Prozess:Opfer aus dem "Horrorhaus von Höxter" hatte Todesangst

Mordprozess von Höxter

Wilfried und Angelika W. müssen sich vor dem Landgericht Paderborn wegen gemeinschaftlichem Mordes verantworten.

(Foto: dpa)

Vor Gericht geben sich Angelika und Wilfried W. gegenseitig die Schuld an den brutalen Misshandlungen mehrerer Frauen. Vor Gericht belastet ein Opfer jetzt beide Angeklagte.

Sechs Monate lang habe sie die Quälereien über sich ergehen lassen müssen. So lange lebte die heute 52-jährige Christel P. bei den Angeklagten Angelika und Wilfried W. Im Gegensatz zu zwei anderen Opfern überlebte sie die grausamen Gewalttaten des Paares und wurde nach einem halben Jahr in einen Zug zurück nach Magdeburg gesetzt. Doch sie ist bis heute traumatisiert. Im Prozess vor dem Landgericht Paderborn schildert sie an diesem Dienstag, wie sie die Zeit mit den beiden Angeklagten auf dem als "Horrorhaus" bekannt gewordenen Gehöft im nordrhein-westfälischen Höxter erlebt hat.

Christel P. berichtet an diesem 20. Verhandlungstag, wie die beiden sie immer wieder angegriffen hätten. Unter anderem soll Angelika W. mit Pfefferspray auf sie losgegangen sein. Wilfried W. soll sie mit einer Schaufel vor den Kopf geschlagen haben. "Davon habe ich noch heute Albträume", sagt Christel P. Davon zeuge noch heute eine Narbe auf ihrer Stirn. Beide hätten ihr mit dem Tod gedroht, sodass sie lange Zeit von einer Anzeige bei der Polizei abgesehen habe. Erst als sie vier Jahre später von der Verhaftung der beiden erfuhr, habe sie ihre Meinung geändert.

Jahrelang sollen Angelika und Wilfried W. Frauen in ihr Haus gelockt und brutal misshandelt haben. Zwei Opfer starben an den Folgen der Quälereien. Vor dem Landgericht muss sich das Paar seit vergangenem Oktober wegen gemeinschaftlichen Mordes durch Unterlassen verantworten. An mehreren Prozesstagen haben die beiden Angeklagten bereits ausgesagt - und sich dabei gegenseitig beschuldigt, die Gewalttaten forciert zu haben.

Christel P. zufolge sind beide Angeklagten schuld. "Es waren beide zu gleichen Teilen", sagte sie auf die Frage, wer von ihnen die treibende Kraft bei den Misshandlungen gewesen sei.

Die 52-Jährige war im November 2011 in das Haus in Höxter eingezogen. Die Frau habe sich auf eine Bekanntschaftsanzeige von Wilfried W. gemeldet, hatte die Angeklagte Angelika W. bereits ausgesagt. "Bauer sucht Frau", hieß es da. Und weiter: "Ein netter, zärtlicher Mann sucht eine Frau für eine längere Beziehung." Christel P. fühlte sich offenbar angesprochen und schickte eine SMS. Kurze Zeit später holte Wilfried W. sie in Magdeburg mit einem Lieferwagen ab. Mit dabei: seine angebliche Schwester Angelika W. In dem Haus in Höxter schliefen die drei fortan gemeinsam im Wohnzimmer - dem einzigen beheizten Raum im Haus. Seine zärtliche Fassade ließ Wilfried W. schnell fallen.

Die Misshandlungen begannen mit einem Schlag ins Gesicht. "Nach dieser Backpfeife war mir klar, dass ich wie in einer Gefangenschaft lebe", sagt Christel P. aus. In der Nacht sei es ihr verboten gewessen, die Toilette zu benutzen, sie habe sich mit einer Katze das Katzenklo teilen müssen. Warum sie immer wieder verprügelt worden sei, darauf hat die 52-Jährige vor Gericht keine Antwort.

Auch Angelika W. hatte in ihrer Aussage bereits in Ansätzen geschildert, was Christel P. ertragen musste. Wann immer sie gegen eine von Wilfried W. erlassene Regel verstieß, setzte es Schläge, Tritte, Boxhiebe. Sie musste demnach ihre Hände in Eiswasser stecken, bis sie schmerzten. Sie wurde zur Strafe nackt im Schweinestall angekettet. Die Angeklagte gab auch zu, sich ebenfalls an den Misshandlungen beteiligt zu haben. Doch sei Wilfried W. die treibende Kraft gewesen. Dieser beschrieb sich selbst vor Gericht als Gewaltopfer in seiner Kindheit und bezeichnete seine Exfrau als dominante Person, die ständig in Wutanfälle ausgebrochen sei.

Die Aussage eines weiteren Opfers Anfang Mai lässt darauf schließen, dass die mutmaßlichen Täter mit den Frauen nach einem immer wiederkehrenden Muster umgingen. Demnach mussten diese mit ihrem Geld das Leben von Angelika und Wilfried W. finanzieren, das Haus putzen und kochen. Wenn sie sich nicht an bestimmte Regeln hielten, wurden sie psychisch unter Druck gesetzt und misshandelt.

Der Gesundheitszustand von Christel P. verschlechterte sich in dem halben Jahr rapide. Schließlich wollten Wilfried und Angelika W. die Frau wieder loswerden. Das Paar war sich offenbar seiner Taten bewusst und ließ ihr Opfer vor dem Abschied einen Zettel unterschreiben: "Es ist zwischen uns zu keinem Streit, Körperverletzung, Vergewaltigung oder Angriff gekommen. Wir haben uns im Einvernehmen getrennt. Alle blauen Flecken habe ich mir bei einem Sturz auf der Treppe selbst zugezogen." Wieder zu Hause habe sie vor lauter Angst auf einer Matratze vor der Tür geschlafen und diese mit einem Schrank verbarrikadiert.

Der Prozess wird am 23. Mai fortgesetzt. Ein Urteil gegen die beiden Angeklagten wird frühestens im Herbst erwartet.

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