Prostitution:Raus aus der Dunkelheit

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Amnesty International setzt sich für die weltweite Legalisierung von Prostitution ein. Das löst Proteste aus - weil Zuhälter auch straffrei bleiben sollen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Die Entscheidung war kaum gefallen, da erhob sich ein Sturm, der lange angekündigt war. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International soll künftig für die Legalisierung von Prostitution und Sexarbeit in aller Welt eintreten. Anbieterinnen und Anbieter sexueller Dienstleistungen sollen so aus dem kriminellen Dunkelfeld geholt werden. Aber auch Zuhälter und Bordellbesitzer sollen ihre Geschäfte unbehelligt von strafrechtlicher Verfolgung machen können. Das forderte eine Delegiertenversammlung von der Amnesty-Zentrale bei einer Vollversammlung am Dienstag in Dublin.

Prostituierte bräuchten "rechtlichen Schutz vor Ausbeutung und Gewalt"

"Prostituierte sind eine der am stärksten vernachlässigten Gruppen in der Welt, die in den meisten Fällen ständig dem Risiko von Diskriminierung, Gewalt und Missbrauch ausgesetzt sind", erklärte Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty. Seine Organisation ebne den Weg für eine Politik, die den "Schutz der Menschenrechte von Prostituierten" sichere. In der Resolution heißt es weiter, Ziel des Vorstoßes sei eine "Entkriminalisierung aller Aspekte von einvernehmlichem käuflichen Sex". Prostituierte müssten "vollen und gleichen rechtlichen Schutz vor Ausbeutung, Menschenhandel und Gewalt" erhalten.

Der Protest gegen diese Entscheidung ließ nicht lange auf sich warten, zumal seit Monaten in aller Härte und international über das Thema gestritten wird. Die Koalition gegen den Frauenhandel CATW, die von bekannten Schauspielerinnen wie Kate Winslet, Emma Thompson und Meryl Streep unterstützt wird, kritisierte die Haltung von Amnesty schon vor der Entscheidung scharf. Die Legalisierung der Prostitution legitimiere eine "sexistische, klassenbasierte und rassistische Tradition", die "Frauenkörper als verfügbar für den sexuellen Gebrauch von Männern darstellt". Zugleich ermögliche sie denjenigen Straffreiheit, die die "Frauen finanziell und sexuell ausbeuten - Zuhälter, Menschenhändler und Sexkäufer".

Am Mittwoch schlugen auch in Deutschland die Wellen hoch. "Ich bin schockiert!", sagte die Feministin Alice Schwarzer. Nun schlage Amnesty sich "auf die Seite der Täter". Ein Signal wie das von Amnesty "bestärkt die Frauenhändler und macht den Frauen das Leben noch schwerer". Auch der Sprecher des Kinderhilfswerks Unicef, Rudi Tarneden, zeigte sich skeptisch. Entkriminalisierung der Prostitution solle Ausbeutung verhindern, sagte er dem Evangelischen Pressedienst. Aber sie berge auch die Gefahr, dass noch mehr junge Leute mit Sex Geld verdienten.

Lea Ackermann, die Gründerin der Hilfsorganisation Solwodi, die sich für Opfer von Menschenhandel einsetzt, sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung: "Der Schaden, den Amnesty International hier gerade anrichtet, ist unermesslich." Sexarbeit sei kein normaler Beruf. Studien belegten, dass gut zwei Drittel der Frauen in der Prostitution unter einer posttraumatischen Belastungsstörung litten, ähnlich wie Kriegsveteranen und Folteropfer. "Frauen in der Prostitution sind täglich unsäglicher Gewalt ausgesetzt und tragen nicht selten für ihr gesamtes Leben Narben."

Ausgerechnet diejenigen, die ihr Geld mit Prostitution verdienen und in vielen Ländern der Welt völlig rechtlos sind, unterstützten dagegen das Votum von Amnesty International. Das in Großbritannien angesiedelte Global Network of Sex Work Projects NSWP, zu dem Projekte für Prostituierte auf allen Kontinenten gehören, warnte vor Stigmatisierung. Wer die Legalisierung von Prostitution verteufle, ignoriere Erfahrungen von Sex-Arbeitern, bringe sie zum Schweigen und versuche, "Rechtssysteme aufrechtzuerhalten, die Sexarbeiter einem erhöhten Risiko von Gewalt und Stigmatisierung aussetzen". In einem Appell verwies NSWP darauf, dass auch die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch Legalisierung forderten.

Besonders kontrovers wurde bei Amnesty diskutiert, ob neben Prostituierten auch Zuhälter und Bordellbesitzer vor Strafverfolgung geschützt sein sollten. Hier gingen bei den Aktivisten die Meinungen weit auseinander. Vertreter nordischer Länder traten für das schwedische Modell ein: Dort arbeiten Prostituierte legal, ihre Zuhälter sowie Bordellbesitzer aber werden bestraft. Auch Freier, die Prostituierte ansprechen, machen sich strafbar. In Frankreich gibt es ebenfalls Forderungen, Sex-Käufer künftig zu bestrafen. Durchsetzen konnte sich diese Haltung bei Amnesty International nicht. Eine Mehrheit der etwa 400 Delegierten aus 70 Ländern stimmte dagegen.

© SZ vom 13.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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