Prozess gegen Bill Cosby:Erneut schwere Vorwürfe gegen Cosby

Prozess gegen Bill Cosby: Bill Cosby beim Prozess in Norristown im US-Bundesstaat Pennsylvania.

Bill Cosby beim Prozess in Norristown im US-Bundesstaat Pennsylvania.

(Foto: AP)
  • Beim Kreuzverhör im Strafprozess gegen Bill Cosby versucht die Verteidigung die Zeugin Andrea Constand als unglaubwürdig darzustellen.
  • Doch als deren Mutter in den Zeugenstand gerufen wird, belastet sie Cosby schwer.

Von Jürgen Schmieder, Norristown

"Ich verstehe die Frage nicht!" Das ist sehr oft die Antwort an diesem Mittwoch beim Strafprozess gegen Bill Cosby. Im Zeugenstand sitzt Andrea Constand - jene Frau, die dem Schauspieler vorwirft, dass er sie im Januar 2004 betäubt und sexuell missbraucht habe. Einen Tag zuvor hatte sie detailliert dargelegt, wie Cosby ihr in seinem Haus in der Nähe von Philadelphia Schlafmittel verabreicht und sie danach gegen ihren Willen berührt habe: "Ich konnte nicht kämpfen. Ich war wie paralysiert. Ich wollte nur, dass es aufhört."

Später am Nachmittag bestätigt Constands Mutter unter Tränen die Ausführungen ihrer Tochter. Sie berichtet von einem Telefonat ein Jahr nach dem mutmaßlichen Missbrauch, bei dem Cosby bestätigt habe, Andrea Constand die Pillen verabreicht und danach intim berührt zu haben: "Er hat alles gestanden. Er hat versucht, es so darzustellen, als wäre das alles im Einvernehmen passiert."

Als sie gefragt wird, ob sich Cosby entschuldigt habe, sagt sie: "Er hat sich selbst als kranken Menschen bezeichnet und angeboten, für eine Therapie von Andrea aufzukommen. Dann sagte er: 'Ich entschuldige mich bei Andrea - und ich entschuldige mich bei Ihnen, Mutter.'" Das sind schwere Vorwürfe, die auch der Befragung durch die Verteidigung standhalten.

Vor der Mutter muss sich die Tochter den Fragen der Cosby-Anwälte stellen. Diese hatten bereits vor dem Prozess angekündigt, Constand als ehemalige Geliebte von Cosby darstellen zu wollen, die beim Zivilprozess vor zwölf Jahren (der gegen die Zahlung einer nicht publik gewordenen Summe eingestellt wurde) aus Geldgier gehandelt habe und nun beim Strafprozess aus Rachsucht die Wahrheit verdrehe. Bei dieser Befragung wird deutlich, welch groteskes Schauspiel diese Verhandlung ist. Das einzige Ziel scheint zu sein, den Geschworenen ein bestimmtes Bild der Protagonisten zu vermitteln.

Keine einvernehmliche Romanze

Als Constand wieder einmal sagt, dass sie eine Frage nicht verstehe, da schüttelt Kristen Houser vom National Sexual Violence Resource Center den Kopf. Sie ist vom Bezirksgericht in Norristown als Expertin für Sexualdelikte bestellt worden. Sie soll für die Beobachter (nicht für die Geschworenen) außerhalb des Gerichtssaals und der Verhandlungszeiten einzelne Elemente des Prozesses einordnen.

"Das ist keine Frage, sondern eine Feststellung", sagt Houser. Tatsächlich stellt die Cosby-Verteidigerin Angela Agrusa immer wieder Behauptungen auf, die sie durch die Zusätze "richtig?", "korrekt?" und "oder etwa nicht?" zu Fragen umformuliert.

Ein paar Beispiele: Agrusa möchte die Beziehung zwischen Cosby und Constand als einvernehmliche Romanze darstellen - oder wenigstens beweisen, dass Constand aufgrund zweier Begegnungen gewusst haben müsse, worauf sie sich einlasse. Agrusa sagt: "Bei diesem Abendessen hat Cosby seine Hand an die Innenseite Ihres Oberschenkels gelegt, richtig?" Und weiter: "Sie haben sich nicht dagegen gewehrt, korrekt?" Und weiter: "Sie wussten deshalb, dass Cosby an einer romantischen Beziehung mit Ihnen interessiert war, oder etwa nicht?"

Die Annäherungsversuche wortlos abgelehnt

Es ist nicht nur die Form der Befragung, die Expertin Houser erzürnt, sondern auch der Inhalt: "Es ist völliger Quatsch, diese Geste als romantisch zu bezeichnen. Es ist der klassische Fall eines Annäherungsversuches, bei dem jemand die Grenzen testet. Er macht so lange weiter, bis er gestoppt wird, ansonsten verschiebt er die Grenzen immer weiter." Frau Constand habe den Annäherungsversuch nicht akzeptiert, sondern wortlos abgelehnt - durch Aufstehen oder Verlassen des Raums. Von einer romantischen Beziehung könne deshalb keine Rede sein. Constand selbst antwortet wie bei fast allen Fragen äußerst knapp: "Herr Cosby hat den Kontakt initiiert."

Agrusa argumentiert auch - in Fragen verpackt -, dass ein geschäftliches Abendessen durchaus als romantische Verabredung interpretiert werden könne, wenn es vor einem Kamin stattfindet. Oder dass eine Berührung des Beins mit dem Knie eine romantische Geste sein könnte. Oder dass eine Frau durchaus über die Interessen eines Mannes informiert sein müsse, wenn er ohne Erlaubnis versucht, ihre Hose zu öffnen.

Constand antwortet darauf: "Er hat seine Hand an meinen Reißverschluss gelegt, ich habe ihn durch Nach-vorne-Lehnen aufgehalten." Sie sagt: "Er hat sein Interesse mir gegenüber niemals bekundet." Sie sagt: "Es war kein romantisches Treffen." Sehr oft sagt sie auch: "Ich verstehe die Frage nicht."

Das bedeutet freilich nicht, dass die Verteidigung nicht auch erfolgreich war bei der Befragung von Constand. Es gelang Agrusa, die Frage aufzuwerfen, warum Constand bei ihrer Aussage im Jahr 2005 nicht erwähnt habe, dass Cosby ihr zwei Mal Avancen gemacht habe. Sie wies auch nach, dass Constand nach dem mutmaßlichen Missbrauch eine Einladung von Cosby zum Besuch einer seiner Vorstellungen angenommen hat und ihm dabei ein Geschenk ihrer Eltern hat zukommen lassen.

Drei Pillen mit Schlafmittel eingenommen

Was Constand bei der Befragung durch die Staatsanwaltschaft am Vortag gesagt hat, nicht aber bei ihrer Aussage vor zwölf Jahren: dass Cosby sie in der fraglichen Nacht aufgefordert habe, die drei Pillen mit dem Schlafmittel Methaqualon unter ihre Zunge zu legen. Ihre Polizei-Aussage wirke so, so Agrusas Argumentation, als ob sie die Pillen freiwillig genommen habe. Die Verteidigung möchte nachweisen, dass Constand ihre Darstellung nachträglich geändert habe, um Cosby nun zu schaden.

Während des folgenden Kreuzverhörs versucht Staatsanwältin Kristen Feden, die Aussagen von Constand so nachvollziehbar wie möglich erscheinen zu lassen: Sie lässt die Zeugin die Darstellung der fraglichen Nacht wiederholen und vergleicht sie mit ihren Antworten bei der Polizeibefragung von vor zwölf Jahren. Verteidigerin Agrusa dagegen versucht, diese Aussagen - teils über die unterschiedliche Bedeutung einzelner Wörter oder fehlender Details - als widersprüchlich darzustellen.

Ob Constand glaubhaft ist, darüber werden die Geschworenen entscheiden müssen. Neutrale Prozessbeobachter sprechen davon, dass die Staatsanwaltschaft den ersten Auftritt von Constand insgesamt als gelungen betrachten dürfe. Es kann sein, dass sie in der kommenden Woche noch einmal von der Verteidigung als Zeugin geladen wird.

Insgesamt werfen 57 Frauen Cosby öffentlich vor, dass er sie betäubt und sexuell missbraucht habe. Viele von ihnen sitzen bei dieser Verhandlung im Gerichtssaal. Dieser Strafprozess, der auf zwei Wochen ausgelegt ist, ist der einzige, der Cosby ins Gefängnis bringen könnte. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

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