Provokante Düsseldorfer Shopping-Plakate:Arroganz sieht von unten aus wie Marketing

Düsseldorf wirbt um Kunden

Düsseldorf wirbt um Kunden mit dem Spruch "Das Leben ist zu kurz, um langweilig shoppen zu gehen".

(Foto: dpa)
  • In Wuppertal, Duisburg und anderen Städten in NRW fühlen sich Bürger und Einzelhändler von einem Plakat des Düsseldorfer Stadtmarketings provoziert.
  • Erst im Frühjahr hatte sich der damalige Düsseldorfer Oberbürgermeister ärmeren NRW-Städten gegenüber im Ton vergriffen.
  • In der zuständigen Agentur in Düsseldorf kann man den Ärger nicht nachvollziehen: "Man muss auch beleidigt sein wollen."

Von Jannis Brühl, Köln

Ja, die Menschen in Düsseldorf sind im Normalfall besser gekleidet. Zumindest wenn man unter besser einheitlich und teuer versteht. Und ja, es gibt wenige Gegenden in Deutschland, an denen sich besser Geld verprassen lässt als rund um die "Kö", die Königsallee im Zentrum der Stadt. Wer dort von Prada zu Hermes will, muss an Louis Vuitton vorbei. Aber muss Düsseldorf deshalb den Rest der Region offen provozieren? Auf 252 mal 356 Zentimeter in bester Lage? Das fragen sich derzeit Menschen in Wuppertal, Mönchengladbach, Essen und Duisburg.

Auslöser sind die mehr als 200 Plakate, die in zwölf Städten für Düsseldorf als Einkaufsort werben. Auf dem Plakat ist ein stilisiertes Kleid auf einem Bügel zu sehen, statt aus Stoff setzt es sich aus den Worten zusammen: "Das Leben ist zu kurz, um langweilig shoppen zu gehen." Dazu der Hinweis auf Düsseldorf. Solche Ansagen wollen manche Menschen im Bergischen Land und im Ruhrgebiet nicht aus der Landeshauptstadt hören, sie beziehen das "langweilig" auf ihre Stadt. In Lokalzeitungen und Online-Kommentaren wird der Klassiker unter den Vorwürfen gegen die wohlhabende Landeshauptstadt laut: Arroganz. Die Debatte über die eigentlich harmlose Werbung erzählt viel über Befindlichkeiten, Eigen- und Fremdwahrnehmung in Nordrhein-Westfalen.

"Provokation" rufen Wuppertaler Optiker und andere Ladeninhaber, Mönchengladbacher Stadtvermarkter warnen davor, dass Städte "diffamiert" werden könnten, örtliche Zeitungen schüren den Lokalstolz. Der Duisburger Einzelhandelsverband spricht gar von einem "unfreundlichen Akt". Und auf Facebook kommentieren Bürger: "Sowas gehört sich nicht!!!", die Aktion sei "großkotzig". Nutzer aus Düsseldorf machen sich im Gegenzug über vermeintliche Komplexe und die Leere in den Innenstädten der Nachbarorte lustig: "Neid der Besitzlosen nennt man das."

"Sie verlassen den schuldenfreien Sektor"

Es gibt einen Grund, dass manche Menschen in ärmeren Städten Nordrhein-Westfalens dünnhäutig reagieren. Das Plakat erinnert sie an die überheblichen Slogans von Dirk Elbers (CDU), der bis zum Sommer Düsseldorfer Bürgermeister war. Elbers sagte, er wolle im Ruhrgebiet "nicht tot überm Zaun hängen". Der Pott war beleidigt.

Auf Plakaten an der Ortsausfahrt seiner Stadt ließ Elbers plakatieren: "Sie verlassen den schuldenfreien Sektor" - eine Anspielung auf die katastrophale Finanzlage vieler Gemeinden in NRW. In vielen Gemeinden wird um jeden Euro gekämpft, und aus Düsseldorf kommen blöde Sprüche - so kommt es ein ums andere Mal an bei den Menschen in den betroffenen Orten. Elbers haben die Äußerungen eher geschadet, er wurde abgewählt.

Hinter der aktuellen Plakataktion steckt die städtische Tochter Düsseldorf Marketing und Touristik (DMT) und mehrere Einzelhändler wie Breuninger und Kaufhof. 120 000 Euro haben sie sich die Plakate kosten lassen, um im vierten Quartal, das besonders wichtig für ihre Geschäfte ist, für ihre Einkaufsmeile zu werben.

"Das ist weit von einem Shitstorm entfernt"

In Wuppertal landen Beschwerden von Bürgern und Einzelhändlern über die Kampagne bei Martin Bang, Chef des Stadtmarketings. Er erzählt, dass viele Wuppertaler sich, statt vor lauter Konsumgeilheit in den Regionalexpress nach Düsseldorf zu springen, von oben herab behandelt fühlen: "Sie reagieren anders, als das die Düsseldorfer erwartet haben."

Der Wuppertaler Einzelhandel hat es derzeit ohnehin schwer. Wegen einer Großbaustelle am Hauptbahnhof bleibe ein guter Teil des Autoverkehrs aus, der den Geschäften in der Innenstadt Kunden brachte.

Dass Werbung für die eigene Region anderen aufstoßen kann, musste auch die Landesregierung von Schleswig-Holstein im Juni erfahren. Ihr Standort-Slogan "Der echte Norden" verärgerte Politiker in den anderen Nord-Bundesländern Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Wenn es um Tourismuswerbung geht, will einer authentischer sein als der andere.

Roman von der Wiesche vom Düsseldorfer Stadtvermarkter DMT wirkt dagegen zufrieden mit dem Plakat. Provokant sei es, aber das sei lediglich ein "spielerischer Ansatz": "Es ist keine Negativkampagne, sondern ganz normales Stadtmarketing." Und er sagt: "Man muss auch beleidigt werden wollen." Von der Wiesche verweist auch auf die vielen Kommentatoren aus den betroffenen Städten, die die Aktion lustig finden: "Das ist weit von einem Shitstorm entfernt." Dabei wirkt er ein wenig erleichtert. Nicht dass Düsseldorf am Ende noch ein Imageproblem kriegt.

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