Prozess:Bill Cosby kämpft gegen die Vorverurteilung

Bill Cosby

Bill Cosby hat das erste Mal seit zwei Jahren über die Vorwürfe gegen ihn wegen sexueller Nötigung gesprochen.

(Foto: AP)
  • Am 5. Juni beginnt der Prozess gegen Bill Cosby wegen sexueller Nötigung.
  • Erstmals seit zwei Jahren hat sich der Schauspieler jetzt zu den Vorwürfen gegen ihn geäußert.
  • In dem Interview mit einem Radiosender beschreibt er sich als Opfer von Rassismus und rachsüchtigen Frauen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Man kann Bill Cosby als Künstler sehen, der lebenslang an einer Statue von sich selbst gebastelt hat. Ab dem 5. Juni muss er sich vor einem Gericht in Pennsylvania wegen sexueller Nötigung verantworten. Ihm droht eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren - und nicht zuletzt eine Beschädigung seiner Statue, ein Imageverlust. Nach zwei Jahren hat er sein Schweigen zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen gebrochen. Am Dienstag sprach Cosby ausführlich mit dem Radiomoderator Michael Smercosh auf dem Sender Sirius-XM. "Ich will was für die Menschen tun, die noch immer an mich glauben", sagte Cosby auf die Frage, warum er gerade jetzt einem Interview zugestimmt habe.

Nun muss er etwas für die Geschworenen tun, die von Montag an ausgewählt werden sollen. Das bestätigte auch seine Anwältin Angela Agrusa auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung: "Die Öffentlichkeit hat meinen Mandaten doch bereits vor Prozessbeginn geschlossen verurteilt. Diese Wahrnehmung müssen wir nun ändern." Das führt freilich zurück zu der Statue, an der Cosby, 79, seit mehr als 55 Jahren arbeitet. Er hat als moralische Instanz der amerikanischen Mittelklasse ein makelloses Bildnis seiner selbst gemeißelt.

In den vergangenen Jahren allerdings wurde diese Statue besudelt und beschädigt. Insgesamt 57 Frauen haben sich öffentlich gemeldet, ihre Vorwürfe weisen erstaunliche Parallelen auf: Der berühmte Fernsehstar soll jungen Frauen versprochen haben, ihre Karrieren zu fördern und sie auf Partys den dafür wichtigen Menschen vorzustellen. Dort soll er ihnen Drogen verabreicht und sie belästigt, genötigt und missbraucht haben.

Viele dieser Fälle sind lange her, einige länger als 50 Jahre. Cosby kann als mutmaßlicher Täter dafür nicht mehr strafrechtlich belangt werden, die möglichen Geldstrafen bei einer Verurteilung in einem der angestrengten Zivilverfahren oder bei außergerichtlichen Einigung dürfte sich Cosby leisten können. Es gibt aber dieses eine Strafverfahren, das nun verhandelt wird und bei dem Cosby bei einer Verurteilung eine Gefängnisstrafe und eine Registrierung als Sexualstraftäter drohen: Er soll vor knapp 13 Jahren eine Mitarbeiterin der Temple University unter Drogen gesetzt und sexuell missbraucht haben.

Es gibt zu diesem Fall eine Anhörung anlässlich einer Zivilklage aus dem Jahr 2005, deren Mitschrift der SZ vorliegt. Cosby hatte damals zugegeben, der Uni-Mitarbeiterin Andrea Constand das Schlafmittel Methaqualon verabreicht und sie berührt zu haben: "Ich habe nicht gehört, dass sie was gesagt hat. Ich habe weiter gemacht und bin in diesen Bereich gelangt, der irgendwo zwischen Erlaubnis und Ablehnung war. Ich wurde nicht aufgehalten." Auf die Frage, ob er sich das Mittel mit der Absicht besorgt habe, um mit jungen Frauen zu schlafen, antwortete er: "Ja."

Cosby hatte im Jahr 2006 erreicht, dass das Zivilverfahren gegen eine nicht publik gewordene Summe eingestellt wurde und seine Aussagen unter Verschluss blieben - wegen dem nun angestrengten Strafverfahren gelangten sie dennoch an die Öffentlichkeit. Das könnte zu einem Problem für Cosby werden, schließlich werden Geschworene über Schuld und Unschuld entscheiden. Auch wenn sie sich strikt an die während des Verfahrens präsentierten Fakten halten müssen, so dürfte es doch eine Rolle spielen, welchen Cosby sie da sehen werden: den braven Fernsehonkel, der Opfer einer schlimmen Verleumdungskampagne wurde - oder den Mann, der sich bislang aufgrund seines Reichtums und seiner Berühmtheit freikaufen konnte? Es gilt freilich die Unschuldsvermutung, dennoch sagt Agrusa: "Wir müssen seine Reputation rehabilitieren." Heißt übersetzt: Die Statue zu Prozessbeginn möglichst ohne Beschädigungen präsentieren.

Mit dem Radio-Interview ging Cosby nun in die Offensive. Er stilisierte sich zum Opfer von Rassismus und rachsüchtigen Frauen und gab an, beim Prozess möglichst nicht aussagen zu wollen. "Es gibt bei jeder Geschichte mindestens zwei Versionen, manchmal auch vier oder fünf", sagte er: "Ich will nicht dasitzen und andauend darüber nachdenken, ob ich mit einer wahrhaftigen Aussage ein Fass öffne, das meine Anwälte in Schwierigkeiten bringt." Er zitierte gar die Frauenrechtlerin Gloria Steinem: "Die Wahrheit wird dich befreien, auch wenn sie dich vielleicht erst einmal anpisst."

Während des halbstündigen Interviews wirkte Cosby fahrig, er beantwortete Fragen nur halbherzig und schweifte immer wieder ab. Die zitierte Gloria Steinem sagte danach der Washington Post: "Ich habe keine Ahnung, was er sich dabei gedacht hat. Es scheint mir, als hätten die Frauen, die ihn anklagen, eher das Recht, dieses Zitat zu verwenden."

Der Prozess ist auf zwei Wochen ausgelegt. Es heißt, dass der Medienrummel zu Beginn und bei der Urteilsverkündung so gewaltig sein dürfte wie vor 22 Jahren beim Prozess gegen O.J. Simpson. "Die Geschworenen werden ein Urteil fällen, das so oder so ausgehen wird", sagte Cosby im Interview: "Aber es gibt immer noch die öffentliche Meinung - da gibt es noch viel Arbeit, auch wenn der Prozess so endet, wie ich es hoffe." Cosby, so scheint es, fürchtet sich nicht nur vor einer Gefängnisstrafe, sondern auch davor, dass die Statue, an der er sein Leben lang gebastelt hat, besudelt und beschmutzt bleibt.

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