Prozess in Stuttgart:Streit ums Taubenfüttern

Mit Falken gegen Tauben

In Stuttgart bleibt das Taubenfüttern verboten

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Tauben sind Schmutzfinken. So sieht es die Stadt Stuttgart und verbietet das Füttern. Doch Tierschützerin Therese D. widersetzt sich standhaft. Vor dem Verwaltungsgericht hat sie die Stadt verklagt.

Von Roman Deininger, Stuttgart

Die Amtstierärztin versucht es mit Zahlen, obwohl jedem im Saal klar ist, dass man mit Zahlen nicht weit kommt bei Therese D. 30 000 Tauben gebe es in Stuttgart, so die strenge Medizinerin, jede einzelne lasse im Jahr zwölf Kilo "Nasskot" fallen, das seien 360 Tonnen. So sieht das die Stadt: Tauben sind Schmutzfinken, sie übertragen Krankheitserreger. Therese D. sieht das anders. Sie findet, in Stuttgart tue man den armen Tieren sehr unrecht.

Jeder Mensch verschreibe sich doch einer Leidenschaft, hat D.s Mutter vor der Verhandlung gesagt, draußen im Foyer des Verwaltungsgerichts Stuttgart. Und bei ihrer Tochter und ihr seien es eben die Tauben: "Schon in meiner Kindheit konnte ich sie einfach nicht leiden sehen."

Deshalb hat Therese D., 35, Linguistin, nun also die Stadt Stuttgart verklagt: Sie will ihr Recht erstreiten, Tauben zu füttern. Für Mutter und Tochter ist das ein Grundrecht, seit zwölf Jahren trotzt das Duo Bußgeld auf Bußgeld. Auf dem Teppich ihrer Wohnung hat die Polizei Taubenkot gefunden. Die Mutter hat sogar ein TV-Drehbuch zur Ehrenrettung der Taube geschrieben; den Sendern, sagt sie, sei der Stoff aber bislang zu brisant gewesen.

D. will nicht über Bußgelder diskutieren, sondern über Tierschutz

Wie in vielen anderen Städten ist das Taubenfüttern in Stuttgart verboten, seit 1997 regelt das eine Polizeiverordnung. Therese D. ist davon überzeugt, dass das Verbot gegen das Tierschutzgesetz verstößt. Sie will vor Gericht nicht über Bußgelder diskutieren. Sondern darüber, was grundsätzlich gut ist für die Tauben.

Die Amtstierärztin sagt: Wildes Füttern jedenfalls nicht. Gut genährte Tauben pflanzten sich nur noch stärker fort - dem Nachwuchs wiederum fehle dann das Futter, er verende meist kümmerlich. In den sechs städtischen Taubenhäusern werden den Tieren daher behördlicherseits die Eier unter dem Hintern weggezogen.

Therese D. argumentiert, dass Taubenkot gar nicht so schädlich sei, wenn ein Vogel herzhaften Weizen zu sich nimmt statt Abfallreste. Sie verweist auf neue Forschungsergebnisse - keinesfalls dürfte man die Taube heute noch auf einen "Krankheitserreger" reduzieren. Ihr Anwalt sagt: "Von jedem Organismus gehen Gefahren aus." Außerdem, erklärt Therese D., würde sie Futter eh nur maßvoll verstreuen, um kranke Tauben anzulocken und sie wieder aufzupäppeln. Die Amtstierärztin sagt, sie habe zufällig in der Nähe gewohnt und dauernd den Laster vom Futtergroßhandel vor der Tür gesehen.

Am Ende fragt der friedliebende Richter Therese D., ob es nicht vielleicht doch denkbar wäre, das Fütterungsverbot zu beachten. Das sei nicht denkbar, sagt Therese D. freundlich. Dann fällt das Gericht sein Urteil: Das Taubenfüttern bleibt in Stuttgart verboten. Therese D. will in die nächste Instanz gehen.

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