Prozess um schwarzen Donnerstag:Polizisten weisen Vorwürfe wegen Stuttgart-21-Einsatz zurück

Wasserwerfer im Schlossgarten, schwer verletzte Demonstranten: Knapp vier Jahre nach dem umstrittenen Einsatz gegen die Stuttgart-21-Proteste stehen zwei Polizeiführer vor Gericht. Sie bedauern die Verletzungen, sehen die Schuld jedoch nicht bei sich.

  • Prozess um Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner hat begonnen
  • Einsatzleitern wird fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen
  • Verteidigung verweist auf Genehmigung des Einsatzes und gestörten Funkkontakt

Darum geht es im Prozess

Knapp vier Jahre nach dem umstrittenen Einsatz von Wasserwerfern bei den Protesten gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 hat der Prozess gegen zwei Einsatzleiter der Polizei begonnen. Die beiden Angeklagten, die das Kommando über die Wasserwerferstaffel im fraglichen Abschnitt des Einsatzgebietes hatten, müssen sich seit Dienstag vor dem Landgericht Stuttgart wegen fahrlässiger Körperverletzung im Amt verantworten.

Am sogenannten Schwarzen Donnerstag, dem 30. September 2010, waren bei Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten mehr als 100 Menschen zum Teil schwer verletzt worden. Die Polizei ging zur Räumung eines Areals im Schlossgarten nahe dem Hauptbahnhof massiv mit Wasserwerfern gegen die Stuttgart-21-Gegner vor.

Das sagt die Anklage

Die beiden angeklagten Polizisten werden beschuldigt, als Einsatzabschnittsleiter ihre Sorgfaltspflicht verletzt zu haben. Die Anklage wirft ihnen vor, ihnen unterstellte Besatzungen zweier Wasserwerfer nicht daran gehindert oder sogar angeordnet zu haben, immer wieder mit heftigen Wasserstrahlen gegen die Demonstranten vorzugehen. Der Anklageschrift zufolge hatte der damalige Polizeipräsident Siegfried Stumpf den Wasserwerfereinsatz freigegeben - allerdings mit der Auflage, nur sanfteren Wasserregen einzusetzen.

Das sagt die Verteidigung

In einer von ihrem Verteidiger verlesenen Erklärung bedauerten die beiden 41 und 48 Jahre alten Beamten die schweren Verletzungen mehrerer Demonstranten bei den Zusammenstößen im Schlossgarten. Den Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung wiesen sie jedoch zurück.

Während des Polizeieinsatzes hätten sie keine Informationen über Verletzungen durch massive Wasserstöße gehabt, sagte der Verteidiger Olaf Hohmann. Durch einen ausgefallenen Funkkanal seien keine Nachrichten zu den beiden Einsatzleitern durchgedrungen. Deswegen hätten sie keinen Anlass gesehen, einzugreifen. Verstöße der ihnen unterstellten Polizisten hätten sie nicht wahrgenommen. Der Verteidigung zufolge sei der Einsatz grundsätzlich genehmigt worden - ohne weitere Einschränkung. Der Anwalt der Polizisten betonte, sie hätten Schlagstockeinsätze abgelehnt und - sensiblisiert durch die Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg wenige Monate zuvor - eine Massenpanik im Schlossgarten verhindern wollen.

Der bei dem eskalierten Polizeieinsatz schwer verletzte Rentner Dietrich Wagner bezeichnete die angeklagten Polizisten als Bauernopfer. Sie seien nicht die wirklich Schuldigen. Wagner war bei dem Polizeieinsatz an den Augen verletzt worden und ist seither fast erblindet. In dem Verweis auf mangelnde Informationen sieht er allerdings eine wenig glaubhafte Schutzbehauptung.

So geht es weiter

Die Atmosphäre am ersten Verhandlungstag war trotz der Anwesenheit zahlreicher Stuttgart-21-Gegner ruhig und sachlich. Ein Raunen ging allerdings durch den Saal, als die teils schweren Verletzungen der Nebenkläger verlesen wurden, die etwa Augapfelprellungen und Risse in den Wangen erlitten hatten. Aufwändige Sicherheitsmaßnahmen begleiteten den Prozess.

Nach Aufnahme der Personalien und der Verlesung von Anklageschrift und Erklärung der Angeklagten wurde der Prozess auf Mittwoch vertagt. Insgesamt sind mindestens zehn Verhandlungstage angesetzt. Beobachter rechnen mit einer langwierigen Beweisaufnahme und erwarten ein Urteil erst in einigen Monaten.

Umstritten ist, welchen Einfluss der Ex-Regierungschef von Baden-Württemberg, Stefan Mappus (CDU), auf das harte Vorgehen der Polizei hatte. Damit befasst sich derzeit ein Untersuchungsausschuss.

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