Prozess in Südafrika:Liebe und Angst

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Zuneigung oder Zoff? Was dominierte die Beziehung zwischen Oscar Pistorius und seiner Freundin Reeva Steenkamp? (Foto: dpa)

"Baby", "Boo" und "Angel" hat Oscar Pistorius Reeva Steenkamp genannt. Das belegen Textnachrichten, die ein widersprüchliches Bild der Beziehung zwischen dem Paralympics-Star und seiner Freundin zeichnen. Auch den Notarzt hatte Pistorius in der Tatnacht selbst gerufen. Aber wen noch?

Im Mordprozess gegen den beinamputierten Sprintstar Oscar Pistorius gehören Liebe und Angst nun zu den zentralen Streitpunkten der Verhandlung. Der Hauptverteidiger des 27-Jährigen, Barry Roux, versuchte am Dienstag Belege für Spannungen in Pistorius' Beziehung zu dem Model Reeva Steenkamp zu entkräften.

Der Großteil der zwischen dem Sportler und seiner getöteten Freundin ausgetauschten Nachrichten zeige, dass beide sich geliebt hätten, argumentierte Roux vor dem Gericht in Pretoria. Mehr als 90 Prozent der Textnachrichten spiegelten eine normale und liebevolle Beziehung wider. So habe Pistorius seine Freundin wahlweise "Baba", "Baby", "Boo" und "Angel" genannt.

Damit versuchte Roux dem Eindruck entgegenzutreten, den eine am Vortag verlesene Handynachricht vom 27. Januar 2013 ausgelöst hatte. Darin hatte Steenkamp an Pistorius geschrieben, dass sie manchmal Angst vor ihm habe: "Ich kann nicht von Außenstehenden dafür attackiert werden, dass ich Dich treffe - und von Dir angegriffen werde, der Person, deren Schutz ich verdiene." Pistorius hatte darauf nicht geantwortet.

Pistorius rief den Notarzt an

Außerdem wurden vor Gericht Pistorius' Telefonate ausgewertet, wonach dieser in der Nacht des gewaltsamen Todes von Steenkamp um 03.30 Uhr selbst den Notarzt gerufen und 66 Sekunden mit ihm gesprochen hatte.

Zudem geht aus den Telefonaufzeichnungen hervor, dass Pistorius in der Nacht des Valentinstags 2013 um 03.19 Uhr den Verwalter der Wohnresidenz angerufen hatte. Weitere registrierte Telefonate galten unter anderem seinem Freund Justin Devaris (03.54 Uhr), seinem Bruder Carl (04.01 Uhr) und seinem Manager Peet van Zyl (04.09 Uhr).

Der Mobilfunk-Experte der Polizei, Francois Moller, und Verteidiger Roux sind sich einig, was Abfolge, Dauer und Verbindungsdaten der Telefongespräche betrifft. Eines von Pistorius' beiden iPhones blieb nach Mitternacht abgeschaltet.

Der Sprintstar sagt wohl selbst aus

Das Gericht setzte den Prozess am Dienstag aus, nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Beweisaufnahme abgeschlossen hatte. Am Freitag soll die Verhandlung fortgesetzt werden. Die Prozesspause soll es der Verteidigung ermöglichen, zusätzliche Zeugen aufzurufen.

Pistorius' Verteidiger Webber sagte zu der Frage, ob sein Mandant aussagen werde: "Ich glaube nicht, dass wir eine Wahl haben, es ist eher eine Frage des 'wann'." Kenny Oldwage, der den Sportler ebenfalls vertritt, antwortete auf die Frage, ob Pistorius gleich am Freitag an der Reihe sei: "Wir werden sehen".

Unterdessen warnte das Sprecherteam des Angeklagten vor einer falschen Facebook-Seite, auf der um Spenden für den Sportler gebeten wird, damit dieser den Gerichtsprozess bezahlen könne. Die "offizielle" Seite werde von einem "Betrüger" betrieben, erklärte seine Sprecherin Anneliese Burgess. Bislang sei es nicht gelungen, über die Verantwortlichen bei Facebook eine Sperrung durchzusetzen.

Oscar Pistorius muss sich seit Anfang März wegen Mordes vor Gericht verantworten. Der Sprintstar hatte seine zwei Jahre ältere Freundin in der Nacht zum Valentinstag 2013 durch die geschlossene Toilettentür seines Hauses erschossen. Er selbst beteuerte stets, es habe sich um ein tragisches Unglück gehandelt, weil er sie für einen Einbrecher gehalten habe.

© SZ.de/AFP/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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