Prozess:"Sie halten jetzt einfach mal Ihren Mund"

Prozess um Reker-Attentat

Redselig: Der Angeklagte Frank S. fällt vor Gericht durch Zwischenrufe auf.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Der Reker-Attentäter Frank S. will seine Anwälte loswerden und hemmt den Prozess gegen ihn durch Dauergerede.

Von Annette Ramelsberger, Düsseldorf

Schon wieder redet der Angeklagte dazwischen, schon wieder muss sie ihn ermahnen. Sie macht das freundlich, immer wieder. Richterin Barbara Havliza mag eine strenge Richterin sein, aber sie hat unzweifelhaft Geduld. Gerade verlangt der Angeklagte Frank S., dass ein Rechtsmediziner sich die Verletzungen seiner Opfer ansieht - denn er ist sich sicher, dass er mit seinem kleinen Butterflymesser auf sie eingestochen hat und nicht mit einem 40 Zentimeter langen Dolch. Den will er nur für die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker verwandt haben - an jenem 17. Oktober, als er ihr einen Tag vor der Wahl auf offener Straße in den Hals stach. Deswegen steht er nun vor Gericht. Wegen versuchten Mordes an Reker und vierfacher gefährlicher Körperverletzung an drei Politikerinnen und an Rekers Wahlkampfleiter. Reker hat nur knapp überlebt.

Es ist der vierte Verhandlungstag vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gegen den 44 Jahre alten Frank S. und die Stimme von Richterin Havliza nimmt jenen sehr eigenen Klang einer strapazierten Mutter an, die ihrem Kind zum fünften Mal erklärt, dass sie nicht zaubern kann: "Sie werden vielleicht bemerkt haben, dass das Gericht bemüht ist, alles zu überprüfen." Aber an dem großen Messer sei Blut von drei Menschen gefunden worden. Und die erinnern sich, dass sie von einem großen Dolch verletzt wurden. "Wie von einem Samuraischwert", sagt Rekers Wahlkampfhelfer. Nur der Angeklagte Frank S. sagt, so sei es nicht gewesen. Die Richterin mahnt: "Versuchen Sie mal zu verinnerlichen, dass einen die Erinnerung auch trügen kann."

"Nein", sagt Frank S.

"Dann sind Sie wahrscheinlich der einzige Mensch auf der Welt, bei dem die Erinnerung nicht trügerisch ist. Hören Sie mir zu", redet sie eindringlich, "es wird eine Gerichtsmedizinerin kommen, die das alles überprüft hat, mit welcher Messergröße welche Verletzung entstanden ist."

"Und die ist auch qualifiziert?", fragt Frank S.

"Ich bin weder gewillt noch bereit, mit Ihnen zu diskutieren", sagt die Richterin. "Es ist eine qualifizierte Gerichtsmedizinerin aus Köln." Da verdreht Frank S. die Augen, Köln, da ist für ihn schon wieder alles klar. Dort stecken für ihn alle unter einer Decke und alle wollen ihm Böses. Er will eine Sachverständige, die nicht aus Köln ist. Und dann will er noch etwas: seine Verteidiger loswerden. Schon am Morgen hat er den Fotografen einen Zettel entgegengehalten, auf dem stand: "Suche mutigen ,rechten' Verteidiger, auch für die Revision." Angebote könne man an ihn im Gefängnis richten.

Frank S. ist angeklagt, weil er aus rechtsextremistischer Gesinnung heraus auf Reker eingestochen haben soll. Er sieht in ihr, so sagt er selbst, die Verantwortliche für den Flüchtlingszustrom und die angebliche Überfremdung Deutschlands. Dagegen wollte er protestieren. Aber rechts will er nicht sein, nur ein "wertkonservativer Rebell".

Die Richterin will ihm erklären, dass es nicht so einfach ist, die Verteidiger loszuwerden. Aber Frank S. hört nicht hin, er redet. "Ich habe denen doch allen das Mandat entzogen", ruft er. "Schlucken Sie mal tapfer runter, was ich Ihnen sage", sagt sie. Er habe sich seine Verteidiger ausgesucht. Jetzt müsse er triftige Gründe haben. Nur weil er behaupte, die zwei hätten Teile der Akte an die Presse gegeben, müsse das nicht stimmen. "Sie haben die Verteidiger, die Sie sich gewünscht haben."

"Nee", sagt Frank S..

"Sie halten jetzt einfach mal Ihren Mund, so schwer es Ihnen auch fallen mag", sagt Havliza. Zum ersten Mal wird sie lauter. Seine Anwälte haben es offenbar aufgegeben, ihren Mandanten zu beschwichtigen. Und was war das eigentlich mit diesem Zettel, fragt sie. Warum suche er ausdrücklich einen rechten Verteidiger? "Bei einem Rechten ist halt der Vorteil, dass er schon mal nicht links ist. Ein Rechter hat noch einen gewissen Ehrenkodex. Als rechter Anwalt hat er ja nur Nachteile." Und natürlich: Bitte nicht aus Köln, da habe er so seine Erfahrungen. "Jetzt kommen Sie mal von Ihrem Baum wieder herunter", sagt Havliza. Er müsse einen formellen Antrag stellen auf Entpflichtung seiner Anwälte. Das Gericht sieht bisher keinen Anlass, Frank S.s Wunsch nachzukommen.

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