Razzia in Berlin:Hells Angels sollen Frauen zur Prostitution im Bordell Artemis gezwungen haben

Groß-Bordell Artemis

Das "Artemis" ist mit 3000 Quadratmetern das größte Bordell in Berlin.

(Foto: dpa)
  • Nach einer Razzia mit 900 Beamten in Berlins größtem Bordell werfen die Ermittler den Betreibern systematische Ausbeutung von Frauen und Hinterziehung von Sozialabgaben vor.
  • Die Hells Angels hätten die schmutzige Arbeit für die Bordellbetreiber erledigt.
  • Eine Prostituierte gab der Polizei im vergangenen Sommer den entscheidenden Tipp.

Die Ermittlungen, die zu einer Razzia mit fast Tausend Beamten gegen Berlins größtes Bordell Artemis führten, brachte eine Prostituierte ins Rollen: Die Frau sei von ihrem Freund, einem Hells-Angels-Mitglied, zur Arbeit ins Artemis geschickt und "so malträtiert" worden, dass sie keinen Ausweg mehr gesehen habe, als sich an die Polizei zu wenden, sagte Oberstaatsanwalt Sjors Kamstra am Tag nach der Razzia. Am Mittwoch waren 900 Beamte bei der Aktion gegen Berlins größtes Bordell im Einsatz; sechs Verdächtige - darunter die beiden Bordellbetreiber - wurden verhaftet. Vermögen im Wert von 6,4 Millionen Euro wurde beschlagnahmt, darunter Hunderttausende Euro Bargeld.

Polizei, Hauptzollamt und Steuerfahndung gehen nach eigenen Angaben davon aus, dass dem Bordell Prostituierte durch Mitglieder der Rockerbande Hells Angels zugeführt wurden. Die zur organisierten Kriminalität gezählte Bande habe den Bordell-Betreibern direkt Frauen vermittelt, im Gegenzug hätten die Rocker in dem Club unter anderem freien Eintritt genossen, sagte Staatsanwalt Kamstra bei einer Pressekonferenz. Die wichtige Zeugin, die im Sommer 2015 der Polizei den entscheidenden Tipp gab, steht nun unter besonderem Schutz.

Die beiden Bordellbetreiber selbst sind den Angaben nach keine Hells-Angels-Mitglieder. "Sie sind nicht die, die sich die Hände schmutzig machen, sie verwalten die Kriminalität und setzen sie um", sagte Kamstra.

"Wie bei Al Capone"

Zugeschlagen hätten die Ermittler nun wegen des dringenden Verdachts der Hinterziehung von Sozialabgaben und Steuern - "wie bei Al Capone", sagte Berlins leitender Staatsanwalt Andreas Behm mit Bezug auf den US-Mafia-Boss der Zwanziger Jahre. Bei den Steuer- und Abgabenvergehen handele es sich keinesfalls um Bagatelldelikte, so die Behördenleiter.

Den Betreibern wird nun vorgehalten, ein "System der gewalttätigen und illegalen Prostitution" etabliert zu haben, um die Frauen in Abhängigkeit zu halten und maximal auszubeuten. Es werde auch wegen Menschenhandels, Ausbeutung und Gewaltanwendung ermittelt.

"Hausdamen" mit Kontrollfunktion

Den Frauen seine Arbeitszeiten, Preise und Sexualpraktiken vorgeschrieben worden. Die vier sogenannten Hausdamen, die neben den beiden Betreibern verhaftet wurden und denen Beihilfe vorgeworfen wird, hätten das enge Regelsystem im Alltag durchgesetzt. Deshalb komme auch das "klassische Rotlichtdelikt der dirigierenden Zuhälterei" in Betracht, sagte Staatsanwalt Thorsten Cloidt.

Prostutierte und Freier vernommen

Noch in der Nacht seien 96 Prostituierte vernommen worden, sagte Staatsanwalt Michael Stork. Diese hätten die beschrieben Zustände im "Artemis" zum großen Teil eingeräumt.

Die Frauen seien volljährig und stammen Kamstra zufolge überwiegend aus Osteuropa, Russland und arabischen Ländern. Auch viele der mehr als hundert angetroffenen Freier hätten das System weitgehend bestätigt.

Den Ermittlern steht nun nach eigenen Angaben eine "Sisyphosarbeit" bevor, bevor Anklage erhoben werden könne.

Das Geschäft läuft weiter

Das Bordell war am Morgen nach der Razzia geöffnet. Ein Freier vor Ort sagte, es seien Mädchen im Gebäude, aber nur wenige im Vergleich zu sonst. Er habe einen Gutschein für seinen nächsten Besuch im Artemis bekommen. Taxen setzten vor dem Gebäude Kundschaft ab.

Über den weiteren Betrieb muss laut Staatsanwaltschaft das Gewerbeamt entscheiden.

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