Prozess in Thailand:Doppelmord am Strand

Two British tourists murdered on Koh Tao

Thailänder beten auf Koh Tao für die ermordeten Briten.

(Foto: dpa)
  • Am Sairee Beach auf Koh Tao laufen Polizisten Patrouille. Im September 2014 wurden hier zwei junge Briten ermordet.
  • Die Ermittler präsentierten nach der Tat zahlreiche Verdächtige. Inzwischen gelten zwei illegale Einwanderer aus Myanmar als Täter. Doch die chaotischen Ermittlungen wurden immer wieder kritisiert.
  • Zum Prozessbeginn am Mittwoch werden zahlreiche Journalisten aus der ganzen Welt erwartet.

Von Anna Fischhaber

Reisende schwärmen von einem Stück Paradies. Eineinhalb Kilometer lang erstreckt sich der weiße Sandstrand am Sairee Beach auf der kleinen Insel Koh Tao im Golf von Thailand. Das türkisblaue Meer ist hier besonders flach, zwischen den Palmen reiht sich eine Bar an die andere - der Strand ist vor allem bei jungen Touristen aus Europa beliebt.

Seit einigen Monaten jedoch laufen Polizisten am Strand Patrouille. In einer der Bars hatten im September 2014 die beiden britischen Urlauber Hannah W., 23, und David M., 24 gefeiert. Am Morgen danach wurden ihre blutüberströmten Leichen am Strand gefunden. Die junge Frau vergewaltigt, wohl mit einer Gartenhacke waren beide Opfer erschlagen worden. Nach wochenlangem Hin und Her präsentierte die thailändische Polizei schließlich die angeblichen Mörder: zwei Migranten aus Myanmar.

An diesem Mittwochmorgen (Ortszeit) soll auf der Nachbarinsel Koh Samui der Prozess gegen die beiden Männer beginnen. Ihnen droht die Todesstrafe, doch beide wollen auf nicht schuldig plädieren, schreibt der britische Guardian. Das öffentliche Interesse ist groß, berichtet Sam Gruber. Der deutsche Journalist lebt seit 17 Jahren in Thailand. Zum Prozess erwartet er bis zu 100 Kollegen, im Gerichtssaal sei aber nur Platz für zehn. Viele zweifeln an den polizeilichen Ermittlungen - und somit an der Schuld der beiden schmächtigen jungen Männer aus Myanmar, die illegal in Thailand gearbeitet hatten.

Theorien zum Tathergang

Die blonde Studentin Hannah W. aus dem nordenglischen Norfolk und der ein Jahr ältere David M. von der Kanalinsel Jersey waren beide mit Freunden auf Koh Tao. Sie sollen sich erst wenige Stunden vor ihrem Tod kennengelernt und gemeinsam die AC-Bar am Sairee Beach verlassen haben. Was genau sie am Strand wollten, dazu gibt es unterschiedliche Theorien.

Die Ermittler glauben, die Touristen hätten ihre Mörder am Strand kennengelernt und sogar gemeinsam noch eine Zigarette geraucht. Später seien sie von den Männern beim Liebesspiel überrascht und angegriffen worden. Sie schlugen demnach zunächst David M. den Schädel ein, dann missbrauchten sie Hannah W. und töteten sie. Bei einem öffentlichen Ortstermin ließen die Ermittler den angeblichen Tatablauf mit viel Theatralik nachstellen.

Two workers from Myanmar, suspected of killing two British tourists on the island of Koh Tao last month, stand during a re-enactment of the alleged crime, on the island

Die Ermittler lassen die beiden Verdächtigen die Tat nachstellen.

(Foto: REUTERS)

Eine andere Theorie lautet: Die Studentin sei mit dem Barpersonal in Streit geraten, David M. habe sie zum Schutz zu ihrem Bungalow begleitet. Erst dort seien die beiden ermordet worden, ihre Leichen wurden später an den Strand gebracht - deshalb habe auch niemand am nachts ziemlich belebten Sairee Beach die Hilferufe gehört.

Täglich neue Verdächtige

Tourists take pictures at the spot where bodies of two killed British tourists were found, on the island of Koh Tao

Touristen machen Fotos von dem ort, wo dir Briten gefunden wurden.

(Foto: REUTERS)

Vor Gericht wird sich das nur schwer rekonstruieren lassen: Nachdem die leblosen Körper der beiden gefunden worden waren, kamen Hunderte Schaulustige zum Leichenfundort. Die Gaffer hätten Spuren zerstört, argwöhnt die Verteidigung.

Chaotische Ermittlungen

Verdächtige wurden in diesem Fall dennoch viele präsentiert: Zunächst gerieten zwei britische Brüder ins Visier der Ermittler, die gemeinsam mit David M. Urlaub gemacht hatten. Dann verhörte die Polizei mehrere aus Myanmar stammende Wanderarbeiter und den Mitarbeiter eines Speedboot-Shuttleservices. Ein Mann aus Schottland wurde von einem Barbesitzer belastet. Schließlich hieß es, der Bruder eines auf Koh Tao bekannten Politikers sowie der Sohn eines weiteren Politikers würden verdächtigt. Beinahe täglich erklärte die Polizei, der Fall sei so gut wie gelöst - und beinahe täglich folgte kurz danach das Dementi.

Währenddessen wuchs der Druck. Schließlich ist der Tourismus eine der wichtigsten Einnahmequellen in Thailand. Aber wer will schon in ein Paradies reisen, wo ein Doppelmörder am Strand Urlaubern auflauert? Nach zwei Wochen sagte Regierungschef General Prayuth Chan-ocha, er glaube Gastarbeiter seien die Schuldigen, wenig später wurden erneut zwei Arbeiter aus Myanmar verhaftet. Sie hätten die Vergewaltigung und den Doppelmord gestanden. Doch wie viel ist das Geständnis, das die Verdächtigen längst widerrufen haben, wirklich wert?

"Wie die Ermittlungen gelaufen sind, das ist höchst peinlich für die Polizei", zitiert die Deutsche Presse-Agentur einen namentlich nicht genannten, ranghohen Beamten in Bangkok. "Aber wir haben alle einen Maulkorb bekommen und dürfen uns nicht äußern."

Zweifel an Beweisen

Hartnäckig halten sich die Gerüchte, das Geständnis der Verdächtigen sei durch Einschüchterungen und Folter zu Stande gekommen. Die Polizei habe gedroht, sie mit Benzin zu übergießen und sie in Brand zu setzen oder sie zu zerstückeln und ihre Körper in einen Fluss zu werfen, behauptete der Vater des einen Verdächtigen. Auch Menschenrechtsorganisationen sind alarmiert. "Die Behörden müssen eine unabhängige und transparente Untersuchung einleiten, um Vorwürfe von Folter und Misshandlung zu prüfen", sagte der Asien-Direktor von Amnesty International, Richard Bennett.

Gastarbeiter aus Myanmar müssten immer wieder als Sündenböcke herhalten, erklärt Andy Hall vom Migrant Worker Rights Network, das sich um solche Arbeiter kümmert, dem britischen Daily Mirror. Die Diskriminierung von Migranten in Thailand könnte die Ermittlungen beeinflusst haben, befürchten Menschenrechtsgruppen. Das Geschäft mit Flüchtlingen aus Myanmar, die oft als Zwangsarbeiter ausgebeutet wurden, lief in Thailand über Jahre gut. Erst unter dem Druck westlicher Staaten hatte die Militärregierung vergangenes Jahr einen Feldzug gegen die Schlepper angekündigt. Mit dem Ergebnis, dass Tausende Flüchtlinge auf dem offenen Meer trieben.

Die Verteidigung der beiden Angeklagten hat nun Thailands führender Menschenrechtsanwalt Nakhon Chomphuchat übernommen. Auch er spricht von Polizeigewalt. Zweifel hat er zudem an der angeblich eindeutigen Spurenlage, berichtet das deutschsprachige Thailand-Portal Der Farang. Den Ermittlern zufolge stimmt die DNA der Angeklagten mit den Spuren am Tatort und an der weiblichen Leiche überein. Bislang habe aber kein unabhängiges gerichtsmedizinisches Institut eine Untersuchung durchgeführt, kritisiert Chomphuchat.

Unterstützung bekommt er von Thailands anerkannter Gerichtsmedizinerin Pornthip Rojanasunand - auch sie kritisierte öffentlich die schlampige Untersuchung. Und auch sie bezweifelt, ob der Tatort der Tatort ist. Eine unabhängige Überprüfung soll aber erst während des Prozesses stattfinden, erklärte kürzlich der zuständige Richter.

Rassistische Beleidigungen

Im Netz haben inzwischen mehr als 100 000 Menschen eine Petition unterschrieben. Hier heißt es unter anderem, es habe in dem Fall rassistische Beleidigungen gegeben, falsche Zeugen seien bestochen worden. Die Petition richtet sich an den britischen Regierungschef David Cameron, von dem die Initiatoren eine unabhängige Untersuchung fordern.

Das Amt für Angelegenheiten des Auswärtigen in London hatte einem Bericht des Guardian zufolge zunächst bei thailändischen Diplomaten Bedenken über die Ermittlungen geäußert. Ein Team britischer Beamter wurde nach Koh Tao geschickt. "Ein paar Beamte sind am Sairee Beach etwa einen Monat nach dem Mord rumgelaufen. Sie haben jedoch weder selbst Spuren sichern noch Zeugen befragen dürfen", erzählt Journalist Gruber. Menschenrechtsorganisationen warfen ihnen anschließend vor, sie hätten ihre Informationen nur den thailändischen Ermittlern zur Verfügung gestellt, nicht aber der Verteidigung. Die Polizei schweigt zu den Vorwürfen.

Urteil im Oktober

Der Prozess soll nun bis Oktober dauern. Vor Verhandlungsbeginn hatte es zwei Spendenaufrufe gegeben: Einen für die Angehörigen der Opfer, damit diese nach Thailand reisen können und an dem Verfahren teilnehmen. Der andere, um den mittellosen Arbeitern einen fairen Prozess zu ermöglichen. Doch wie soll er die Männer verteidigen, wenn er nicht einmal alle Zeugen und Vorwürfe kennt, sagt ihr Anwalt.

"Die Angeklagten bitten die Familien von Hannah W. und David M. um Kooperation, damit der Gerechtigkeit Genüge getan wird", erklärt Aktivist Andy Hall. Niemand könne schließlich wollen, dass die Falschen verurteilt werden. Doch offenbar vertrauen ausgerechnet die Eltern der Opfer den thailändischen Ermittlern. Das legt zumindest ein Brief nahe.

Am Sairee Beach ist derweil wieder Normalität eingekehrt, berichtet Anwohner Gruber. Touristen sonnen sich, baden, feiern - als wäre hier nie etwas passiert. Angst gehe nur bei den wenigen verbliebenen Migranten aus Myanmar um.

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