Prozessbeginn:Totgetreten, mitten in Berlin

Ein Albaner soll einen jungen Touristen aus Israel umgebracht haben.

Von Jens Schneider, Berlin

Die Verlesung der Anklage dauert wenige Minuten. Es ist fast nichts bekannt über die Tat, die zum Tod von Yosi D. führte. Die Staatsanwaltschaft kennt das Datum des Totschlags, die Uhrzeit ungefähr. Er geschah am frühen Abend des Karsamstags in diesem Jahr. Der Tatort lag mitten in Berlin, wenige Schritte vom Alexanderplatz entfernt, und doch abgeschieden. In der Ruine der Franziskaner Klosterkirche wurde der 22 Jahre alte Israeli Yosi D. an jenem Tag mit Tritten gegen den Kopf so brutal verletzt, dass er bald darauf starb. Wie es zu der Tat kam, auch über mögliche Motive weiß die Staatsanwaltschaft so wenig wie zum Tathergang. Nun hat am Landgericht Berlin in Moabit der Prozess gegen einen 28 Jahre alten Albaner begonnen.

Der junge Mann, der seit seiner Kindheit in Detroit in den USA lebte, soll für die Tat verantwortlich sein. Der Tod des jungen Israeli hatte Anfang April Anteilnahme und Entsetzen hervorgerufen. Es gibt eine große israelische Gemeinde in Berlin, die Stadt zieht besonders junge Leute aus Israel an, oft Studenten und auch Künstler. Viele sind nach Berlin gezogen, viel mehr noch kommen als Touristen in die Hauptstadt, so wie Yosi D.

Der junge Israeli hatte Deutschland seit einigen Wochen bereist und war wenige Tage vor seinem Tod in Berlin angekommen. Als ihm Handy und Geld gestohlen worden waren, bat er die Israelische Botschaft um Hilfe. Auch fand er Unterstützung im Chabad-Zentrum am Alexanderplatz, man besorgte ihm eine Bleibe in einem Hostel am Alexanderplatz. Er wollte bald nach Hause fliegen, hieß es im April.

Im Hostel sollen Yosi D. und der 28 Jahre alte Angeklagte sich kennengelernt haben. Der Albaner übernachtete dort ebenfalls. Auch er war, wie sein Anwalt nach dem Prozessauftakt berichtet, als Besucher nach Berlin gekommen, für wenige Tage, weil ihm hier ein Job in einem Restaurant angeboten worden war. Den Angaben des Anwalts zufolge lebte der 28-Jährige seit seinem zweiten Lebensjahr in den USA, hatte dort als Küchenchef gearbeitet, zeitweise ein eigenes Restaurant gehabt. Weil es Probleme mit der Green Card gegeben habe, sei er vorübergehend ausgereist.

An jenem Karsamstag wurden die beiden jungen Männer gesehen, als sie zusammen das Hostel verließen. Bald darauf starb Yosi D., sein Begleiter war verschwunden. Er wurde europaweit gesucht und sechs Tage nach der Tat in Tschechien festgenommen. Bisher äußerte er sich nicht zu den Vorwürfen. Nach dem Prozessauftakt wurde das Verfahren schnell wieder unterbrochen. Das Gericht beriet auf Antrag des Verteidigers darüber, wie hoch die Strafe ausfallen könnte, falls der Angeklagte ein Geständnis ablegt. Es stellte ein Strafmaß zwischen sieben und zehn Jahren in Aussicht. Das entsprach den Vorstellungen der Staatsanwältin. Nun wird sich beim nächsten Prozesstag Anfang Januar zeigen, ob der Angeklagte offenbart, wie und warum Yosi D. starb.

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