Der 18. Prozesstag:Pistorius schildert Moment der tödlichen Schüsse

Pistorius leaves after attending his trial at the high court in Pretoria

Pistorius vor dem Gericht in Pretoria, vor dem er zum Tod seiner Freundin Reeva Steenkamp aussagt.

(Foto: REUTERS)

Oscar Pistorius beschreibt vor Gericht, was sich in der Nacht von Reeva Steenkamps Tod zugetragen hat. Er berichtet, wie er ein verdächtiges Geräusch gehört und sich langsam ins Bad vorgetastet habe. "Bevor ich wusste, wie mir geschah, hatte ich vier Schüsse abgegeben."

Der Prozesstag im Newsblog.

  • Oscar Pistorius erneut im Zeugenstand
  • Der Angeklagte sagt aus, er habe gehört wie ein Fenster geöffnet wurde und sei überzeugt gewesen, dass ein Einbrecher im Haus war
  • Pistorius schildert, wie er sich auf seinen Beinstümpfen mit vorgehaltener Waffe ins Bad vortastete - und schließlich schoss.
  • Prozesstag geht hochemotional zu Ende

Die entscheidenden Momente der Tatnacht

Pistorius erwacht: Er sei in den frühen Morgenstunden erwacht, sagt der Angeklagte. Reeva sei noch wach gewesen. Sie habe ihn gefragt: "Kannst du nicht schlafen?" Die Balkontüren hätten offengestanden. Deshalb sei er aufgestanden, habe zwei Ventilatoren ins Schlafzimmer geräumt. Im Zimmer sei es fast vollständig dunkel gewesen.

Verdächtiges Geräusch im Badezimmer: Dann, beschreibt Pistorius, hörte er ein Geräusch aus dem Badezimmer, ein Fenster, das geöffnet wurde. "Das war der Moment, der alles veränderte", sagt der 27-Jährige. Er habe sofort an einen Einbrecher gedacht und sich und Reeva schützen wollen. Deshalb sei er zu seiner Waffe gestürzt, habe sich zwischen die Badezimmertür und das Bett gestellt, in dem er Reeva vermutete. Er habe seiner Freundin zugerufen, sie solle sich auf den Boden legen und die Polizei rufen. Den vermeintlichen Eindringling habe er angeschrien, sein Haus zu verlassen. Kurz bevor er das Badezimmer erreichte, habe er gehört, wie die Toilettentür zugeschlagen wurde - für ihn der Beweis, dass sich ein Einbrecher im Haus befand.

Vier Schüsse durch die Toilettentür: Der Angeklagte schildert, wie er sich mit gezogener Waffe langsam zum Badezimmer vortastete. Er habe nicht mehr geschrien, um die Aufmerksamkeit der mutmaßlichen Eindringlinge nicht auf sich zu lenken. Als er um die Ecke ins Bad gespäht habe, sagt Pistorius, habe er gesehen, dass dort das Fenster tatsächlich offen stand. Er berichtet, wie er fürchtete, dass jeden Moment jemand über eine Leiter an der Außenwand durchs Fenster kommen würde. Sein Blick sei zwischen dem Fenster und der geschlossenen Tür hin- und hergewandert. Bis er ein Geräusch aus der Toilettenkabine hörte. "Bevor ich wusste, wie mir geschah, hatte ich vier Schüsse abgegeben."

Bittere Erkenntnis: Pistorius berichtet in plastischen Worten, was nach den Schüssen geschah. Er habe dort im Bad gestanden, nach Reeva geschrien. Keine Reaktion. "Ich konnte nichts hören, da war ein Klingen in meinen Ohren." Er kehrte zurück zum Bett, hievte sich nach oben, tastete nach Reeva. Zu diesem Zeitpunkt, sagt Pistorius, habe er erstmals geahnt, dass Reeva in der Toilette sein könnte.

Er berichtet, wie er mit "gemischten Gefühlen" zurück ins Bad ging, die Tür verschlossen fand, wie er seine Prothesen anlegte und mit einem Cricket-Schläger auf die Tür einhieb.

Prozess für den Tag unterbrochen: Als Pistorius schildert, wie er sich über die blutende Reeva beugte, schluchzt er hörbar auf. Korrespondenten aus dem Gerichtssaal berichten, wie auch die Familie des Angeklagten beginnt, laut zu weinen. Richterin Thokozile Masipa erklärt den Verhandlungstag für beendet.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was sich zuvor am 17. Prozesstag ereignete.

"Ich war sehr verliebt in Reeva"

Was sich am Vorabend ereignet haben soll: Pistorius berichtet, Steenkamp sei bei ihm zuhause gewesen und habe das Abendessen vorbereitet, als er gegen sechs Uhr abends nach Hause kam. Um sieben hätten sie zusammen zu Abend gegessen. Etwa eine Stunde später seien er und Reeva nach oben ins Schlafzimmer gegangen - noch früh am Abend, aber der Tag sei sehr anstrengend gewesen. Weil die Klimaanlage nicht funktionierte, habe er die Balkontüren geöffnet und zwei Ventilatoren dazwischen platziert. Um Mücken fernzuhalten, habe er die Vorhänge geschlossen. Dann habe er wie jede Nacht die Schlafzimmertür abgeschlossen und einen Baseballschläger daneben platziert. Die Alarmanlage sei wie jede Nacht angeschaltet, seine Waffe unter seinem Bett abgelegt gewesen. Pistorius beschreibt, wie er sich auf sein Bett setzte, die Prothesen abnahm und sie neben sich auf den Boden stellte. Reeva habe ferngesehen, er selbst habe telefoniert. Später habe er sie trotz der Hitze im Zimmer gebeten, die Balkontüren zu schließen und sei eingeschlafen.

Aussage nicht gefilmt: Pistorius macht von seinem Recht Gebrauch, während der Aussage nicht gefilmt zu werden. Der Livestream, der zum Beispiel beim US-Nachrichtensender CNN verfolgt werden kann, zeigt den vollen Gerichtssaal. Unter den Besuchern befinden sich unter anderem die Mutter Reeva Steenkamps sowie Eltern und Geschwister des Angeklagten. Gelegentlich werden Richterin Thokozile Masipa und Verteidiger Barry Roux eingeblendet. Oscar Pistorius ist lediglich zu hören.

E-Mails und Kurznachrichten: Zu Beginn seiner Aussage am Dienstag berichtet der Sportler über seine Beziehung zu Steenkamp. "Wir haben uns wirklich eine gemeinsame Zukunft vorgestellt", sagt Pistorius. Er und seine Freundin hätten überlegt, gemeinsam eine Wohnung in Johannesburg zu kaufen. Der Sportler beschreibt, wie er Steenkamp durch einen Freund bei einer Veranstaltung am 4. November 2012 kennenlernte. "Ich war sehr verliebt in Reeva", sagt Pistorius. "Ich denke, ich war mehr verliebt in sie, als sie es zeitweise in mich war." Die Verteidigung geht gemeinsam mit Pistorius mehrere Nachrichten durch, die sich das Paar gegenseitig geschickt hat. Der Angeklagte liest mit brüchiger Stimme E-Mails und SMS vor. Darunter eine lange Mail von Steenkamp, in der sie auf einen Streit des Paares nach einer öffentlichen Veranstaltung eingeht. Pistorius erklärt, er habe die Feier schnell verlassen wollen, Reeva habe aber weiter mit Freunden gesprochen. Daraus habe sich eine Auseinandersetzung ergeben.

Es folgen zahlreiche weitere Nachrichten, die von kleineren Streitigkeiten, vor allem aber von der liebevollen Beziehung des Paars zeugen.

Die Verteidigung zeichnet damit ein anderes Bild von der Beziehung als die Anklage. Diese hatte an einem vorangegangenen Prozesstag eine Nachricht Steenkamps zitiert, in der sie schrieb, sie habe Angst vor Pistorius.

Umgang mit Schusswaffen: Pistorius ist nicht nur wegen der Tötung seiner Freundin angeklagt, sondern auch wegen zweier Vorfälle mit Schusswaffen. So soll er aus dem Schiebedach eines Autos gefeuert haben - aus Ärger über eine Polizeistreife, die den Wagen kurz zuvor gestoppt hatte. Seine Wut auf die Polizisten gibt Pistorius vor Gericht zwar zu. Aus dem Schiebedach habe er jedoch nicht geschossen: "Das ist nie passiert". Pistorius widerspricht damit den Zeugenaussagen der beiden anderen Personen, die sich mit im Wagen befanden - sein guter Freund Darren Frasco und seine damalige Freundin Samantha Taylor. Bei einem zweiten Vorfall hantierte Pistorius während eines Restaurantbesuchs mit der Waffe eines Freundes, als sich ein Schuss löste. Der Angeklagte bestätigt den Zwischenfall. Er sei extrem erschrocken, als die Kugel abgefeuert wurde und wütend auf den Freund, der ihm die Waffe ungesichert übergeben hatte. Pistorius bestätigt vor Gericht außerdem, seine eigene Waffe immer bei sich getragen zu haben.

Verhandlung frühzeitig geschlossen: Pistorius' Aussage am Montag endete früher als geplant. Sein Verteidiger wandte sich am frühen Montagnachmittag an die Richterin. Sein Mandat sei erschöpft, habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Richterin Masipa stimmte einer vorzeitigen Unterbrechung der Aussage des Angeklagten zu. Zuvor hatte der Angeklagte beschrieben, wie er in der Vergangenheit Opfer und Zeuge von Gewaltverbrechen wurde - Schilderungen, die seine Furcht vor Einbrechern belegen sollten. Zu Beginn seiner Aussage hatte sich der Sportler bei Reeva Steenkamps Angehörigen entschuldigt. "Jeden Morgen wache ich auf und bete als Erstes für Sie. Ich wollte Reeva nur beschützen".

Weiterführende Links:

Wessen Aussage entlastet Pistorius? Wer belastet ihn? Alle bisherigen Zeugenaussagen haben wir hier für Sie zusammengefasst und bewertet.

Was seit dem 14. Februar 2014 geschah: Eine Chronologie der Ereignisse.

Richter, Anwälte, Ankläger: Die wichtigsten Personen und Fakten zum Prozess.

War es Absicht? Die wichtigsten Fragen, denen sich Pistorius nun stellen muss.

"Ende einer Ikone": Porträt eines einst umjubelten Athleten.

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