Prozess um falschen Hilfsverein in Landshut:Angeklagter schweigt zu Missbrauchsvorwürfen

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Er soll unter dem Deckmantel der humanitären Hilfe Kinder in Haiti missbraucht und sogar einen Jungen illegal nach Deutschland eingeschleust haben: Doch zu Prozessbeginn schweigt der 58-jährige Berliner.

Die Vorwürfe gegen den Angeklagten wiegen schwer: sexueller Kindesmissbrauch, Vergewaltigung und Menschenhandel. Doch der 58-Jährige schweigt zum Prozessauftakt vor dem Landgericht Landshut. Mehrfach soll er Jungen sexuell missbraucht und einen von ihnen gemeinsam mit einem Komplizen aus Haiti illegal nach Deutschland gebracht haben. Am Flughafen München flog der Berliner auf.

Laut Staatsanwaltschaft gründete der Ingenieur und Projektmanager eine angebliche Hilfsorganisation, um leichter Kontakte zu Jungen knüpfen und seine pädophilen Neigungen ausleben zu können. Die Anklage lautet unter anderem auf schweren Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und mehrfachen schweren sexuellen Kindesmissbrauch zum Teil mit Vergewaltigung. Dem Mann wird außerdem Anstiftung zum versuchten Einschleusen von Ausländern vorgeworfen.

Vor Gericht steht auch ein 27-jähriger Brasilianer. Der Mitangeklagte soll dem eingeschleusten Kind einen falschen Ausweis verschafft und ihn als seinen Sohn ausgegeben haben. Außerdem wird ihm Beihilfe zu Menschenhandel vorgeworfen.

Die beiden Männer wurden im Februar am Flughafen München geschnappt, als sie den Jungen nach Deutschland einschleusen wollten. Der Brasilianer gab vor Gericht zu, dem Jungen einen falschen Ausweis besorgt zu haben. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hatte ihm der mutmaßliche Pädophile dafür eine Stelle als Sozialarbeiter versprochen.

Wie ein Vater

Der 27-Jährige beteuerte, von einem Kindesmissbrauch nichts gewusst zu haben. Dem Jungen habe er nur Gutes tun wollen, als er den Pass für ihn besorgt habe, sagte er, den Tränen nahe: "Ich bin schockiert." Der 58-Jährige sei wie ein Vater für ihn gewesen. "Ich habe so viel Respekt vor ihm."

Als Beamte den älteren Mann am Flughafen festnahmen, fanden sie laut Anklage bei ihm mindestens 67 kinderpornografische Bilder. Ihm wird vorgeworfen, auch selbst solche Bilder gemacht zu haben. Von diesen Bildern wusste nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft auch der Brasilianer - entgegen seiner Beteuerungen. Der Berliner wirkte vor Gericht distanziert und gefasst. Immer wieder sichtete er Papiere. Er werde im Prozess wohl noch häufig die Möglichkeit bekommen, eine Aussage zu machen, begründete er sein Schweigen.

Den angeblichen Hilfsverein soll der Hauptangeklagte 2005 in Berlin gegründet haben. Er reiste erstmals im März 2010 nach Haiti, heißt es in der Anklageschrift. In seinem Auftrag sei damals ein Straßenkind angesprochen und in einem angeblichen Kinderheim untergebracht worden. Dort soll der 58-Jährige den Jungen mehrfach sexuell missbraucht haben - und später auch andere Kinder. Auch gegen ein weiteres Mitglied der mutmaßlichen Pädophilen-Bande wird ermittelt - allerdings habe in diesem Fall die Staatsanwaltschaft Stockholm die Ermittlungen übernommen, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft in Berlin. Deutsche Behörden seien nicht zuständig, da der Lehrer schwedischer Staatsbürger sei und die Tat im Ausland stattgefunden habe.

Auf die Spur des Schweden kam die Polizei, als sie die Berliner Wohnung des Hauptangeklagten durchsuchte.

© sueddeutsche.de/dpa/leja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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