Prozess in Frankreich:Millionen-Entschädigung wegen vertauschter Babys

  • Weil ihre Babys kurz nach der Geburt in einer Klinik vertauscht wurden, ist zwei Familien in Südfrankreich fast zwei Millionen Euro Entschädigung zugesprochen worden.
  • Die tragische Verwechslung der beiden Babys ereignete sich im Juli 1994 in einer Klinik in Cannes.
  • Erst dank eines Gentests wurde die Verwechslung zehn Jahre später bestätigt.

Millionen-Entschädigung für vertauschte Babys

Es ist der Albtraum aller Eltern: Ein Baby, das nach der Geburt im Krankenhaus vertauscht wird. Zwei Familien aus Südfrankreich ist genau das passiert. Jetzt, mehr als 20 Jahre nach dem Vorfall, hat ein Gericht in Grasse den beiden betroffenen Familien eine Entschädigung zugesprochen.

Das Gericht gab der Klinik die Schuld an der folgenreichen Verwechslung. Die Forderungen der Kläger an die Ärzte, die damals auf der Geburtsstation tätig waren, wies es jedoch zurück. Die Klinik und ein Versicherungsunternehmen müssten den Familien nun insgesamt 1,88 Millionen Euro zahlen.

Wie es zu der Verwechslung kam

Die tragische Verwechslung der beiden Babys ereignete sich im Juli 1994: In einer Klinik in Cannes brachte Sophie Serrano damals ihre Tochter Manon zur Welt. Wegen einer Gelbsucht kam das Baby aus Platzgründen in einen Brutkasten, in dem ein weiteres Mädchen ebenfalls mit Gelbsucht behandelt wurde. Eine Krankenpflegerin vertauschte dann die beiden Babys.

Die Mütter meldeten sofort Zweifel an, als ihnen ihre angeblichen Kinder ausgehändigt wurden. Denn ein Elternpaar war hellhäutig, das andere stammte von der französischen Insel La Réunion im Indischen Ozean. Zudem stimmte die Haarlänge nicht, doch die Familien wurden mit dem Hinweis beruhigt, das liege an den Wärmelampen im Brutkasten. "Ich habe es am Ende geglaubt", sagte Serrano. Sie sei jung und erschöpft von der Geburt gewesen, deshalb habe sie das Kind akzeptiert. Auch die andere Frau, die anonym bleiben will, fand sich damit ab.

Mädchen wollen nicht zu eigentlichen Eltern zurück

Zehn Jahre später verlangte der Vater von Manon dann einen Vaterschaftstest, weil er wegen der fehlenden Ähnlichkeit seiner Tochter nach wie vor Zweifel hatte. Bei einem DNA-Test stellte sich heraus, dass auch Sophie Serrano nicht die biologische Mutter ist. Nachforschungen ergaben, dass die andere Familie und Serranos biologische Tochter Mathilde nur 30 Kilometer entfernt wohnten.

Die Paare trafen ihre leiblichen Kinder erstmals im Alter von zehn Jahren. Sie entschieden sich dagegen, die Mädchen zu tauschen. Auch die jungen Frauen ihrerseits wollten nicht zu ihren eigentlichen Eltern zurück.

Wer jetzt Geld bekommt

Eine Strafanzeige, die die Familien anschließend einreichten, hatte keinen Erfolg, deswegen unternahmen sie zivilrechtliche Schritte. Freiwillig wollte die Klinik keine Entschädigung zahlen. "Die Vertauschung geht auf eine Angestellte der Klinik zurück, die die Vorschriften nicht eingehalten hat, weil sie an einer schweren Depression litt und an chronischem Alkoholismus", argumentierte eine Anwältin der Klinik damals im Fernsehsender BFMTV.

Die Verwechslung von Babys kommt äußerst selten vor. In Frankreich wie in anderen Ländern bekommen die Babys nach der Geburt kleine Armbänder zur Identifizierung. Bei einer Gerichtsverhandlung hinter verschlossenen Türen forderten die Familien im Dezember mehr als zwölf Millionen Euro - eine für das französische Justizsystem astronomische Summe. "Wenn es uns da passiert ist, dann kann es auch anderen passieren", empörte sich damals Sophie Serrano.

Das Gericht in Grasse sprach den betroffenen jungen Frauen nun je 400 000 Euro zu, der Rest verteilt sich auf Eltern und Geschwister. Im Juli werden die damals vertauschten Babys ihren 21. Geburtstag feiern. "Nach dem Prozess werde ich besser vorankommen", sagte die eine. Die Begegnung mit der leiblichen Mutter sei doch sehr verwirrend gewesen: "Man trifft eine Frau, die einem unbekannt ist."

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