Prozess um gepanschten Alkohol:Keiner will's gewesen sein

Prozessauftakt in Antalya: Gepanschter Alkohol kostete drei deutsche Schüler im Türkeiurlaub das Leben. Den Männern, die ihnen Alkohol verkauften, drohen 75 Jahre Haft.

Auf Klassenfahrt im Ferienparadies: Für viele Schüler gehört Alkohol ebenso selbstverständlich dazu wie Sand, Strand und Meer. Eine feuchtfröhliche Zeit wollte auch eine Lübecker Berufsschulgruppe im März 2009 im südtürkischen Badeort Kemer verbringen. Doch der vermeintliche Wodka, den die Schüler sich im "Anatolia Beach Hotel" einverleibten, enthielt giftigen Methylalkohol. Drei junge Männer starben. Vier weitere erlitten Verletzungen.

Prozess um gepanschten Alkohol: Der deutsche Anwalt Frack Eckhard Brand vertritt beim Prozess in Antalya die Angehörigen der Opfer.

Der deutsche Anwalt Frack Eckhard Brand vertritt beim Prozess in Antalya die Angehörigen der Opfer.

(Foto: Foto: dpa)

Zum ersten Prozesstag im türkischen Antalya hat die Staatsanwaltschaft Haftstrafen von bis zu 75 Jahren für die Alkoholpanscher gefordert, 25 Jahre pro Todesfall. Vor dem Schwurgericht der südtürkischen Stadt Antalya sitzen elf Männer und zwei Frauen auf der Anklagebank. Sie müssen sich wegen Totschlags, versuchten Totschlags und Verstoßes gegen das Alkohol-Gesetz verantworten.

"Einwandfreie Ware"

Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass der giftige Wodka aus Beständen der Akohollieferanten des Hotels, den Brüdern Cengiz und Halil E., stammte. Cengiz E. wies den Vorwurf zurück und sagte, das Hotel habe alkoholische Getränke noch von vier oder fünf weiteren Händlern bezogen. Seine Ware sei einwandfrei gewesen. Mit Blick auf frühere Panscher-Vorwürfe, die vor einigen Jahren gegen ihn erhoben worden waren, betonte E., er sei damals als freier Mann aus der Untersuchungshaft entlassen worden.

Neben den Brüdern sitzen deren Ehefrauen sowie der Chefeinkäufer des "Anatolia" als Hauptangeklagte in Untersuchungshaft. Fünf weitere Hotelmitarbeiter sind ebenfalls angeklagt, befinden sich aber auf freiem Fuß.

Der Anwalt der Hotelangestellten, Hakan Evcin, äußerte Zweifel an der Darstellung der Anklage. Bei der Obduktion von zwei der drei Toten sei kein Methanol festgestellt worden, sagte er. Sie seien möglicherweise nicht an den Folgen des Alkoholkonsums gestorben, sondern durch eine falsche Behandlung im Krankenhaus.

Ohnehin, fügte der Verteidiger an, sei das Hotel nicht dafür verantwortlich, dass die Deutschen schwarzgebrannten Alkohol getrunken hätten: Das Hotel habe den Schnaps legal gekauft und sei davon ausgegangen, dass er in Ordnung sei.

Hotel umbenannt

Am Prozessauftakt nahmen auch Angehörige der deutschen Opfer teil. Der Lübecker Anwalt Frank Eckard Brand sagte laut Anadolu, die Verwandten der Opfer wollten sich davon überzeugen, dass das Verfahren ernsthaft betrieben werde.

Die Lübecker Staatsanwaltschaft hatte den Fall bereits im Sommer an die türkischen Behörden abgegeben. Die Ermittlungen gegen den Lehrer, der die Schüler auf der Reise begleitet hatte, waren im Juli eingestellt worden. Es habe keine Hinweise auf unterlassene Hilfeleistung oder fahrlässige Tötung durch Unterlassen gegeben, hieß es.

Das "Anatolia Beach Hotel" ist nach Angaben eines Mitarbeiters inzwischen verkauft worden und heißt nun "Arma's Beach Hotel". Das Haus sei derzeit geschlossen und werde auf die Sommersaison vorbereitet sagte ein Rezeptionist des Hotels auf Anfrage.

Trinkalkohol zum Verwechseln ähnlich

Immer wieder tauchen im türkischen Handel mit Methanol vermischter Raki oder Wodka auf, immer wieder sterben Menschen an ihrem Konsum. Methanol ist die einfachste chemische Verbindung aus der Reihe der Alkohole.

Die farblose Flüssigkeit ist giftig, kann zur Erblindung führen und kann leicht mit Ethanol, dem trinkbaren Alkohol, verwechselt werden. Bereits wenige getrunkene Milliliter Methanol können zu einer Vergiftung führen. Diese äußert sich in Schwindel, Kopfschmerzen, Rausch, Übelkeit und Sehstörungen oder gar Bewusstlosigkeit und Atemstillstand. Die tödliche Dosis liegt zwischen 30 und 100 Millilitern. Das Einatmen von Methanol ist ebenfalls gefährlich. Auch über die Haut kann das Gift in den Körper gelangen und Nieren, Leber, Herz sowie andere Organe schädigen.

Auch in privat gebrannten Schnäpsen ist der Stoff manchmal enthalten, weil die Herstellung nicht fachgerecht erfolgte. Methanol ist ein wichtiges Grundprodukt der chemischen Industrie und wird auch als Lösungsmittel, Frostschutzmittel und Treibstoff verwendet. In der Natur kommt Methanol in bestimmten Früchten, Baumwollpflanzen und verschiedenen Gräsern vor.

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