Prozess gegen "Maskenmann":"Ich bin der Falsche"

Er überfiel zwei Millionärsfamilien und trug dabei eine Art Imkermaske: Ob hinter dem "Maskenmann" Mario K. steckt, soll nun das Landgericht Frankfurt (Oder) in einem Indizienprozess klären. Der Angeklagte hält sich bedeckt.

Von Verena Mayer, Frankfurt (Oder)

Mario K., den sie den Maskenmann nennen, hält eine Mappe vors Gesicht, als wolle er nicht erkannt werden. So wie der Mann nicht erkannt werden wollte, der 2011 und 2012 zwei Millionärsfamilien in ihren Anwesen in der Nähe von Berlin überfiel.

Erst, mit einer Sturmhaube auf dem Kopf, die Frau eines Geschäftsmannes in Bad Saarow, später deren Tochter auf der Pferdekoppel. Als ihm das nicht gelang, spähte er einen Investmentbanker in Storkow aus, verschleppte ihn vor den Augen seiner Familie aus der Villa und forderte eine Million Euro Lösegeld. Vor dem Gesicht trug er Stoff, der aussah wie eine Imkermaske.

Zwei Jahre lang wurde nach ihm gesucht, der Maskenmann war einer der meistgesuchten Verbrecher Deutschlands. K. soll dieser Mann sein. Das sagt die Staatsanwaltschaft und hat unter anderem versuchten Mord, versuchten Totschlag und versuchten erpresserischen Menschenraub angeklagt.

Ein Banker wird auf eine Insel verschleppt. Ihm gelingt die Flucht

Mario K. legt die grüne Mappe nieder und lässt seinen Verteidiger sagen, er habe mit alledem nichts zu tun. "Ich bin der Falsche."

K. trägt hellblaues Hemd, Brille und Vollbart und blättert im Ordner vor sich. In der Anklageschrift, 220 Seiten umfasst sie, hat sich einiges angesammelt. Der Maskenmann trug eine Ceska-Pistole bei sich, er verletzte eine Frau am Kopf schwer und schoss auf einen Wachmann, der seither querschnittsgelähmt ist.

K. guckt konzentriert, als die Staatsanwältin am Wort ist, manchmal notiert er etwas. Er hat etwas Seriöses, Geschäftliches an sich. Fast wie der entführte Banker, der ihm im Gerichtssaal gegenübersitzt. Es ist Stefan T., der in dem Prozess als Nebenkläger auftritt. Ein untersetzter Mann mit Bart und Brille, der immer wieder etwas in sein iPad tippt.

Es war an einem Oktobertag 2012, als der Maskenmann sich seiner Villa näherte und die Haustür eintrat. T. warf eine Flasche nach ihm, der Mann schoss und sagte zu T.s Frau, er werde ihren Mann zum Krüppel schießen und ihren Sohn holen. Dann befahl er der Frau, T. mit Klebeband zu fesseln, schleppte ihn auf ein Kajak und von dort zu einem Versteck auf einer Schilfinsel im See. Dort musste T. einen Brief an seine Frau schreiben, in dem er eine Million Lösegeld forderte. Nach eineinhalb Tagen gelang ihm die Flucht.

Mario K. hält sich bedeckt vor dem Landgericht Frankfurt (Oder), wo der Prozess gegen ihn beginnt. Nur ein paar Worte zu seiner Person sagt er. 46 Jahre ist er alt, gelernter Dachdecker. Wo er gewohnt habe, will der Richter wissen. "Sie meinen offiziell?", fragt K. Einen festen Wohnsitz hatte er nicht, das kam ans Licht, als er im Herbst 2013 in einem Berliner Einkaufszentrum verhaftet wurde. K. lebte im Freien, im Wald, an Seen. Er war mit dem Fahrrad unterwegs, oft 130 Kilometer am Tag, sammelte Flaschen. Bis ihm die Polizei auf die Spur kam, brauchte es die 60-köpfige Sonderkommission "Imker", eine monatelange Observation und einen Aufruf in "Aktenzeichen XY".

Wenn Mario K. der Maskenmann ist, dann hat er eine lange kriminelle Laufbahn hinter sich. Sie begann in den Neunzigern, als K. in einem Schnellrestaurant eine Ceska zog und auf die Gäste feuerte. Einer entriss ihm die Waffe, dabei wurde K. an den Beinen verletzt - und später zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt.

Danach wohnte er eine Zeit lang im Plattenbau, wo ihn Bewohner mit einer schusssicheren Weste herumlaufen sahen. Irgendwann begann er, als Einsiedler in einem Naturschutzgebiet zu leben. Er brach Boote auf den Seen auf, stahl Sachen daraus und steckte die Boote in Brand. 2004 entdeckte man ihn, als er in einem Taucheranzug unterwegs war, auf einer Insel fand man Teile der Boote. Er kam abermals ins Gefängnis und wieder heraus. 2011 ließ er sich in einem Schützenverein registrieren.

Eine dunkle Gestalt bedroht Frau, Tochter und Wachmann auf der Pferdekoppel

Im Gerichtssaal sitzt nun Frau P., die Frau des Geschäftsmannes P., der in Berlin mit Immobilien zu tun hat. Sie ist 61, zart, trägt ein graues Kostüm, das blonde Haar fällt auf die Schultern. Frau P. erzählt vom 22. August 2011. Sie hatte gerade die Pferde versorgt und war von der Koppel zurück ins Haus gegangen, als die Hunde anschlugen. Dann sei "eine dunkle Gestalt" auf sie zugekommen und habe "wie im Stakkato auf sie eingeschlagen".

Es gelang ihr zu entkommen, eine Hausangestellte alarmierte die Polizei. Wenige Tage später kam der Mann wieder, näherte sich der Pferdekoppel, auf der die Tochter der P.s stand, mit dem Wachschutz, den die P.s für sie beschäftigten. Der Maskenmann forderte die junge Frau auf, sich hinzulegen, schoss auf den Wachmann. Dann flüchtete er.

Frau P. erinnert sich gut. An die Augen, die Maske. Aus einem fein gewebten Stoff sei sie gewesen, sagt sie, mit weißen Nähten. Solche Details werden die vielen Puzzlestücke ausmachen, aus denen sich die Anklage zusammensetzt. Bei einer Verurteilung droht K. lebenslange Haft.

Die Spur, die letztlich zu Mario K. führte, war eine Decke. Sie war auf der Schilfinsel gefunden worden, auf die der Investment-Banker verschleppt worden war, und gehörte eigentlich einem Händler. Dem war sie gestohlen worden - in der Nähe des Ortes, an dem Mario K. eine Zeit lang gewohnt hatte. Sein Verteidiger sagt, die DNA-Spur auf der Decke sei gar nicht von Mario K.

Das Gericht hat sich auf einen langen Indizienprozess eingestellt, das Urteil wird erst im Oktober erwartet.

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