Prozess gegen Ernst August:"Er hat ein ziemliches Temperament"

Prinzessin Caroline tritt als souveräne Zeugin vor Gericht auf. Ihre unprätentiösen Antworten bringen am Ende einen Punktsieg für Ernst August.

Jens Schneider

Diese Frage musste kommen, sie gehört in diesem Verfahren einfach dazu. Sie wirkt dennoch pikant. Es ist Staatsanwalt Nico Elster, der sie nach beinahe zwei Stunden stellt. Ob ihr Mann denn allgemein aufbrausend ist, will Elster von ihr wissen. "Ja", sagt die Prinzessin darauf ungerührt, "er hat ein ziemliches Temperament, wie einige Männer."

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(Foto: Foto: dpa)

Und ob er dazu neige, Ohrfeigen auszuteilen? "Nein", antwortet sie wieder cool, ohne jedes Zögern, "das war das einzige Mal, dass ich das erlebt habe." Gewiss sei es nicht nett, jemandem Ohrfeigen zu geben, fügt sie kurz darauf hinzu. Aber sie hätte nie gedacht, dass die Geschichte solche Ausmaße annehmen würde. Sie und ihr Mann hätten das Ganze als Bagatelle angesehen.

Es heißt, es gehe um die Ehre ihres Mannes, auch um seinen Zugang zu höchsten Adelskreisen. Konkret will Ernst August nachweisen, dass er einem Hotelbesitzer in Kenia zwei Ohrfeigen gegeben hat und ihn nicht auch schwer verletzte.

"Leider ist dieses Verfahren von sehr großer Gründlichkeit", beginnt der Richter ihre Vernehmung und lässt sie dann ausführlich die Szenerie auf der Insel Lamu in Kenia an jenem Abend vor genau zehn Jahren schildern.

Sie ist also nach Hildesheim gekommen, die "Prinzessin Caroline von Hannover und Lüneburg, Prinzessin von Monaco", wie der Vorsitzende Richter Andreas Schlüter sie im Saal des Landgerichts Hildesheim begrüßt. Sie ist angereist, trotz der Bilder und Geschichten um ihren Mann Ernst August von Hannover, der in Thailand so auffällig mit einer anderen Frau poussierte, dass nicht nur bunte Blätter von einer Ehekrise sprachen. Die 52 Jahre alte Caroline hat an diesem Morgen durch eine Nebentür den mit großen Holzplatten getäfelten Saal des Landgerichts Hildesheim betreten und dort in knapp zwei Stunden eine Aussage gemacht, die ihren Mann in seinem Sinne entlastete.

Zwei unspektakuläre Stunden erlebt das Gericht. Ihr Auftreten wird nie zu einem Auftritt, das hat Stil. Ihre unprätentiösen Antworten bringen am Ende einen Punktsieg für Ernst August, der selbst wieder einmal nicht am Prozess teil nimmt. Einen Punktsieg in einem Verfahren, bei dem sogar der Vorsitzende Richter immer wieder durchblicken lässt, dass ihm Sinn und Aufwand nicht recht einleuchten wollen.

Caroline redet Englisch, neben ihr sitzen ihr Anwalt und die Übersetzerin. Das Publikum kann Caroline anfangs kaum hören, sie spricht vor allem zur Übersetzerin hin. Wer hier sitzt, um Glamour zu erhaschen, muss schon genügsam sein. Die Zuschauer blicken von hinten auf die dezente Haarspange und einen schwarzen Pulli. Den hellbraunen Mantel hat sie ausgezogen und hinter sich auf den Stuhl geschoben.

Sie ist nicht für das Publikum gekommen, sie hat darauf bestanden, dass es auf Abstand gehalten wird. Sie achtet nicht auf den Saal, blickt sich nicht um. Erinnerungsfotos, so hat ein Gerichtsdiener alle gewarnt, sind verboten. Wer sein Handy zücke, bekomme es weggenommen. Ständig blicken die Justizbeamten prüfend auf die Zuschauerreihen.

Es geht hier um weniger als zwei Minuten im Januar 2000. Damals hätten sie spätabends auf der Terrasse eines Hotels gesessen, als plötzlich Josef Brunlehner mit einem Boot aufgetaucht sei, erzählt Caroline. Dieser betreibt in Kenia ein Hotel und eine Diskothek. Die Leute ärgerten sich arg über den Lärm und die Laserstrahlen der Disco. Vergeblich hätten sie protestiert, sagt Caroline. Als ihr Mann von Brunlehners Ankunft hörte, sei er hinuntergelaufen und habe ihm nach einem kurzen Wortwechsel zwei Ohrfeigen gegeben, mit der flachen Hand: "one for the light, one for the music".

Brunlehner sei hingefallen und dann schnell ins Boot gestiegen. Ihr Mann lief dem Boot noch bis ins Wasser nach, "um ihm ein paar Sachen nachzurufen, die nicht so geeignet sind, in einem Gericht zitiert zu werden." Sie habe dann einen Kenianer aufgefordert: "Geh und hole ihn." Das soll alles gewesen sein. Brunlehner hat eine andere Geschichte erzählt. Er will Todesängste ausgestanden haben. Er ließ sich damals in ein Krankenhaus nach Namibia fliegen. Demnach verletzte der Prinz ihn lebensgefährlich, mit einem Gegenstand, vielleicht einem Schlagring. Im Jahr 2004 wurde Ernst August vom Landgericht Hannover wegen schwerer Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 445 000 Euro verurteilt. Sein damaliger Anwalt hatte, in seinem Namen, eine Erklärung abgegeben, die einem Geständnis gleichkam. Angeblich war sie nicht autorisiert, und der Prinz fühlte sich von seinem eigenen Anwalt betrogen. Seither hat er einen extrem kostspieligen Aufwand treiben lassen, um dieses Wiederaufnahmeverfahren zu erreichen. Jedes Detail haben seine Anwälte hinterfragt. Seit Prozessbeginn im Juni 2009 ist Brunlehners Version durch die meisten Zeugen und Gutachten in Frage gestellt worden. Caroline aber galt als wichtigste Augenzeugin.

Also muss sie nun erklären, ob ihr Mann einen Schlagring besitzt: "nein!" Ob er einen Schlagring eingesetzt habe: "absurd!" Oder ob er Alkohol getrunken hatte: "nur ein paar Drinks, Wein zum Essen". Gern versucht sie sich auch zu erinnern, wie das Mondlicht war in dieser Nacht und bekundet entspannt, dass Ernst August - den sie konsequent "mein Mann" nennt - nie Ringe trage, auch keinen Ehering.

Weil sie so leise spricht, bekommt die Vernehmung Züge eines vertraulichen Zwiegesprächs mit dem Richter. Nein, sie rechtfertige die Handlung ihres Mannes nicht, sagt sie schließlich. "Es ist auch nicht erlaubt, auf der Autobahn zu schnell zu fahren. Aber es passiert trotzdem." Es sei eben manchmal nicht so einfach, sich richtig zu verhalten, auch wenn man wisse, was eigentlich richtig ist. Damit habe er, antwortet Richter Schlüter, oft zu tun. Für Caroline ist die Angelegenheit vor der Mittagspause mit der Frage erledigt, ob sie Fahrtkosten oder einen Verdienstausfall hatte. Da wäre es doch besser, man hätte einen lukrativeren Beruf gewählt, scherzt sie und verzichtet. Sie ist vorerst die letzte Zeugin, der Prozess ist aber noch nicht zu Ende.

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