Prozess:Wozu das Sexspielzeug?

Im Missbrauchs-Prozess gegen den Bamberger Chefarzt fordert die Anklage 15 Jahre Haft - die Verteidigung wehrt sich heftig.

Von Annette Ramelsberger, Bamberg

Der Mann ist angeklagt wegen gefährlicher Körperverletzung, wegen Missbrauchs und zum Teil wegen Vergewaltigung von zwölf Frauen, zudem wegen Störung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Videoaufnahmen. Seit eineinhalb Jahren wird vor dem Landgericht Bamberg gegen den früheren Chefarzt und Venenexperten Heinz W. verhandelt. Er soll Patientinnen und Mitarbeiterinnen des Klinikums Bamberg unter dem Vorwand, er mache eine Studie über Venenleiden, narkotisiert und dann an ihrem Körper manipuliert haben.

Am Mittwoch forderte die Staatsanwaltschaft 15 Jahre Haft für ihn, das ist die Höchststrafe für Vergewaltigung - obwohl es in keinem einzigen Fall zum Geschlechtsverkehr gekommen war und die Frauen erst durch die Polizei von dem Missbrauch erfahren hatten. Außerdem forderte Oberstaatsanwalt Bernhard Lieb ein lebenslanges Berufsverbot. Die Verteidigung nannte die Forderung am Rande des Prozesses "eine Machtdemonstration", die zeigen solle, dass ein Angeklagter, der sich heftig verteidigt, erst recht bestraft werde.

Der Oberstaatsanwalt verschärfte die Vorwürfe gegen den Angeklagten sogar noch

In diesem Prozess sitzt kein reuiger Angeklagter. Hier sitzt einer, der seit 68 Verhandlungstagen kämpft - gegen die Anklagevorwürfe, gegen den tiefen Fall vom Chefarzt, angesehenen Bürger und Familienvater zum Untersuchungshäftling. Der mittlerweile 51 Jahre alte Heinz W. hat vor Gericht Vorträge über Venenheilkunde gehalten, oftmals glichen die Prozesstage medizinischen Vorlesungen. Immer wieder wurden Bilder in Augenschein genommen: Bilder von weiblichen Geschlechtsorganen, die der Arzt mit seinem wissenschaftlichem Interesse erklärt, während die Anklage darin sexuelle Motive erblickt. Oft wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

Auch beim Plädoyer durfte niemand in den Saal - um die Intimsphäre des Angeklagten und der Nebenklägerinnen nicht zu verletzen. Gerichtssprecher Leander Brößler informierte danach über die wichtigsten Argumente der Anklage. Offenbar ließ sich der Oberstaatsanwalt durch die Erklärungen der Verteidigung nicht beeindrucken. Er verschärfte in seinem Plädoyer die Anklagevorwürfe sogar noch, von einfacher zu schwerer Vergewaltigung. Der Arzt soll den bewusstlosen Patientinnen Sexspielzeug eingeführt haben. Das Eindringen damit in den Körper wertete der Staatsanwalt als Vergewaltigung, die Betäubung davor als strafverschärfend.

Der Staatsanwalt nannte Heinz W. "zielstrebig, überdurchschnittlich intelligent, fleißig", aber der Arzt überschätze sich auch selbst. Er habe am Anfang gedacht, man könne ihm die Taten nicht nachweisen und sich für unangreifbar gehalten. Er habe geglaubt, er könne die Taten "unter dem Deckmantel medizinischer Erklärungen verstecken". Die Studie, mit der W. seine Untersuchungen der Patientinnen erklärte, habe es nie gegeben.

Für den Staatsanwalt ist der sexuelle Bezug der Taten klar: Warum verwendete der Arzt Sexspielzeug und nicht die in der Klinik vorhandenen medizinischen Glaszylinder? Der Arzt habe das "uneingeschränkte Vertrauen zum Chefarzt missbraucht". Kommende Woche plädiert die Verteidigung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: