"Queen Mary II"-Unglück:Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft

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Erst am Freitag hatte ein Spezialunternehmen eine Brücke zum größten Passagierschiff der Welt installiert. Als am Samstag eine Besuchergruppe die "Queen Mary II" im französischen Saint-Nazaire besichtigen wollte, stürzte die Gangway ein. Bisher starben mindestens 15 Menschen, 32 sind zum Teil schwer verletzt.

Tragödie am Traumschiff "Queen Mary 2": Bei einer Besichtigung des weltgrößten Passagierschiffs stürzten am Samstag mindestens 16 Menschen in 5den Tod. Einen Tag nach dem Unfall im Trockendock von Saint-Nazaire an der französischen Atlantikküste rangen die Ärzte weiter verzweifelt um das Leben von mehreren Schwerverletzten.

Zur Katastrophe kam es, als eine Landungsbrücke, auf der sich etwa 40 Besucher befanden, rund 20 Meter in die Tiefe stürzte. Der gigantische Ozeanliner mit 345 Meter Länge soll bereits in acht Wochen die Jungfernfahrt antreten.

"Die ganze Stadt steht unter Schock", sagte der Bürgermeister von Saint-Nazaire, Joël-Guy Batteux. Die Opfer waren zumeist Angehörige und Freunde von Werftarbeitern, die erstmals zu einer Führung durch die luxuriösen 21 Etagen des eleganten Ozeanliners eingeladen waren.

Grund für den Einsturz unklar

Die Staatsanwaltschaft leitete am Sonntag Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung ein. Warum die Brücke einstürzte, war allerdings noch unklar. Die Bewohner strömten am Tag nach dem Unglück zur Notkapelle auf dem Werftgelände, um von den dort aufgebahrten Toten Abschied nehmen.

"Jeder kannte jemanden, der in der Werft gearbeitet hat", sagte eine Zeitungsverkäuferin. Viele steckten Blumen an die Absperrungsgitter. "In einigen Wochen wollten wir den fertigen Bau des Schiffes groß feiern, jetzt müssen wir Trauerflor tragen", sagte eine Krankenschwester, die einige der 30 Verletzten betreute. "Es war für uns das schönste Schiff der Welt, an dem geschuftet wurde, um es rechtzeitig fertig stellen. Jetzt können wir nur an das schreckliche Ereignis denken", meinte ein 64-jähriger Pensionär.

Auch einen Tag nach dem Unglück war völlig unklar, wie der 10 Meter lange und 1,50 Meter breite Metallsteg nachgeben konnte. Am Sonntag waren ein Untersuchungsrichter und ein Experte vor Ort. Geklärt werden soll unter anderem, ob die Brücke stabil genug und ob sie richtig befestigt war. Der Leiter der Werft "Les Chantiers de l'Atlantique", Patrick Boissier, wies Spekulationen über eine mögliche Unfallursache zurück. "Es ist noch zu früh, um zu irgendwelchen Schlüssen zu kommen", sagte er.

Der französische Präsident Jacques Chirac und Premierminister Jean-Pierre Raffarin trafen am Sonntag in Saint-Nazaire ein, um den Toten eine letzte Ehrung zu erweisen und die Verletzten in den Krankenhäusern zu besuchen. Als Zeichen der Trauer bleibt die Werft am Montag geschlossen.

Keine spezielle Besucherbrücke

Die Brücke war am Tag vor dem Unglück installiert worden. Mehrere hundert Angestellten hatten sie ohne Zwischenfälle benutzt, bevor es zur Katastrophe kam. Es habe sich um eine Baustellen-Brücke für einen industriellen Einsatz gehandelt, sagte der Sprecher des Alstom- Konzerns, Philippe Bouquet-Nadaud. Die Brücke sei nicht speziell für Besucher gedacht gewesen. Tausende Werft-Angestellte hätten ähnliche Brücken bei den Arbeiten an der "Queen Mary II" mehrmals täglich benutzt. Das Luxusschiff soll im Dezember nach Großbritannien auslaufen, um dort am 8. Januar von Königin Elizabeth II. getauft zu werden.

Bei den Opfern handelte es sich um Reinigungspersonal sowie Familienangehörige und Freunde von Arbeitern, die das 345 Meter lange Kreuzfahrtschiff der Superlative wenige Wochen vor der Auslieferung an die Cunard-Reederei besichtigen wollten. Unter den Toten sei ein etwa zehn Jahre altes Kind, teilte der Personalchef der Alstom-Werft Chantiers de l'Atlantique, Philippe Bouquet-Nadaud, mit.

Die Staatsanwaltschaft sprach zunächst nur von 15 Todesopfern. Zwei der Verletzten konnten das Krankenhaus verlassen. Die Werft hatte zuvor von 16 Todesopfern gesprochen, korrigierte diese Angabe aber später auf 15.

Den Rettungskräften zufolge ereignete sich das Unglück am Samstag gegen 14.15 Uhr, als der am Vortag von einer Spezialfirma zwischen dem 72 Meter hohen Luxusliner und dem Kai montierte etwa zehn Meter lange Metallsteg zusammenbrach. Augenzeugen berichteten der Zeitung Le Parisien, die Gangway sei nicht in der Mitte gebrochen, sondern sei plötzlich in die Tiefe gekippt. Zwölf Menschen waren sofort tot, vier starben in Krankenhäusern. Am Fuß des Ozeanriesen wurde ein Notlazarett eingerichtet, in der Nähe eine Leichenhalle.

Die "Queen Mary II" ist auch das teuerste Passagierschiff der Welt. Die französische Alstom-Werft erhielt den Bauauftrag in Höhe von rund 870 Millionen Euro vor drei Jahren. Das 150.000-Tonnen-Schiff war am Dienstag von einer zweiten Testfahrt auf See zurückgekehrt; die erste fand im September statt.

Jungfernfahrt trotzdem für Januar geplant

Es soll kurz vor Weihnachten in seinen Heimathafen Southampton auslaufen und dort am 8. Januar von der britischen Königin Elizabeth II. Getauft werden. Am 12. Januar beginnt die Jungfernfahrt der "Queen Mary II" nach Fort Lauderdale in Florida. Der Zeitplan solle trotz des Unfalls eingehalten werden, berichtete das französische Fernsehen.

Mit ihrem neuen Flaggschiff, angetrieben von 157.000 PS starken Maschinen, setzt die britische Cunard-Reederei neue Maßstäbe bei Luxus und Komfort: Die "Queen Mary II" hat ein Planetarium an Bord, verfügt über 22 Aufzüge und die größte schwimmende Bibliothek der Welt. Der nach Cunard-Angaben 870 Millionen Euro teure Luxusliner übertrifft mit 345 Meter Länge das bisherige Flaggschiff der Traditionsreederei, die "Queen Elizabeth II", um gut 50 Meter und die Titanic" um 76 Meter.

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