Prozess wegen Kostüm:Hey, Püppi Langstrumpf!

Pippi Langstrumpf

Pippi gegen Penny: Das Original bleibt laut BGH das Original.

(Foto: dpa)

Darf man sich noch als Pippi Langstrumpf verkleiden? Der BGH weist Lizenz-Forderungen für ein Karnevalskostüm gegen einen Discounter zurück.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Marketing ist ja letztlich ein Wettbewerb um Aufmerksamkeit, also um ein Gut, bei dem es wahrscheinlich noch knapper zugeht als bei den weltweiten Rohölreserven. Deshalb spielen Prominente in der Werbung eine immer wichtigere Rolle. Aber weil die Stars der Film- und Showbranche ziemlich teuer sind, liegt es nahe, sich auf andere - virtuelle - Promis zu verlegen. Winnetou zum Beispiel: Vor einem EU-Gericht ist derzeit ein Streit darüber anhängig, wer eigentlich die Markenrechte an dem edlen Häuptling für sich beanspruchen kann.

Etwas in der Art wird die Penny Markt GmbH im Sinn gehabt haben, als sie im Januar 2010 Pippi-Langstrumpf-Karnevalskostüme in die Regale räumte, beworben mit 16 Millionen Prospekten; das Produkt hieß dann etwas verschämt "Püppi" und kostete 5,99 Euro für das Kindermodell, 9,99 Euro für die Erwachsenenversion. 15 000 Stück hat Penny verkauft. Pippi, vom Wesen her eher großzügig, wird schon nichts dagegen haben, mag man sich gedacht haben.

Penny-Püppi hat mit Pippi wenig gemein

Hatte sie doch, respektive die Saltkråkan Gesellschaft aus Lidingö nahe Stockholm, die die Urheberrechte der Autorin Astrid Lindgren innehat. Über die 50 000-Euro-Klage gegen Penny hat an diesem Donnerstag der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe verhandelt. Axel Rinkler, Anwalt der Firma, wollte das starke Mädchen aus der Villa Kunterbunt gar auf eine Stufe mit den Promis aus der wirklichen Welt stellen, die sich bekanntermaßen gegen ihre Vermarktung zur Wehr setzen können. "Das ist doch nicht viel anders als bei einer Kunstfigur, der so viel Leben eingehaucht wurde, dass sie kommerziell nutzbar ist."

Der BGH dagegen wies die Klage ab - wie übrigens schon vor zwei Jahren, als er über den ersten Teil des Verfahrens zu entscheiden hatte. Zwar ist es aus Sicht des BGH-Wettbewerbssenats durchaus denkbar, dass die Inhaber der Rechte an solchen Büchern mithilfe von Urheber- oder Wettbewerbsrecht gegen eine werkgetreuen Nachbildung einer Romanfigur vorgehen können. Anders ausgedrückt: Selbst wenn die literarischen Helden - wie das in der Welt des Merchandising freilich häufig der Fall ist - nicht als Marke eingetragen sind, können der Autor oder dessen Erben ihre kommerzielle Zweckentfremdung unterbinden. Wenigstens theoretisch.

In der Praxis hat der BGH dann doch die Tür für eine zumindest schemenartige Nachbildung der literarischen Vorbilder geöffnet. Penny-Püppi hatte nämlich, wenn man genau hinschaute, mit der wirklichen Pippi wenig gemein. Astrid Lindgren hatte ihre anarchische Heldin ja detailliert beschrieben: karottenfarbenes Haar, abstehende Zöpfe, Kartoffelnase mit Sommersprossen, gelbes Kleid mit blauer, weiß gepunkteter Hose drunter, ein schwarzer und ein geringelter Strumpf. Und schwarze Schuhe, "die genau doppelt so groß waren wie ihre Füße".

Im Penny-Prospekt war davon "letztlich nur noch die rote Perücke mit den abstehenden Zöpfen" übrig, wie der Senatsvorsitzende Wolfgang Büscher anmerkte. Und ein bisschen Ringelgestrümpf. Weil die Kleidung im Falle Langstrumpf unübersehbar Spiegel des Charakters sein sollte, war das eben nicht Pippi, sondern nur Püppi. Oder wie es Penny-Anwalt Thomas von Plehwe formulierte: "Wenn die Socken verschieden sind, dann drückt das eine gewisse Individualität aus."

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