Prozess gegen No-Angels-Sängerin:"Es tut mir von Herzen leid"

Die HIV-infizierte Popsängerin Nadja Benaissa hat vor Gericht eingeräumt, trotz ihrer Erkrankung ungeschützten Sex gehabt zu haben. Der infizierte Ex-Partner erhebt bei seiner Aussage schwere Vorwürfe gegen die 28-Jährige: "Du hast viel Leid in die Welt gebracht."

Nadja Benaissa ist Auftritte in der Öffentlichkeit gewohnt. Ihr Auftritt an diesem Montagmorgen jedoch, vor dem Amtsgericht in Darmstadt, hat nichts mit dem Glamour des Band-Bühnenlebens vergangener Tage gemein. Die HIV-infizierte Sängerin der No Angels ist angeklagt, einen Ex-Freund mit dem gefährlichen Virus angesteckt und mit weiteren Sexualpartnern ungeschützten Verkehr gehabt zu haben.

No-Angels-Sängerin Nadja Benaissa, dpa

Muss sich vor dem Amtsgericht Darmstadt wegen schwerer und versuchter schwerer Körperverletzung verantworten: "No-Angels"-Sängerin Nadja Benaissa.

(Foto: dpa)

"Es tut mir von Herzen leid", sagte die 28-Jährige unter Tränen zu Beginn ihres Prozesses wegen gefährlicher und versuchter gefährlicher Körperverletzung. Und ja, sie habe im Bewusstsein ihrer Infektion ungeschützten Sex gehabt. Über ihren Anwalt ließ die Mutter einer Tochter eine Erklärung verlesen, in der sie einräumt, das positive Testergebnis bereits 1999 bei einer Schwangerschaftsuntersuchung bekommen zu haben.

Benaissa, die in Jeans und lila Bluse vor Gericht erschien, betonte jedoch: "Ich habe keineswegs gewollt, dass mein Partner infiziert wird." Nach ihrem Einstieg bei den No Angels und dem unerwarteten Erfolg der Castingband habe sie sich unter Druck gesetzt gefühlt, dass ein Bekanntwerden ihrer HIV-Ansteckung das Aus für alle bedeutet hätte. "Ich konnte es nicht sagen. Ich hatte tierische Angst."

Die Anklage wirft dem Popstar vor, im Jahr 2004 einen Mann mit dem Immunschwächevirus angesteckt haben. Der infizierte Ex-Partner Benaissas, ein Künstlerbetreuer aus Frankfurt am Main, wandte sich bei seiner Aussage zu Prozessbeginn direkt an die Angeklagte: "Du hast viel Leid in die Welt gebracht", warf er ihr vor.

Die beiden hatten nach seinen Angaben 2004 eine etwa drei Monate dauernde Beziehung. Er erklärte, sie hätten fünf bis sieben Mal miteinander geschlafen, zwei oder drei Mal ohne ein Kondom zu benutzen. Danach habe Nadja in der Dominikanischen Republik einen neuen Mann kennengelernt und auch mit ihm mehrmals ungeschützt Sex gehabt.

"Über die Zeit hat sich mein Brechreiz erhöht"

Der 34-Jährige erklärte, die Tante der Sängerin habe ihn im Februar 2007 gefragt, ob er nicht gewusst habe, dass Nadja HIV-positiv sei. Er habe ein Jahr gebraucht, um mit der positiven Diagnose des Aids-Tests klarzukommen. Nach Aussage seines Arztes könne die Krankheit bei ihm jederzeit ausbrechen.

"Ich bin in meiner Lebensqualität komplett eingeschränkt", sagte der Zeuge. So könne er nicht in ferne Länder reisen. Sein Einkommen habe sich halbiert. Ums Geld gehe es ihm jedoch nicht, betonte er.

Der Zeuge erklärte, das Management der No Angels habe versucht, ihn zum Schweigen zu bringen. Es sei ihm nicht gelungen, mit Benaissa zu reden: Der 34-Jährige bot der Sängerin nach eigenen Angaben an, sie solle sich öffentlich zur ihrer HIV-Infektion bekennen und der Aids-Hilfe 100.000 Euro spenden - dann würde er sie nicht anzeigen. Kurz zuvor hatte Benaissa aber eine eidesstattliche Versicherung über ihre Zahlungsunfähigkeit abgegeben. "Über die Zeit hat sich mein Brechreiz erhöht. Irgendwann ist Schluss mit lustig", so der Nebenkläger.

Benaissa soll in insgesamt fünf Fällen mit drei Männern ungeschützten Sex gehabt haben - die beiden anderen Partner wurden jedoch nicht infiziert.

Nadja Benaissa war am 11. April 2009 vor einem Auftritt in einer Frankfurter Diskothek festgenommen worden und saß danach zehn Tage lang in Untersuchungshaft. Das Vorgehen von Staatsanwaltschaft und Polizei stieß auf Kritik. Ihnen wurde vorgeworfen, die prominente Sängerin an den Pranger zu stellen. Die Deutsche Aids-Hilfe kritisierte, dass die Verantwortung für ungeschützten Verkehr allein Benaissa zugeschoben werde.

Weil die Angeklagte zu Beginn der Tatzeit noch Jugendliche war, findet der Prozess vor dem Jugendschöffengericht statt. Der auf fünf Tage terminierte Prozess ist wegen des großen Interesses in einen Saal des Landgerichts verlegt worden. Zudem gab es verschärfte Einlasskontrollen. Ein Ansturm von Fans blieb aber vorerst aus. In den kommenden Tagen werden auch Benaissas Bandkolleginnen als Zeugen in Darmstadt erwartet.

Dem Popstar drohen bei einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Haft.

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