Registrierung von Prostituierten:Neuer Ärger im Sperrbezirk

Registrierung von Prostituierten: Beim käuflichen Sex gehen die Weltanschauungen weit auseinander, es gibt neuen Ärger wegen des Entwurfs zum Prostitutionsgesetz.

Beim käuflichen Sex gehen die Weltanschauungen weit auseinander, es gibt neuen Ärger wegen des Entwurfs zum Prostitutionsgesetz.

(Foto: imago/imagebroker)
  • Erst im Juli hat sich die große Koalition auf ein Gesetz zum besseren Schutz von Prostituierten geeinigt, nun werden schon wieder kritische Stimmen laut.
  • Das Gesetz sieht vor, dass Prostituierte sich an jedem Ort, an dem sie arbeiten, anmelden müssen. Das führt zu Problemen beim Datenschutz und bedeutet eine erhebliche Belastung für die Kommunen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Das Ziel klingt ehrenwert, aber auf dem Weg dorthin türmen sich immer neue Hürden auf. Die Bundesregierung will Prostituierte besser schützen. Sie plant ein Gesetz, wonach Bordellbetreiber ihr Gewerbe anmelden müssen und Freier zur Verwendung von Kondomen verpflichtet werden. Prostituierten sollen Gesundheitsberatungen vorgeschrieben werden und eine Anmeldepflicht für jeden Ort, an dem sie arbeiten.

Die Verhandlungen zwischen Union und SPD waren außerordentlich mühsam, beim käuflichen Sex gehen die Weltanschauungen weit auseinander. Seit Juli liegt nun ein Gesetzentwurf vor, doch schon kündigt sich neuer Ärger an.

Das neue Gesetz sieht ein engmaschiges Kontrollnetz vor

"Die motzen", sagt der CDU-Abgeordnete Marcus Weinberg und meint die Stellungnahmen von Bundesländern und Verbänden zum geplanten Gesetz. "Ich finde, da müssen wir noch einmal drüber reden", sagt Carola Reimann, Sozialpolitikerin der SPD. Sie meint Kontrollpflichten, die den Kommunen aus dem Prostituiertenschutzgesetz entstehen. "Da können einem schon ein paar graue Haare wachsen", sagt der Familienpolitiker Paul Lehrieder von der CSU. Denn das Gesetz könnte sich weiter verzögern.

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Um zu verstehen, worum es da geht, muss man wissen, dass das geplante Prostituiertenschutzgesetz ein engmaschiges Kontrollnetz vorsieht. Damit Helfer und Behörden freiwillige Prostitution besser von Menschenhandel trennen können, haben Prostituierte sich vor Aufnahme ihrer Arbeit "bei der zuständigen Behörde persönlich anzumelden", so der Gesetzentwurf. Reisen sie per Wohnmobil durchs Land, ist für jeden Ort eine Anmeldung "bei der jeweils zuständigen Behörde" nötig.

Fürs echte Leben heißt das, dass Kommunen für jede Prostituierte, die mal in die Stadt kommt, eine Anmeldung bearbeiten müssen, wenn sie keine hat. Gibt es "tatsächliche Anhaltspunkte", dass sie unter Zwang steht oder "nicht über die zum eigenen Schutz erforderliche Einsicht verfügt", ist die Anmeldung zu verweigern.

Prostituierte sollen Alias-Ausweise bekommen

Prostituierte sollen Alias-Ausweise unter falschem Namen bekommen, der Klarname wird beim Amt hinterlegt. Gesundheitsbehörden sollen bei Beratungsgesprächen auch Hinweise auf Zwangslagen aufspüren. In diesem Fall können "mit Zustimmung" der Prostituierten andere Behörden oder die Polizei eingeschaltet werden.

Auch bei Familienpolitikern der Union gibt es inzwischen Überlegungen, den Anmeldungswust etwas zu lichten, um die Kommunen zu entlasten. Im Bundesinnenministerium aber will man davon nichts wissen. In einer Stellungnahme vom Oktober, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es, Prostituierte müssten "eine Anmeldung in jedem einzelnen örtlichen Zuständigkeitsbereich" persönlich vornehmen.

Die Alias-Bescheinigungen, die ihnen Anonymität ermöglichen, fordert das Ministerium "gänzlich zu streichen". Auch dass Prostituierte zustimmen müssen, bevor Informationen aus der Gesundheitsberatung weitergegeben werden, gehöre "gestrichen". Der Datenfluss zwischen Behörden sei generell zu erleichtern.

Nordrhein-Westfalen meldet verfassungsrechtliche Bedenken an

In den Ländern sieht man das ganz anders. Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Thüringen melden Einwände an. "Wir haben erhebliche Bedenken", sagt der Datenschutzbeauftragte von Thüringen, Lutz Hasse.

Die Masse erfasster Daten von Prostituierten, die auch das Sexualleben beträfen, sei zu groß. Zudem erlaube der Entwurf ihre Weitergabe zur Abwehr einer "gegenwärtigen Gefahr". Die Europäische Datenschutzbehörde aber gestatte dies nur bei "erheblicher Gefahr", also wenn bedeutende Rechtsgüter wie körperliche Unversehrtheit bedroht seien.

Nordrhein-Westfalen meldet auch Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes an: Die Anmeldepflicht für Prostituierte verletze die Berufsfreiheit. Und weil der Bund den Ländern mit der Gesundheitsberatung eine geldwerte Dienstleistung aufbürdet, gehen Hamburg und Nordrhein-Westfallen davon aus, dass das Gesetz im Bundesrat zustimmungspflichtig ist. Die Koalition sieht das anders.

Wegen der Flüchtlingskrise sind die Kommunen eh schon stark belastet

Die Flüchtlingslage in den Ländern verschärft die Lage weiter. "In Kommunen höre ich überall die Bitte, die Auflagen des Gesetzes für die Registrierung zu verschlanken", sagt die SPD-Abgeordnete Carola Reimann. "In meinem Wahlkreis ist Mann und Maus mit der Gesundheitsberatung für Flüchtlinge befasst."

In der Union sorgen solche Töne für Verärgerung. Der SPD gefalle das Gesetz nicht, nun nutze sie die Flüchtlingskrise, um das ungeliebte Paket wieder aufzuschnüren. "Ich verstehe die Nöte der Kommunen, wir haben das auf dem Schirm", sagt der CDU-Politiker Marcus Weinberg. "Aber ich finde es hochproblematisch, wenn wegen der Flüchtlinge nun Prostituierte weniger Schutz bekommen."

Inhaltlich werde es "kein Abweichen" vom ausgehandelten Kompromiss geben. Auch der CSU-Familienpolitiker Paul Lehrieder will keinesfalls wieder zurück auf Null. Denkbar sei aber, dass das Gesetz erst "ein paar Monate oder ein halbes Jahr" nach der Verabschiedung in Kraft trete, damit die Kommunen mehr Zeit bekämen. "Wir werden die Fristen noch einmal überprüfen." Zufriedenheit hört sich anders an.

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