Prozess nach Busunglück mit 14 Toten:Wunsch nach Entschuldigung bleibt unerfüllt

14 Menschen sterben im September 2010, als auf der A10 bei Berlin ein polnischer Reisebus gegen einen Brückenpfeiler prallt. Mehr als anderthalb Jahre nach dem Unglück muss sich nun eine Autofahrerin vor Gericht verantworten, die das tragische Unglück durch einen Fahrfehler verursacht haben soll. Zum Prozessauftakt enttäuscht die Angeklagte jedoch Opfer und Hinterbliebene.

Schwarz gekleidet betritt sie den Gerichtssaal durch einen Nebeneingang. Eine große Sonnenbrille schützt die 38-Jährige vor Blitzlicht und neugierigen Blicken. Die Frau zittert. Mehr als eineinhalb Jahre nach dem tödlichen Unfall eines polnischen Reisebusses auf der A10 bei Berlin muss sie sich nun Freitag vor dem Landgericht Potsdam verantworten.

Autofahrerin nach Reisebusunglück vor Gericht

14 Passagiere eines polnischen Reisebusses starben im September 2010 bei einem schweren Unfall auf der A10 bei Berlin. Die mutmaßliche Unfallverursacherin muss sich seit diesem Freitag vor Gericht verantworten.

(Foto: dpa)

Die Staatsanwaltschaft wirft der Berlinerin fahrlässige Tötung in 14 Fällen vor: Ein Fahrfehler der Frau soll das Unglück am 26. September 2010 ausgelöst haben, bei dem der Bus bei Schönefeld in Brandenburg gegen einen Brückenpfeiler knallte. Bei dem Unfall starben 14 Menschen, mehr als 30 wurden verletzt. Der Unfall markierte das tragische Ende einer Spanien-Reise von Mitarbeitern des Forstamtes im polnischen Zlocieniec (Falkenburg) und ihren Angehörigen

Trotz der schrecklichen Folgen: Groll hegen die Hinterbliebenen und Überlebenden nicht. "Sie sehen darin alle eine große Tragödie", sagt Rechtsanwalt Wolfgang Vehlow. Er vertritt im Prozess einen 38-Jährigen als Nebenkläger, dessen Ehefrau bei dem Unfall starb. Zudem macht er die Schadenersatzansprüche von knapp 20 Unfallopfern geltend.

"Das ist ein tragisches Geschehen", sagte auch der Busfahrer Grzgorz Jarosz zum Prozessauftakt. Er war bei dem Unfall am Auge verletzt worden. Nach Operationen besteht die Chance, dass er seinen Beruf wieder ausüben kann.

Das Auftreten der Angeklagten enttäuschte jedoch Opfer und polnische Medienvertreter: "Wir hätten uns ein Wort des Bedauerns gewünscht", sagte Vehlow. "Das wäre gut gewesen", äußerte auch Gerold Windfelder, der ein Geschwisterpaar nach dem Tod von deren Eltern vertritt.

Die Autofahrerin hat nach eigener Aussage keine Erinnerungen an den Unfall. Sie könne den Hergang nicht beschreiben, sagte sie vor Gericht. Sie sei mit einer Freundin unterwegs gewesen. "Was danach geschah, weiß ich nicht." Ihre Erinnerung setze erst wieder im Krankenhaus beim Aufwachen ein.

Angeklagte seit dem Unfall arbeitsunfähig

Die Frau war bei dem Unfall selbst verletzt worden, vor allem die psychischen Folgen belasteten sie. Die Angestellte des Berliner Polizeipräsidiums ist seit dem Unfall arbeitsunfähig. Mit zitternder Stimme berichtete sie im Gerichtssaal von Selbstmordgedanken, von ihrer Traumabehandlung. Folgen, die Hinterbliebene und Unfallopfer nachvollziehen können.

Irritiert zeigen diese sich aber über die Tatsache, dass die Angeklagte nach wie vor einen Führerschein besitzt und auch schon wieder Auto gefahren ist. "Das ist ein Versäumnis der Ordnungsbehörden", meint Radoslaw Niecko, Anwalt des Busfahrers. Ihn interessiert besonders der Zeitpunkt, seitdem die Angeklagte wieder am Straßenverkehr teilnimmt.

Einen konkreten Zeitpunkt nennt diese aber nicht. Das Fahren gehöre aber zu den Aufgaben, die ihr die Traumastation gegeben habe. Nach Angaben ihres Verteidigers Carsten C. Hoenig ist es vor allem der Behandlung zu verdanken, dass der Prozess überhaupt möglich ist. "Sie hat lange Wochen dafür gekämpft, sich dem Verfahren stellen zu können", sagt Hoenig. "Sie hat den unbedingten Willen, sich der Verantwortung zu stellen." Doch der Anwalt sagt auch: "Die Behauptung der Staatsanwaltschaft, die Angeklagte habe fahrlässig und schuldhaft gehandelt, muss geprüft werden."

Laut Staatsanwaltschaft muss der Führerschein im vorliegenden Fall nicht zwingend abgenommen werden. Katastrophale Unfallfolgen seien allein kein Grund, erklärt Staatsanwalt Gerd Heininger. Nur wenn sich ein Autofahrer als für den Straßenverkehr ungeeignet zeige, also zum Beispiel betrunken fahre, sei dies zwingend. Das Landgericht hat zunächst fünf Prozesstage geplant. Ein Urteil könnte demnach am 1. Juni gesprochen werden.

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