Prozess:Freispruch für Harry Wörz

Im bereits dritten Indizienprozess um eine fast zu Tode strangulierte Polizistin ist ihr früherer Ehemann erneut freigesprochen worden. Das Gericht sieht einen anderen Mann als Hauptverdächtigen.

Mehr als zwölf Jahre nach einem beinahe tödlichen Angriff auf seine ehemalige Frau ist der Angeklagte Harry Wörz zum zweiten Mal freigesprochen worden. Dem Bauzeichner aus Birkenfeld bei Pforzheim wurde vorgeworfen, am 29. April 1997 versucht zu haben, seine von ihm getrennt lebende 26-jährige Frau, eine Polizistin, mit einem Schal zu erdrosseln.

Die Frau ist seit der Tag schwerst hirngeschädigt und kann nicht mehr aussagen. Auch der damals zweijährige Sohn des Paares hat keine Erinnerung an das dramatische Geschehen. Es gibt somit keine Zeugen.

Das Motiv soll laut Anklage im Streit um das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn gelegen haben. Nach Meinung des Gerichts waren diese Streitigkeiten zur Tatzeit allerdings weitgehend ausgeräumt. Nach der Urteilsverkündung brach Wörz in Tränen aus. Er hatte stets seine Unschuld beteuert und sieht sich als Opfer eines Justizirrtums.

Gericht: Anderer Hauptverdächtiger

Mit ungewohnter Deutlichkeit nannte die Strafkammer den damaligen Geliebten des Opfers als Hauptverdächtigen - einen Kommissar der Pforzheimer Polizei: "Die Kammer hält es für wahrscheinlich, dass Thomas H. der Täter war", sagte der Vorsitzende Richter Rolf Glenz bei der Urteilsverkündung.

Der Beamte habe sich in einem "klassischen Konflikt" zwischen der Geliebten - seiner Polizeikollegin - und seiner Ehefrau befunden. Diese hatte ihn vor die Wahl zwischen ihr und seiner Freundin gestellt. Der Mann, "der sich in einem permanenten Gefühlkonflikt befand, wollte keine der beiden Frauen aufgeben".

Geliebter hatte kein Alibi

Angesichts früherer Gewalttätigkeiten sei es "durchaus wahrscheinlich", dass es in der Tatnacht zu einer Eskalation gekommen sei. "Er hat für die Tatzeit kein Alibi", betonte Glenz.

Die Staatsanwaltschaft hatte neuneinhalb Jahre Haft für Wörz gefordert, obwohl sie ermittlungtechnische Fehler in dem Fall einräumen musste. Die Verteidigung erklärte, man könne nicht nachweisen, dass Wörz am Tatort gewesen sei und beantragte Freispruch. Der Vertreter der Nebenklage kündigte Revision an.

Im ersten Prozess war Wörz 1998 zu elf Jahren Haft wegen versuchten Totschlags verurteilt worden. Hubert Gorka, Verteidiger von Wörz, hatte nach langem Ringen mit der Justiz eine Wiederaufnahme des bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens durchgesetzt, das 2005 mit einem Freispruch aus Mangel an Beweisen beim Landgericht Mannheim endete.

Der BGH hob den Freispruch vor drei Jahren überraschend auf, weil das Landgericht einen Brief aus dem Gefängnis nicht ausreichend gewürdigt habe, in dem Wörz geschrieben hatte, wenn das Opfer aufwache und sage "ich wär' es gewesen, bin ich für Jahre im Knast". Die Mannheimer Richter haben nun erstmals festgestellt, dass Wörz in dem vermeintlichen Geständnis lediglich eine Formulierung wiederholt hatte, mit der ihn die vernehmenden Beamten ständig konfrontiert hatten.

Jubel in Wörz' Heimatort

In Birkenfeld, der Heimat von Wörz, war die Begeisterung über das Urteil groß. "Ich schicke gleich ein Stoßgebet zum Himmel", freute sich Paula Riedlinger, die den Installateur und Bauzeichner seit seiner Kindheit kennt. "Der ist so sensibel, so ein Verbrechen hätte der nie begangen", zeigte sich die betagte Dame überzeugt. Als Haftentschädigung könnte Wörz 41.825 Euro bekommen - 25 Euro pro Tag.

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