Prozessauftakt in Bielefeld:81-facher versuchter Mord

Schwer bewaffnet und vermutlich auf Rachefeldzug drang Horst A. in den Gemeindesaal der Zeugen Jehovas ein. Vor Gericht zeigt er Bedauern - und schweigt zum Motiv.

Eine Maschinenpistole, Munition und ein Messer hat Horst A. dabei, als er am späten Abend des 30. Juli 2009 mit Schal und Mütze vermummt den Gemeindesaal der Zeugen Jehovas in Bielefeld-Sennestadt betritt. Ein Wärter entdeckt den Rentner, die gewarnten Gottesdienstbesucher flüchten durch den Hintereingang. Zwei Gemeindemitglieder können Horst A. überwältigen. In seinem Auto findet die Polizei später weitere Waffen: ein Samuraischwert, einen sogenannten Totschläger, ein Jagdmesser und einen Benzinkanister.

Prozessauftakt in Bielefeld: Noch ist unklar, was Horst A. im Juli 2009 vorhatte. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 83-Jährigen versuchten Mord vor.

Noch ist unklar, was Horst A. im Juli 2009 vorhatte. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 83-Jährigen versuchten Mord vor.

(Foto: Foto: dpa)

Die Frage, was der 83-Jährige damals vorhatte, ob er den Gemeindemitgliedern einen Schrecken einjagen oder tatsächlich ein Blutbad anrichten wollte, dieser geht jetzt das Bielefelder Landgericht nach.

Entfremdung als Mordmotiv

Die Anklage wirft dem ehemaligen Justizvollzugsbeamten 81-fachen versuchten Mord vor. Er soll versucht haben, möglichst viele der Anwesenden "heimtückisch zu erschießen." Das Vorhaben sei nur gescheitert, weil die Technik der Pistole versagt habe.

Als Mordmotiv vermutet Staatsanwalt Klaus Metzler Rache: Horst A. soll die umstrittene Glaubensgemeinschaft für die Entfremdung zwischen ihm und seiner Tochter verantwortlich machen. Zudem missbillige er ihre Bibelauslegung zutiefst.

Die Tochter des Angeklagten ist seit Jahrzehnten bekennende Anhängerin der Zeugen Jehovas. Der Verteidiger, Werner Robbers, sagte vor Prozessbeginn jedoch, Vater und Tochter hätten guten Kontakt.

Auch der Nebenkläger, Matthias Tews, ein Mitglied der Zeugen Jehovas, widersprach der These von der Entfremdung. Vater und Tochter hätten sich durchaus immer wieder gesehen. "Zwei Wochen vor dem Anschlag hat sich die Familie zu Kaffee und Kuchen getroffen." Es habe auch andere Treffen und Briefkontakt gegeben, sagte er am Rande der Verhandlung. Tews hatte laut eigenen Angaben den Angeklagten vor dem Abend des 30. Juli 2009 vorher nie getroffen.

Die Tochter sei nicht in dieser Gemeinde gewesen. Tews war an dem Tatabend in dem Königreichssaal der Zeugen Jehovas in Bielefeld-Sennestadt. "Der Angeklagte hat die Waffe auf mich gerichtet", berichtete er noch sichtlich geschockt.

Er sei selber erschrocken gewesen, welche Panik er an dem Abend ausgelöst habe, sagte der Angeklagte in seiner kurzen Erklärung der Richterin: "Ich bitte, meine Entschuldigung anzunehmen." Zu den Absichten und Motiven - warum er die Waffen bei sich trug und was er damit vorhatte, dazu schwieg Horst A. beim Prozessauftakt.

Licht ins Dunkel könnte die Fortsetzung des Prozesses ab dem 4. Februar bringen. Das Bielefelder Landgericht hat bis Mitte April sieben Verhandlungstage angesetzt

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