafür gesellte sich ein anderer Saufkumpan zu den beiden: Sven P., ein blasser junger Schulabbrecher mit Brille, der wegen diverser rechtsextremistischer Übergriffe zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Am Abend vor der Tat soll Sven P. auf dem Markplatz von Templin mal wieder mit "Sieg-Heil"-Rufen aufgefallen sein.

Für die Staatsanwaltschaft ist dieses Detail neu - und nicht ganz unwichtig. Denn während unstrittig ist, dass beide Angeklagten zur rechtsextremistischen Szene von Templin gehören, muss sich vor Gericht noch erweisen, ob ihre politische Gesinnung auch tatsächlich das Motiv der Tat war.

Laut Anklage trinken Christian W. und Sven P. zwar Bier mit Bernd K., verachten ihn aber als "Penner". In der alten Werkstatt soll es dann zum Streit gekommen und Bernd K. zu Boden gegangen sein. "Insbesondere der Angeklagte P. soll auf den am Boden Liegenden mit großer Wucht im Kopfbereich eingetreten haben", sagt die Sprecherin des Landgerichts Neuruppin.

Als Uwe Liem am Morgen seinen Saufbruder Bernd K. in dessen Werkstatt besuchen wollte, lag der mit zertrümmertem Schädel in einer Blutlache. Ob es dem Gericht gelingt, seine Ursachen zu erklären, wird auch von Stephanie Z. abhängen. Sie ist 17 Jahre alt und ist in einem Plattenbau am Stadtrand aufgewachsen.

Stephanie Z. war mit Christian W. zusammen. Am Morgen nach dem Mord soll er in ihrer Küche mit Sven P. über die Tat gesprochen haben. Sie hat das der Bildzeitung erzählt, die beiden Angeklagten wurden festgenommen. Ob Stephanie Z. noch einmal sprechen wird, ist ungewiss. Sie hält sich bei ihrer Mutter versteckt, es hieß, sie werde von Rechtsextremisten bedroht.

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