Rätselhafte Gräber:Aktenzeichen Kolumbus ungelöst

Christoph Kolumbus war ein Wanderer zwischen den Welten, im Leben wie im Tod. Auch an seinem 500. Todestag streiten Europa und Mittelamerika darum, wo er denn nun begraben liegt. Gut möglich, dass beide Recht haben.

Bernd Oswald

Nur bei wenigen historischen Figuren gibt es so viele Punkte, die die Menschen zu leidenschaftlichen Diskussionen veranlassen, wie bei Christoph Kolumbus. War er ein Entdecker oder ein Unterdrücker? Und noch viel grundlegender: Wer war Kolumbus eigentlich? Ein italienischer Emporkömmling? Ein schon in jungen Jahren hochtalentierter Seefahrer? Und schließlich die Frage, die zu seinem 500. Todestag ins Rampenlicht rückt: Wo liegt er begraben?

Rätselhafte Gräber: Zeitgenössisches Porträt des "Admirals des Ozeans" Christoph Kolumbus

Zeitgenössisches Porträt des "Admirals des Ozeans" Christoph Kolumbus

(Foto: Foto: dpa)

Sicher ist nur: Kolumbus war ein Wanderer zwischen den Welten - im Leben wie im Tod. Die Stationen von Kolumbus' Sarg oder dem, was dafür gehalten wurde, sind bekannt. Der Entdecker starb am 20. Mai 1506 - anderthalb Jahre nach der Rückkehr von seiner letzten Karibik-Reise - im spanischen Valladolid, wo er auch bestattet wurde. Doch seine Totenruhe währte nur wenige Jahre: 1509 oder 1513 wurde der tote Admiral auf Wunsch seines Sohnes Diego nach Sevilla gebracht, wo er in der Krypta der Kirche Santa Ana zum zweiten Mal bestattet wurde.

Vater und Sohn gemeinsam beigesetzt

Es dauerte knapp weitere 30 Jahre, bis der Leichnam des ehemaligen Vizekönigs an den Ort seines größten Erfolges gebracht wurde: nach Santo Domingo auf der Insel Espanola, auf der sich heute Haiti und die Dominikanische Republik befinden.

In seinem dritten Testament verfügte Kolumbus den Bau einer Kapelle zu seinen Ehren: "Diese Kapelle soll wenn möglich auf der Insel Espanola ... erbaut werden, und zwar an jener Stelle, wo ich die Heilige Dreifaltigkeit schon anrief, ..., oder in der Ebene, die De la Concepion genannt wird. Sollte dies möglich sein, würde es mich sehr freuen."

Tatsächlich wurde Kolumbus aber um 1540 in einer Seitenkapelle der Kathedrale von Santo Domingo beigesetzt, zusammen - und das ist für den weiteren Verlauf der Geschichte eminent wichtig - mit seinem Sohn Diego, der 1526 gestorben war. 1667 wurden die Überreiste der beiden in den Mittelpunkt des Domes verlegt, wo man später gar ein Mausoleum errichtete.

Als die Spanier Espanola 1795 vollkommen an Frankreich abtreten mussten, ordnete Don Mariano Colon, ein direkter Nachfahre des Entdeckers, an, beide Gräber in die Kathedrale von Havanna auf Kuba zu verlegen, wo es im Januar 1796 zu einem pompösen Begräbnis kam.

Dreh- und Angelpunkt Santo Domingo

Eine weitere Etappe auf dem Niedergang des einst so glorreichen spanischen Reiches führte zur vorläufig letzten Umbettung der Kolumbus-Gebeine: 1898 sagte sich Kuba von Spanien los und das, was von dem prominenten Leichnam noch übrig war, wurde nach Sevilla gebracht, wo es in der Kathedrale einen nicht minder prominenten Platz fand.

In diesen 389 Jahren sind die sterblichen Überreste von Kolumbus also an sechs Orten in vier Städten gewesen. Noch heute machen drei davon mehr oder weniger überzeugende Ansprüche auf die Reliquie geltend: So gibt es das Gerücht, die Valladolider Franziskanermönche hätten, die Leiche des Christopher Kolumbus gar nicht herausgegeben und stattdessen einen falschen Sarg nach Sevilla geschickt.

Dreh- und Angelpunkt aller Spekulationen ist die Zeit, die der oder die Kolumbus-Särge in Santo Domingo waren.

Aktenzeichen Kolumbus ungelöst

In diesen 250 Jahren kam es in der Kathedrale zu mehreren Umbauten. Särge wurden geöffnet, umgestellt und teilweise sogar zusammengelegt. Darüber gibt es keine exakten Aufzeichnungen, deswegen ist unklar, wie viel von Kolumbus bzw. von seinem Sohn Diego in den umgebetteten Kisten war bzw. ist.

Rätselhafte Gräber: Was nach Jahren übrig blieb: Diese Knochenstücke hält man in Sevilla für die Reste von Christoph Kolumbus

Was nach Jahren übrig blieb: Diese Knochenstücke hält man in Sevilla für die Reste von Christoph Kolumbus

(Foto: Foto: AFP)

In der Kathedrale von Santo Domingo wurde 1877 - das Kolumbus-Grab logierte gerade in Havanna - ein Bleisarg mit der Aufschrift "Don Christobal Colon" gefunden. Er enthielt 13 große und 28 kleine Knochenstücke, sowie eine Bleikugel. Kolumbus hatte in jungen Jahren eine Schussverletzung erlitten und sprach in einem seiner Logbücher von einer alten Wunde. Katholische Kirche und Regierung der Dominikanischen Republik kamen zu dem Schluss, dass dieser Sarg tatsächlich die Gebeine des Entdeckers enthielt und in Sevilla letztlich nur das Skelett des Sohnes Diego angekommen sei.

1959 wurde der dominikanische Sarg das bisher letzte Mal geöffnet. Der amerikanische Chirurg und Archäologe Charles Goff von der Universität Yale kam 1960 zu dem Ergebnis, dass er die Knochen von Christoph Kolumbus untersucht habe, das Skelett allerdings nicht vollständig sei. Die Kolumbus-Grab in Sevilla, wo er den Rest der Knochen vermutete, durfte er damals aber nicht untersuchen.

Sohn Hernando als Vergleichsobjekt

Mehr als vierzig Jahre später ist es umgekehrt: Die Spanier gaben ihr Kolumbus-Grab für eine wissenschaftliche Untersuchung frei, doch nun bleibt das Pendant in Santo Domingo verschlossen. Als die Genetiker von der Universität Granada 2003 den Kolumbus-Sarg von Sevilla öffneten, stießen sie auf einen kleinen Behälter mit der Inschrift: "Hier liegen die Gebeine des Christoph Kolumbus, Erster Admiral und Entdecker der Neuen Welt".

Dem, was sie fanden, wollten sie mit der vermeintlichen Wunderwaffe der DNA-Analyse zu Leibe rücken. Doch die Munition war schwach: ein paar Dutzend Knochenfragmente, die vor Jahrhunderten zu Schädeldecke, Kiefer und Schienbein eines Mannes gehörten. Daraus entnahmen die Forscher etwa erbsengroße Stückchen und verglichen sie mit DNA-Proben des jüngeren Kolumbus-Sohnes Hernando, der nachweislich ebenfalls in der Kathedrale von Sevilla bestattet ist.

Der Leiter des Forscherteams Jose Antonio Lorente kam zu dem Schluss, dass sich tatsächlich Reste von Christoph Kolumbus in Sevilla befinden. Mit hundertprozentiger Sicherheit lässt sich das aber nicht sagen - ebensowenig wie sich ausschließen lässt, dass andere Teile von Kolumbus in der Dominikanischen Republik ruhen.

Auch am 500. Todestag des Entdeckers der neuen Welt kann der Streit zwischen Sevilla und Santo Domingo also nicht endgültig entschieden werden. Im Lichte der zahlreichen Untersuchungen scheint die These, dass die Skelette von Christoph und Diego Kolumbus im Laufe der Jahrhunderte vermischt wurden, ebenso plausibel wie die Vermutung, dass ein Teil der Kolumbus-Knochen in Santo Domingo blieb und der Rest der Überreste den Weg zurück nach Sevilla fand.

Doch wie sagte schon der antike griechische Geschichtsschreiber Thukydides: "Großer Männer Grabmal ist die ganze Welt; denn sie leben im Gedächtnis eines jeden."

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