Prozess gegen Amish:Bartklau aus Hass

Haareschneiden als Hassverbrechen: Finale im US-Prozess um Amisch

Bartklau als Hassverbrechen: Amish, die den Prozess gegen Samuel Mullet besuchen.

(Foto: dpa)

Eigentlich regeln die Amish ihre Angelegenheiten unter sich. Doch diesmal brauchen sie die Hilfe der US-Justiz: Ein Religionsführer ließ konkurrierenden Glaubensbrüdern in brutalen Überfällen die Bärte abschneiden. Nun muss er 15 Jahre ins Gefängnis.

Die bibeltreue Religionsgemeinschaft der Amish in den USA leben abgeschieden. Sie sind vor allem bekannt für ihre rigorose Ablehnung des Fortschritts. Das heißt: Kein Strom, keine Autos, altertümliche Trachten und ein bäuerliches Leben. Doch der starke Glaube der Amish treibt auch andere, weniger idyllische Blüten. Ein Religionsführer ließ rivalisierenden Glaubensbrüdern in brutalen Überfällen die Bärte abschneiden. Jetzt wurde er dafür zu 15 Jahren Haft verurteilt. Das Gericht stufte die Attacken als religiös motiviertes Hassverbrechen ein.

Bis Oktober 2011 trug Bischof Myron Miller aus Ost-Ohio seinen langen schwarzen Bart mit Stolz. Doch dann, in einer Herbstnacht, standen plötzlich fünf bis sechs Amish-Männer mit langen Bärten und Hüten vor der Tür und weckten den 45-Jährigen und seine Frau Arlene mit lautem Klopfen aus dem Tiefschlaf.

Im Schein der Petroleumlampe rissen sie Miller hinaus in die Dunkelheit und kappten mit Scheren seinen Bart. Er versuchte, sich zu wehren, scheiterte, seine Frau schrie. Eine undenkbare Demütigung für Miller - und für alle anderen Opfer, die überfallen, mit Scheren sowie batteriebetriebenen Rasierern malträtiert und ihrer Haare beraubt wurden.

Miller und seine Leidensgenossen haben einen Prozess ins Rollen gebracht, der weit über die Grenzen Ohios hinaus Aufmerksamkeit erregte. 16 Angreifer hat das Gericht in Cleveland der Hassverbrechen für schuldig befunden, das Strafmaß wurde am Freitag verkündet. Schlüsselfigur im "Bart-Prozess" ist Bischof Samuel Mullet, der Anführer einer kleinen, ultrakonservativen Amish-Gruppe aus Bergholz. Der 67-Jährige hat 15 Glaubensbrüder und -schwestern aus seiner Gemeinde zu den Zwangsrasuren angestiftet - deshalb bekam er die höchste Strafe. Eigentlich hatte die Staatsanwaltschaft für ihn eine lebenslange Haftstrafe gefordert.

Mullet führt eine Gemeinde von 18 Familien, die in der abgelegenen Siedlung Bergholz rund 160 Kilometer von Cleveland entfernt leben. Zeugen beschrieben den Vater von 18 Kindern als autokratischen Herrscher über seine Gemeinde. So habe Mullet die Post seiner Anhänger geöffnet und Vergehen mit Schlägen bestraft, außerdem soll er mit mehreren jungen Frauen aus der Gemeinde Sex gehabt haben. Während des Verfahrens wurde die Gemeinschaft von mehreren Zeugen als Sekte bezeichnet.

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