QZ8501:Was für eine Notwasserung spricht

  • Die Bergungsmannschaften können bei der Suche nach der vermissten Air-Asia-Maschine einen ersten Erfolg vermelden: Sie haben offenbar das Heck des Flugzeuges im Meer gefunden.
  • Einiges spricht dafür, dass dem Piloten eine Notwasserung gelungen ist und die Maschine noch intakt war, als sie auf der Wasseroberfläche aufkam. Doch offenbar ist das Flugzeug dann infolge des Hohen Wellengangs gesunken.

Von Oliver Klasen und Manuel Stark

Fünf Tage nachdem Air-Asia-Flug QZ8501 mit 162 Menschen an Bord in der Javasee zwischen den indonesischen Inseln Borneo und Belitung verunglückt ist, bessert sich endlich das Wetter - und erleichtert die Suche nach den Opfern. Etwa 30 Leichen konnten bislang geborgen werden, Hoffnung auf Überlebende gibt es nicht. Hoher Wellengang und immer wieder auflebender Wind hatten die Bergungsarbeiten zunächst erheblich behindert. Nun konzentriert sich die Suche auch auf den Flugschreiber.

Wie läuft die Suche nach QZ8501?

Die Bergungsmannschaften können einen möglichen Erfolg vermelden. Am Freitag entdeckte ein indonesisches Marineschiff nach Angaben des Kapitäns ein großes Teil des Airbus A320. "Wir konnten das Heck des Flugzeugs mittels Seitensicht-Sonar orten", sagte Schiffskommandant Yayan Sofyan dem Sender Metro TV. Die Trümmer liegen demnach auf dem Meeresboden in etwa 29 Metern Tiefe. "Wir konzentrieren uns auf die Bergung des Flugzeugrumpfes sowie der Flugschreiber", sagte des indonesischen Suchteam-Leiter Bambang Sulistyo

Wie verliefen die letzten Minuten?

Genau lässt sich das erst sagen, wenn die Flugschreiber geborgen werden können - also sowohl das Instrument, das die Flugdaten aufzeichnet als auch der Stimmenrekorder, der Aufschluss über die Kommunikation der Piloten gibt. Sicher ist bisher nur, dass der Pilot wegen schlechten Wetters darum gebeten hatte, seinen Kurs ändern und von 32 000 Fuß auf 38 000 Fuß steigen zu dürfen. Doch die Änderung der Flughöhe wurde ihm wegen dichten Verkehrs nicht genehmigt. Dann brach plötzlich der Kontakt zu QZ8501 ab, ohne dass der Pilot vorher einen Notruf abgesetzt hatte.

Wie der britische Independent berichtet, gibt es zwei mögliche Erklärungsansätze für den Absturz. Der indonesische Luftfahrtexperte Gerry Soejatman und sein australischer Kollege Peter Marosszeky glauben, dass extreme Wetterbedingungen das Flugzeug in eine Lage gebracht haben, in der es nicht mehr steuerbar war. Aus Daten des offiziellen Untersuchungsteams, zu denen er Zugang habe, wisse er, dass QZ8501 zunächst mit 6000 bis 9000 Fuß pro Minute gestiegen und dann mit 11 000 bis 24 000 Fuß gefallen sei, sagte Soejatman. In einem Airbus A320 könne ein Pilot solche Werte niemals selbst herbeiführen. "Das sind Werte, die normalerweise nur Kampfjetpiloten erreichen", sagte auch Marosszeky der Zeitung Sydney Morning Herald.

Dagegen steht die Theorie, die er frühere indonesische Verkehrsminister Jusman Syafii Djamal und der Chefredakteur des Luftverkehrs-Fachblattes Angkasa vertreten. Beide glauben, dass dem Air-Asia-Piloten eine Notwasserung auf der Javasee geglückt ist. Das Flugzeug sei beim Aufkommen auf der Wasseroberfläche wahrscheinlich noch intakt gewesen und erst danach wegen der hohen Wellen untergegangen, sagte Djamal. Er glaube, dass die Crew noch versucht habe, die Evakuierung der Maschine einzuleiten. Darauf deuteten auch die Einstiegstür und eine Notrutsche hin, die an der Unglücksstelle im Meer gefunden wurden. "Womöglich haben hohe Wellen das Flugzeug und dessen Spitze erfasst und zum Sinken gebracht", erklärte Djamal.

Angkasa-Chefredakteur Sudibyo ist überzeugt, dass es dem Piloten von QZ8501 gelungen ist, den Airbus A320-200 auf der Meeresoberfläche zu landen. Der Peilsender, der sogenannte Emergency Locator Transmitter (ELT), habe offenbar kein Signal gefunkt, weil "es bei der Landung keinen größeren Aufprall gab", so der Luftfahrt-Experte. Der frühere Luftwaffenkommandeur Chappy Hakim schloss sich dieser Analyse an. Er gehe davon aus, dass "das Flugzeug nicht in der Luft explodierte". Bei der Landung sei die Maschine offenbar nicht zerstört worden. Darauf deute auch der Zustand der bislang geborgenen Leichen hin.

Wie funktioniert eine Notwasserung?

Eine Notwasserung zählt zu den schwierigsten Manövern, mit denen eine Cockpitbesatzung konfrontiert sein kann. Nur in sehr seltenen Fällen gelingt sie, wie etwa im Januar 2009, als Chesley Sullenberger es schaffte, einen Airbus A320 im New Yorker Hudson River zu landen und alle Passagiere gerettet wurden.

Bei einer erfolgreichen Notwasserung müssen die Piloten das Flugzeug zunächst einmal so stark wie möglich abbremsen, um dem Aufprall zu minimieren. Allerdings auch nicht zu stark, denn sonst kommt es zum Strömungsabriss und das Flugzeug fällt wie ein Stein ins Wasser. Außerdem muss der Pilot darauf achten, die Nase des Flugzeugs möglichst oben und die Tragflächen möglichst genau waagerecht zu halten, so dass die Maschine mit dem Heck zuerst aufsetzt.

Selbst wenn dem Piloten das alles gelingt, kommt die Maschine am Ende mit mindestens 200 Stundenkilometern auf dem Wasser auf. Dabei wirken enorme Kräfte, die dazu führen, dass das Flugzeug zerschellen kann.

"Bei Wellengang oder gar Sturm ist es, als wolle man ohne Fahrwerk auf einer sich ständig bewegenden Landebahn aufsetzen. Das zu schaffen, ohne dass Schäden am Flugzeug entstehen, ist eine große Kunst", sagt Markus Wahl von der Pilotenvereinigung Cockpit, der seit zwölf Jahren im Dienst ist.

Wie werden Piloten auf eine Notwasserung vorbereitet?

Allgemeine flugtechnische Notfälle trainiert jeder Pilot ungefähr zwei bis vier Mal pro Jahr. "Eine Notwasserung ist da nicht immer dabei, da es, Gott sei Dank, ein sehr unwahrscheinliches Szenario ist", sagt Pilot Wahl. Die Vorbereitung auf alle erdenklichen Landeszenarien ließen sich sehr gut trainieren, so Wahl. Das Aufsetzen im Wasser lasse sich allerdings nur sehr schlecht simulieren.

Was passiert, wenn die Notwasserung geglückt ist?

Dann muss das Flugzeug so schnell wie möglich evakuiert werden. Kurz vor dem Aufsetzen können die Piloten den sogenannten ditch mode aktivieren und den unteren Flugzeugbereich weitgehend gegen Wassereintritt abdichten. Dann bleibt das Flugzeug zumindest eine Weile schwimmfähig und die Passagiere können über die Notausgänge auf die Tragflächen klettern.

Doch all das funktioniert nur bei ruhiger See. Bei hohen Wellen taucht die Maschine mit hoher Wahrscheinlichkeit asymmetrisch ein, was zwangsläufig im Desaster endet. Außerdem wirken bei starkem Seegang, wie er im Falle von QZ8501 herrschte, Kräfte, die die Maschine unter Wasser drücken können.

Bei der Notwasserung auf dem Hudson River hatte Pilot Sullenberger vergessen, den ditch mode zu aktivieren. Dadurch drang schnell Wasser in die Kabine ein. Doch die Crew verhielt sich extrem routiniert und schaffte es, sämtliche Passagiere auf die Tragflächen zu bringen. Allerdings wurde die Rettung auch durch den Umstand begünstigt, dass auf dem Hudson River innerhalb weniger Minuten, Schiffe zu Hilfe kamen.

Warum werden nicht längst Echtzeit-Daten übermittelt?

Black Boxes sind eine im Grunde sehr antiquierte Form der Datenaufzeichnung. "Es ist die alte Technik der fünfziger und sechziger Jahre", sagt zum Beispiel Stephen Trimble, der für den US-Markt zuständige leitende Redakteur des Luftfahrtportals flightglobal.com.

Angesichts der technischen Möglichkeiten, die es heute gibt, sind moderne Passagiererflugzeuge erstaunlich wenig vernetzt. Schon ein normales Smartphone sei wesentlich leistungsfähiger als die Computersysteme, die im Cockpit relevante Angaben sammeln, schrieb ein Kommentator des britischen Guardian unmittelbar nachdem MH370 im März verschwunden war. Zwar übertragen Transponder regelmäßig die Position des Flugzeugs, doch sie funktionieren nur mit Radar.

Bereits nach dem Absturz einer Air France Maschine vor Brasilien im Jahr 2009 kam deshalb die Forderung auf, Flugdaten aus dem Cockpit per Satellit automatisch an eine Bodenstation zu übertragen. So wären Aufzeichungen über die Leistung der Triebwerke, die elektronischen Systeme an Bord, die Flugmanöver des Piloten und das korrekte Arbeiten des Autopilots zeitnah verfügbar. Diese Daten würden es im Falle einer Katastrophe erlauben, bereits vor Auffinden der Flugschreiber mit der umfassenden Analyse zu beginnen. Außerdem wüssten die Bergungsmannschaften sofort, wo sich die Absturzstelle befindet, könnten viel schneller helfen und möglicherweise Leben retten.

Doch viele Airlines scheuen die Kosten, die ein solches System bei weltweit täglich mehr als 20 000 kommerziellen Flügen verursachen würde. Eine Möglichkeit wäre es, nicht permanent Daten zu übertragen, sondern nur dann, wenn es an Bord zu einer Notsituation kommt. Genau das macht ein kleines Gerät, das nach einem Bericht der Washington Post die kanadische Firma Flyht Aerospace Solutions entwickelt hat und das jetzt in den Maschinen der kanadischen First Air erstmals zum Einsatz kommt.

Wenn an Bord alles normal läuft, unternimmt das System: gar nichts. Doch wenn es zum Beispiel zu einer abrupten Höhenänderung kommt oder die Triebwerksleistung rapide abfällt, zeichnet das System die Daten auf und überträgt sie per Satellit - und das jede Sekunde.

Das Gerät ist gerade mal so groß wie ein normaler Hotelsafe, doch der Einbau kostet 120 000 US-Dollar pro Flugzeug, hinzu kommen die Kosten für die Wartung und die Ausbildung der Piloten - Kosten, die gerade Airlines mit großen Flotten scheuen.

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